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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gestänge; Gestängeschloß; Gesta Romanorum; Gestation; Geste; Geste, Chansons de; Gesteine

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Gestänge - Gesteine.

liegt, auch über den Einwilligenden keine ungerechte Strafe zu verhängen, durch das G. der Prüfung, ob die zugestandene That wahr sei, nicht überhoben; es kommt daher auf die Glaubwürdigkeit an, die dem G. beizulegen ist. Da nach dem ältern gemeinen Strafverfahren die Verurteilung nur auf das G. oder auf einen nach gewissen Regeln zu stande gebrachten, selten herzustellenden Beweis erfolgen konnte, so war es Hauptaufgabe des Untersuchungsrichters, auf Geständnisse hinzuwirken; bei dem neuern Strafverfahren tritt diese Richtung zurück, und die mit dem Angeschuldigten anzustellenden Vernehmungen haben im Gegenteil mehr den Zweck, ihm Gelegenheit zu seiner Verteidigung zu geben, wie dies namentlich in der deutschen Strafprozeßordnung (§ 136) betont ist. Das G. eines Freigesprochenen, sei es auch ein außergerichtliches, aber glaubwürdiges G., hat nach § 402 der Strafprozeßordnung die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Folge. Handelt es sich bei einer Strafsache nur um eine Übertretung, und gesteht der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte That ein, so kann der Amtsrichter mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in dem Fall der Vorführung eines Beschuldigten, z. B. eines Bettlers, sofort zur Hauptverhandlung schreiten, ohne Schöffen zuzuziehen (§ 211).

Gestänge, steif oder beweglich axial aneinander gefügte Stangen aus Holz oder Eisen zur Übertragung einer Kraft durch Schub, Zug oder Stoß. Man benutzt G. namentlich beim Bergbau und unterscheidet je nach der speziellen Anwendung Bohr, Pumpen, Förder, Kunstgestänge etc. Feldgestänge sind Kunstgestänge über Tage, auf der Erdoberfläche.

Gestängeschloß (Stangenschloß), s. Erdbohrer, S. 740.

Gesta Romanorum (lat., "die Thaten der Römer", auch Gesta oder Historiae moralisatae, "moralisierende Geschichten"), Titel einer im Mittelalter vielverbreiteten Sammlung von kurzen Anekdoten, Sagen, Legenden und Märchen in lateinischer Sprache. Der Kern derselben sind Erzählungen aus der römischen Geschichte oder Stücke aus römischen Schriftstellern, an die sich moralisierende und religiös mystische Erklärungen anschließen; diesem Kern wurden später immer mehr anderswoher entnommene oder ganz frei erfundene Stücke hinzugefügt, so daß die Sammlung bis auf etwa 180 Kapitel erweitert wurde. Entstanden sind die G. in ihrer ersten Gestalt wahrscheinlich in England zu Ende des 13. oder zu Anfang des 14. Jahrh.; ihr Verfasser, für den einige den Petrus Berchorius, Benediktinerprior zu Paris (gest. 1362), andre ebenso grundlos einen gewissen Helinandus hielten, ist nicht zu ermitteln. Die G. waren ungemein verbreitet: der neueste Herausgeber hat 138 Handschriften derselben verglichen; schon früh wurden sie ins Englische, Deutsche (zuerst gedruckt Augsb. 1489) und andre Sprachen übersetzt. Der älteste Druck, der um 1472 erschien, enthält 151 Nummern; noch in den 70er Jahren des 15. Jahrh. erschien aber eine andre Ausgabe von 181 Nummern, welche dann unzählige Male nachgedruckt worden ist. Viele dieser Erzählungen sind von spätern Erzählern, wie namentlich Hans Sachs, Burkard Waldis etc., benutzt worden, bis sie mit dem 17. Jahrh. allmählich in Vergessenheit gerieten. Die neuesten Ausgaben des Vulgärtextes in 181 Kapiteln besorgten A. Keller (Stuttg. 1842, Bd. 1), der auch aus einem Münchener Kodex eine ältere deutsche Übersetzung (Quedlinb. 1841) herausgab, und Österley (Berl. 1872) mit einer sehr gründlichen Einleitung. Die erste vollständige neuhochdeutsche Übersetzung lieferte Grässe (Dresd. u. Leipz. 1842, 2 Bde.). Wichtig ist auch die Ausgabe zweier altenglischer Texte, die Sir Frederick Madden 1838 für den Roxburgh Club veranstaltete, sowie die von Herrtage für die Early English Text Society 1879 besorgte Ausgabe.

Gestation (lat.), Tragung; Zeit der Trächtigkeit oder Schwangerschaft.

Geste (lat. gestus), Gebärde, Körperbewegung als Ausdruck des Gefühls (s. Gestikulation).

Geste, Chansons de (spr. schangssong dö schäst), altfranz. Heldengedichte in zehn oder zwölfsilbigen Versen, deren Stoffe vorwiegend der Karlssage entnommen sind (s. Französische Litteratur, S. 591). Vgl. Paris, Les chansons de geste (Par. 1859).

Gesteine (Felsarten, Gebirgsarten; hierzu Tafel "Gesteine, Dünnschliffe"), Mineralaggregate, die einen wesentlichen Teil der Erdrinde bilden. Die Gesteinslehre oder Petrographie, wohl auch, aber wenig gebräuchlich, Lithologie, ist einer der fundamentalen Teile der Geologie (petrographische Geologie); sie hat in neuester Zeit, namentlich durch die Anwendung des Mikroskops und ganz besonders durch dessen Verbindung mit Polarisationsapparaten, welche die optischen Eigenschaften der Mineralien klar und scharf hervorheben, bedeutende Fortschritte erzielt. Man teilt die G. zunächst in kristallinische G. und in Trümmergesteine (klastische G.). Erstere enthalten die einzelnen Mineralindividuen unmittelbar verbunden, letztere sind durch mechanische Zertrümmerung entstandene Fragmente andrer G., lose gehäuft oder durch ein später hinzugekommenes Bindemittel, Zement, zusammengehalten (s. Tafel "Mineralien und Gesteine", Fig. 20 u. 21). Alle G., namentlich die kristallinischen, können einfach, gleichartig, oder gemengt, zusammengesetzt, ungleichartig, sein; im erstern Fall sind sie wesentlich aus nur einer, im letztern Fall aus mehreren Mineralspezies zusammengesetzt. Die Zahl der gesteinbildenden Mineralspezies ist eine beschränkte; unter den Oxyden: Eis (Wasser), Quarz, Brauneisen, Roheisen, Magneteisen; unter den Chloriten: Steinsalz; unter den Carbonaten: Kalkspat, Dolomit, Magnesit, Eisenspat; unter den Sulfaten: Anhydrit und Gips; unter den Silikaten (abgesehen von der nicht individualisierten Glassubstanz, s. unten): die verschiedenen Glieder der Feldspatgruppe, der Augit- und Hornblendegruppe, der Glimmergruppe, der Nephelingruppe, Serpentin, Talk, Chlorit, Granat; endlich die Organoide: Anthracit, Steinkohle etc. Größer ist die Zahl derjenigen Mineralspezies, welche als zufällige (accessorische) Bestandteile der G. auftreten, welche, als das Wesen der G. nicht bedingend, bald in denselben vorkommen, bald auch fehlen, gelegentlich aber durch Häufigkeit und Gebundensein an Ein Gestein geradezu charakteristisch für dasselbe werden können. Unter solchen accessorischen Gemengteilen sind außer den obigen Mineralabteilungen noch die Klassen der Elemente, der Schwefelmetalle, der Titanate besonders häufig vertreten. - Neben der Zusammensetzung ist die Struktur der G., die Art und Weise, in welcher die Mineralaggregate verbunden sind, zu unterscheiden. Sie ist körnig: dann sind die G. aus kristallinischen Körnern (auch Blättern etc.) zusammengesetzt, ohne daß in der Anordnung eine besondere Norm obwaltete (Granit, s. Tafel "Mineralien", Fig. 13). Werden die kristallinischen Individuen so klein, daß sie nicht mit bloßen Augen (selbst nicht immer mit der Lupe) zu erkennen sind, so heißt die Struktur dicht (dichter Kalkstein etc.). Porphyrisch heißt sie, wenn in dichter oder feinkör-^[folgende Seite]