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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Getreide

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Getreide (Verbreitung auf der Erde).

benutzt. Von diesen sind zu erwähnen: der Tes in den abessinischen Gebirgen, welcher das Lieblingsbrot der Abessinier liefert, die aus Ostindien stammende, gleichfalls in Abessinien kultivierte Eleusine Tocusso und die in Ostasien vielgebaute Eleusine coracana. Aus Ostindien stammend, hat sich über Ägypten und die angrenzenden Länder die Pennicillaria spicata verbreitet und bildet in manchen Gegenden das Hauptnahrungsmittel. Auch Glyceria fluitans, einige Bromus-Arten und Coix lacryma sind unter den Cerealien zu erwähnen, und wenn man den Begriff der letztern etwas weiter faßt, so gehören dazu auch der Buchweizen, die Quinoa (Chenopodium Quinoa Willd.), welche seit uralter Zeit in Neugranada, Peru und Chile kultiviert wird, und der Amaranthus frumentaceus Roxb. auf den Bergabhängen von Maissur und Koimbatur.

Die Verbreitung des Getreides auf der Erde,

soweit dieselbe abhängig ist von der Temperatur und andern Verhältnissen, die zusammen das Klima eines Landes bilden, erscheint mannigfach gegliedert und von besondern örtlichen Verhältnissen abhängig. Nur in wenigen Teilen der Erde ist der Getreidebau ganz unmöglich. In den der Linie nahen heißen Ländern treiben die Cerealien Blätter; allein die Sonne versengt sie, noch ehe die Ähren sich entwickeln. So wächst, außer im Kapland, in Afrika jenseit des südlichen Wendekreises sowie auf den Inselgruppen westlich von Ceylon und Malabar wenig G. In den heißen Ländern wird auch bisweilen deshalb kein G. gebaut, weil die Natur pflanzliche und tierische Nahrungsmittel ohne jede Kultur in reichlicher Menge spendet. Nach Norden hin findet sich der Getreidebau in Europa bis gegen den 70.°, in Sibirien bis zum 60.° und in Kamtschatka bis gegen den 50.° In Nordamerika liegt diese Grenze an der Westküste beim 57.° und an der Ostküste beim 52.° nördl. Br. Im Himalaja gedeiht Gerste noch bis 4500, Roggen bis 3900 m Höhe; am Chimborazo finden sich 3138 m über der Meeresfläche noch wohlbestellte Getreidefelder. In den Nordalpen erreicht das G. seine höchste Erhebung bei 1160 m, in den Zentralalpen bei 1600 m und in den südlichen Alpen bei 1880 m, am Harz dagegen schon bei 560 m in der Hochebene von Klausthal. Bei näherer Betrachtung der Verbreitung des Getreides ergeben sich ganz bestimmte Zonen, in denen stets Eine Getreideart besonders vorherrscht und vorzüglich zur Bereitung des Brotes verwendet wird. Von großer Wichtigkeit ist die Abhängigkeit des Getreidebaues vom Klima. In Ägypten beträgt die Vegetationszeit der Gerste 90 Tage, und die mittlere Temperatur dieser Zeit ist 21°. In Tuquerés nahe bei Cumbal unter dem Äquator hat man eine Vegetationszeit von 168 Tagen bei einer mittlern Temperatur von 10,7°. Zu Santa Fé de Bogotá zählt man zwischen Aussaat und Ernte 122 Tage mit einer mittlern Temperatur von 14,7°. Wenn man nun die Anzahl der Tage mit der Zahl der mittlern Temperatur multipliziert, so erhält man für Ägypten 1890, für Tuquerés 1798, für Santa Fé 1793, also nahezu dieselbe Zahl, wie sie die Unsicherheit in der Bestimmung der Tage, der genauen mittlern Temperatur und die Ungewißheit, ob überall dieselbe Gerstenart gebaut ward, nur irgend erwarten läßt. Bei Freising in Bayern verlangt Winterweizen 149 Tage bei 10,7° R., mithin 1595° Wärme, Winterroggen 137 Tage bei 10,6° R., mithin 1452; Sommerweizen 120 Tage bei 15,1° R., demnach 1812°, Sommerroggen 110 Tage bei 13,8° R., also 1797°, Sommergerste 100 Tage bei 13,8° R., also 1380° (1725° C., vgl. oben), Hafer 110 Tage bei 13,7°, also 1507°. Dies Resultat läßt sich so aussprechen: jede Kulturpflanze bedarf zu ihrer Entwickelung einer gewissen Quantität Wärme; es ist aber gleichgültig, ob diese Wärme auf einen längern oder kürzern Zeitraum verteilt wird, sobald nur gewisse Grenzen nicht überschritten werden; denn wo die mittlere Temperatur unter 8° sinkt, oder wo sie sich über 22° erhebt, da reift z. B. keine Gerste mehr.

Die Wärme allein ist aber nicht entscheidend, auch die Regenmenge und andres kommt noch in Betracht. Der Reis wird im Sumpf gebaut, der Mais liebt trocknes Kontinentalklima; der Weizen verlangt bindigen, frischen, der Roggen lockern, warmen und trocknen Boden, die Gerste die besten Standorte, und der Hafer gedeiht am besten im feuchtkalten nordischen Klima. Für Weizen und Gerste ist der Bezug von Samen aus dem Süden, für Roggen und Hafer aus nördlichern Lagen zu empfehlen. Offene, zugige Lage (Ebenen) gehört zu den Bedingungen eines gedeihlichen Getreidebaues, da sonst leicht die dem G. schädlichen Krankheiten überhandnehmen. Der Hafer kann mit den geringern Bodenarten vorlieb nehmen und eignet sich unter allen Getreidearten allein für Neubruch oder Rodland. Reis und Mais sind einjährig; die andern Getreidearten kommen auch als Winterfrucht vor, doch Gerste bloß in Frankreich und Süddeutschland, Hafer nur selten. Bei Weizen und Roggen sind die Wintervarietäten ertragreicher, bei Hafer die Sommerarten, und bei Gerste kann nur die Sommerfrucht zur Brauerei dienen. Soll nördlich der Mainlinie der Mais zur Reise kommen, so darf man nur die niedrigen Varietäten anbauen, als Grünfutterpflanze spielt er aber auch hier eine große Rolle; auch Roggen dient als Grünfutterpflanze, und die eine Varietät Johannisroggen kann ohne Nachteil für den Körnerertrag im ersten Jahr als Futterpflanze geschnitten werden. Das Maisstroh ist hart und ohne Präparation (Salzen, Einsäuern) nicht zum Füttern verwertbar, dagegen kann es bis in den Winter hinein auf dem Feld stehen bleiben. Weizen- und Roggenstroh dienen nur zur Streu und zu Häcksel, Sommergetreide liefert gutes Futterstroh. Unter dem Weizen nehmen die Arten Spelz oder Dinkel, Emmer-, Einkorn die geringern, leichtern Bodenarten ein; die englischen und überseeischen verlangen die besten und wintern bei uns zudem leicht aus. Spelz und Dinkel liefern das weißeste und feinste Mehl, Einkorn nur grobes; die gemeine oder vierteilige Gerste eignet sich mehr zur Fütterung, die zweizeilige zur Malzbereitung. Man erntet pro Hektar von

^[Liste]

Winter - Weizen 18-50 Ztr. Körner, 32-112 Ztr. Stroh

Sommer - " 14-32 " " 32-80 " "

Winter - Spelz 12-44 " " 36-100 " "

Sommer - " 8-28 " " 28-80 " "

Winter - Emmer 16-20 " " 60-80 " "

Sommer - " 12-16 " " 40-64 " "

Einkorn 12-24 " " 48-80 " "

Winter - Roggen 12-48 " " 20-120 " "

Sommer- " 16-36 " " 48-88 " "

Sommer-Geste 36-64 " " 48-72 " "

" große 2zeilige 20-60 " " 28-72 " "

" kleine 4zeilige 16-40 " " 20-48 " "

Hafer 12-44 " " 24-88 " "

Mais 40-144 " " 120-160 " "

" do 12-16 " Deckblätter, 24-40 " Kolben

In der Landwirtschaft rechnete man vordem das G. zu den vornehmsten Früchten und räumte ihm die besten Stellungen ein; jetzt, nachdem der Welthandel die Preise nicht mehr ungebührlich steigen läßt, sucht man den Getreidebau mehr zu beschränken, auf kleinern Flächen das Erntequantum zu erhöhen