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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Geweih

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Geweih (Hirsche).

waren, ein weiteres Ende und gibt der Spitze dadurch eine dreiteilige, kronenartige Form. Der Hirsch ist dann ein Zwölfender (Fig. 6) und heißt, wie jeder stärkere, der eine solche Krone trägt, ein Kronenhirsch. Aus diesem G. bildet sich das des Vierzehnenders dadurch, daß sich das hintere Ende der Krone verlängert und wiederum gabelt, u. s. f. Dies ist der Gang bei der regelmäßig fortschreitenden Entwickelung, es treten jedoch überaus häufig, wohl durch die äußern Verhältnisse, wie gute Äsung, Ruhe, gelinde oder harte Winter, Verletzungen etc., bedingt, Abweichungen hiervon auf. So setzt bei günstigen Verhältnissen der Spießer im folgenden Jahr nicht selten mit Überspringung der Gablerstufe ein Gehörn von sechs Enden auf; stärkere Hirsche bilden oft ein G. von einer geringern Endenzahl, als das frühere hatte, aus: sie setzen zurück. Namentlich fehlt häufig bei starken Hirschen die Eissprosse; ist dies bei einem Hirsch der Fall, welcher drei Enden in der Spitze des Geweihs hat, der also eigentlich ein Zwölfer sein müßte, so heißt er ein Kronenzehner. - Man erkennt die Hirsche, welche zurückgesetzt haben, an der Stärke des Körpers, ferner an der Breite und Kürze der Rosenstöcke sowie an der Länge, Stärke und perligen Beschaffenheit der Stangen, welche Verhältnisse dann mit der Zahl der Enden des Geweihs nicht übereinstimmen. Die Hirsche werden nach der letztern in der Art angesprochen, daß man die Zahl der Enden an der Stange bestimmt, welche die Mehrzahl derselben trägt, und solche verdoppelt. Findet sich an der andern Stange eine geringere Zahl, so ist das G. ungerade. Der Hirsch z. B., welcher an einer Stange sechs, an der andern dagegen nur fünf Enden trägt, ist ein ungerader Zwölfender. Die Enden (Sprossen) folgen hier an den Stangen eines regelmäßigen Zwölfers so nacheinander, daß über der Rose die Augsprosse, in geringer Entfernung davon die Eissprosse, dann an der Biegung, etwa in der Mitte der Stange, die Mittelsprosse herausragt, an der Spitze dagegen die Sprossen sich finden, welche die Krone bilden. Als Ende wird jede Hervorragung an den Stangen angesprochen, an welche man eine Hornfessel zu hängen vermag. Das Gewicht der Rothirschgeweihe ist natürlich je nach der Stärke sehr verschieden, die von jetzt erlegten Hirschen wiegen selten mehr als 5 kg. Schwerere, bis 10 kg und darüber wiegende Geweihe findet man zwar in Sammlungen; doch kommen so starke Hirsche bei uns nicht mehr vor, da sie nicht alt genug werden und zur völligen Ausbildung nicht Ruhe und ausreichende Äsung haben. Das zwar nicht an Gewicht, aber an Endenzahl stärkste G. trug ein Hirsch von 66 Enden, welcher im Revier Neubrück des Regierungsbezirks Frankfurt a. O. erlegt wurde. Das G. wird im Jagdschloß zu Moritzburg in Sachsen aufbewahrt.

Bisweilen treten abnorme Bildungen auf, welche man als Perückengeweihe (Fig. 7) bezeichnet; sie haben eine wulstige Form, bleiben knorpelig und verlieren den Bast nicht. Meist sind Verletzungen, namentlich des Kurzwildbrets (der Hoden), die Veranlassung zu dieser Mißbildung. Mitunter findet man auch kurze Verdickungen über den Rosenstöcken, ohne daß sich ein G. ausbildet, und solche Hirsche werden als Büffelhirsche angesprochen. Es leuchtet ein, daß die Zahl der Enden oft nicht dem Alter der Hirsche entspricht. Deshalb hat man bei der Parforcejagd eine andre Art des Ansprechens eingeführt, für welche lediglich das Alter maßgebend ist. Man bezeichnet hier den Hirsch, welcher im dritten Jahr sein zweites Gehörn aufsetzt, als einen Hirsch vom zweiten Kopf und so fort vom dritten und vierten Kopf. Wenn derselbe im sechsten Jahr sein fünftes G. ausgebildet hat, also bei regelmäßigem Aufsetzen ein Zehner geworden ist, heißt er schlecht jagdbar, im folgenden Jahr jagdbar und dann weiter vom zweiten Kopf jagdbar etc. Das Abwerfen der Geweihe geschieht im Februar und März, bei stärkern Hirschen früher, bei schwächern später; erstere fegen im Juli, letztere später, schwache Spießer oft erst im September.

Beim Elchhirsch (Fig. 8) bilden sich die ersten Spieße erst mit Beginn des zweiten Lebensjahrs, auf welche im nächsten entweder ein stärkeres mit einer Rose versehenes Spieß- oder häufiger ein Gabelgehörn folgt, welches bereits an der Gabelungsstelle eine Abflachung zeigt. Manche Hirsche behalten diese Gabelform auch bei den spätern Geweihbildungen, andre zeigen noch eine Teilung an der Spitze, so daß ein G. von sechs Enden entsteht, welches mit zunehmendem Alter stärker wird. Diese Geweihe heißen Stangengehörne im Gegensatz zu den Schaufelgehörnen. Letztere bilden sich wieder in sehr verschiedener Weise, bald mit schmälern Schaufeln und längern, weniger zahlreichen Enden, bald mit breitern Schaufeln und kürzern Sprossen, aus, deren Zahl bei sehr starken Geweihen bis etwa zwölf an jeder Schaufel beträgt. Der Elchhirsch trägt seinen Kopfschmuck nicht nach oben, sondern seitwärts gerichtet, wie dies durch die fast rechtwinkelig gegen die Schädelfläche stehenden Rosenstöcke, in deren Verlängerung sich das G. bil-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 1 u. 2. Gabler.]

^[Abb.: Fig. 3. Sechsender.]

^[Abb.: Fig. 4. Achtender.]

^[Abb.: Fig. 5. Zehnender.]

^[Abb.: Fig. 6. Zwölfender.]

^[Abb.: Fig. 1-6. Entwickelung des Edelhirschgeweihs.]

^[Abb.: Fig. 7. Perückengehörn.]