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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gewerbegesetzgebung

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Gewerbegesetzgebung (die deutsche Gewerbeordnung von 1869).

zu fördern und zu wahren; die letztern betreffen im wesentlichen Gegenstände, welche mit der allgemeinen Gewerbeordnung noch nicht gleichzeitig erledigt werden konnten oder schon im Weg der Spezialgesetzgebung erledigt waren. Die abändernden Gesetze sind: das Gesetz vom 12. Juni 1872, betreffend die Abänderung einiger Strafbestimmungen der Gewerbeordnung; das Gesetz vom 2. März 1874, betreffend gewerbliche Anlagen; die Gesetze vom 7. und 8. April 1876, betreffend gewerbliche Hilfskassen (Titel 7 der Gewerbeordnung); das Gesetz vom 11. Juni 1878, betreffend den Gewerbebetrieb der Maschinisten auf Seedampfschiffen; die sogen. Gewerbeordnungsnovelle vom 17. Juli 1878, welche Titel 7 der Gewerbeordnung ersetzte, mit den auf Grund der im § 139 a ergangenen Verordnungen des Bundesrats (zwei vom 23. April 1879, vom 20. Mai 1879, vom 10. Juli 1881); das Gesetz vom 23. Juli 1879, betreffend die Unternehmer von privaten Heilanstalten, die Gast- und Schankwirtschaft und den Branntweinkleinhandel und das Pfandleihgewerbe; das Gesetz vom 15. Juli 1880, betreffend die Schauspielunternehmen; das sogen. Innungsgesetz vom 18. Juli 1881; das Gesetz vom 15. Juni 1883, betreffend Krankenversicherung der Arbeiter; das Gesetz vom 1. Juli 1883, betreffend insbesondere den Gewerbebetrieb im Umherziehen; das Gesetz vom 13. Mai 1884, betreffend die Anfertigung von Zündhölzern; das Gesetz vom 1. Juni 1884, betreffend die Abänderung des Gesetzes über eingeschriebene Hilfskassen vom 7. April 1876; das Gesetz vom 9. Juni 1884 gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen; das Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884; das Gesetz vom 16. Juli 1884, betreffend den Feingehalt der Gold- und Silberwaren; das Gesetz vom 8. Dez. 1884, betreffend die Ergänzung des § 100 e (Halten von Lehrlingen); das Gesetz vom 28. Jan. 1885, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter; das Gesetz vom 28. Mai 1885, betreffend die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung, sowie das Gesetz, betreffend die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen, vom 5. Mai 1886. Zu den die Gewerbeordnung ergänzenden Gesetzen sind zu rechnen: das Patentschutzgesetz vom 25. Mai 1877; das Musterschutzgesetz vom 11. Jan. 1876; das Markenschutzgesetz vom 30. Nov. 1874; das Gesetz vom 9. Jan. 1876, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste; das Photographienschutzgesetz vom 10. Jan. 1876; das Haftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871; das Gesetz vom 14. Mai 1879, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen; das Fischereigewerbegesetz vom 4. Dez. 1876; das Preßgewerbegesetz vom 7. Mai 1874; das Gesetz vom 4. Juli 1868, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften; das Spielbankengesetz vom 1. Juli 1868; das Bankgesetz vom 14. März 1875 etc.

Die allgemeinen Bestimmungen der Gewerbeordnung (Titel 1) stellen an die Spitze den Satz, daß der Betrieb eines Gewerbes jedermann gestattet ist, soweit nicht durch Reichsgesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind. Jeder Unterschied zwischen Stadt und Land in Bezug auf den Gewerbebetrieb und dessen Ausdehnung ist aufgehoben. Der gleichzeitige Betrieb verschiedener Gewerbe sowie desselben Gewerbes in mehreren Betriebs- oder Verkaufsstätten ist gestattet. Eine Beschränkung der Handwerker auf den Verkauf selbstgefertigter Waren findet nicht statt. Den Zünften, Innungen, kaufmännischen Korporationen steht ein Recht, andre von dem Betrieb eines Gewerbes auszuschließen, nicht zu. Alle ausschließlichen Gewerbeberechtigungen, Zwangs- oder Bannrechte, Realgewerbeberechtigungen sind aufgehoben und können nicht mehr begründet werden. Das Geschlecht, das Glaubensbekenntnis und die Staatsangehörigkeit begründen keinen Unterschied in der Gewerbeberechtigung. Der Gewerbebetrieb ist in keiner Gemeinde und in keinem Gewerbe von dem Besitz des Bürgerrechts abhängig, jedoch kann, wo dies in der betreffenden Gemeindeverfassung begründet ist, die Verpflichtung zum Erwerb desselben binnen drei Jahren ausgesprochen werden. Der Gewerbebetrieb bleibt jedoch allen in den Gesetzen begründeten oder auch örtlich geltenden Polizeivorschriften sowie den durch Zoll-, Steuer- und Postgesetze im fiskalischen Interesse ausgesprochenen Beschränkungen unterworfen.

Die deutsche G. unterscheidet zwischen stehendem Gewerbebetrieb und Gewerbebetrieb im Umherziehen. Bei stehendem Gewerbebetrieb ist 1) das Recht auf den selbständigen Betrieb im allgemeinen nur an die Verpflichtung der Anzeige des zu beginnenden Gewerbes bei der nach den Landesgesetzen zuständigen lokalen Behörde geknüpft. Eine solche Gewerbeanmeldung hat auch durch diejenigen zu erfolgen, welche zum Gewerbebetrieb im Umherziehen befugt sind. Die Behörde bescheinigt den Empfang der Anzeige durch Erteilung des Gewerbeanmeldescheins. (Feuerversicherungsagenten müssen außerdem der Behörde ihres Wohnortes Anzeige machen, und Buch- und Steindrucker, Buch- und Kunsthändler, Antiquare, Leihbibliothekare, Inhaber von Lesekabinetten, Verkäufer von Druckschriften, Zeitungen und Bildern müssen ihr Gewerbelokal angeben.) Ausnahmen bestehen für folgende Gewerbe: für Ärzte und Apotheker ist erforderlich Prüfung und Approbation, für Hebammen, Seeschiffer, Seesteuerleute, Maschinisten der Seedampfschiffe, Lotsen Prüfung, für den Betrieb des Hufbeschlaggewerbes kann durch die Landesgesetzgebung Prüfung vorgeschrieben werden; konzessionspflichtig sind die Herstellung und der Vertrieb von Sprengstoffen, Unternehmer von Privatkranken-, Privatentbindungs- und Privatirrenanstalten, Apotheken, Schauspielunternehmer, der Betrieb von Gastwirtschaft, Schankwirtschaft oder Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus, die gewerbsmäßige Veranstaltung von Singspielen, Gesangs- und deklamatorischen Vorträgen, Schaustellungen von Personen oder von theatralischen Vorstellungen, ohne daß ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet, das Pfandleihgewerbe und das gewerbsmäßige öffentliche Verbreiten von Druckschriften oder andern Schriften oder Bildwerken; außerdem können Landesgesetze den Handel mit Giften, das Lotsengewerbe und das Gewerbe der Markscheider konzessionspflichtig machen; in einer Reihe von Gewerben (darunter Erteilung von Tanz-, Turn- und Schwimmunterricht, Betrieb von Badeanstalten, Trödelhandel, gewerbsmäßige Besorgung fremder Angelegenheiten, Gesindevermieter, Stellenvermittler, Auktionatoren etc.) ist der Betrieb zu untersagen, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbtreibenden in Bezug auf seinen Gewerbebetrieb darthun. Handlungsreisende bedürfen einer Legitimationskarte. Das Gewerbe der Feldmesser, der Auktionatoren, derjenigen, welche den Feingehalt edler Metalle oder die Beschaffenheit, Menge oder richtige Verpackung von Waren irgend einer Art feststellen, darf zwar frei betrieben werden; jedoch sind die verfassungsmäßig dazu befugten