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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Giordano; Giorgio; Giorgione da Castelfranco

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Giordano - Giorgione da Castelfranco.

worden, 1808 als Sekretär der Akademie zu Bologna in eine seiner würdige Stellung gelangte. Nachdem er 1815 seines politischen Freimuts halber dieses Amtes entsetzt worden, lebte er abwechselnd an verschiedenen Orten und wollte sich endlich dauernd in Piacenza niederlassen, wurde indessen seiner freimütigen Reden wegen 1824 von dort verbannt und begab sich nach Florenz. Aber auch von hier wies man ihn 1832 aus, und obwohl der Befehl kurz nachher zurückgenommen wurde, wollte er von der Erlaubnis zur Rückkehr keinen Gebrauch machen, sondern ging nach Parma. Hier ward er jedoch verhaftet und mußte mehrere Monate im Gefängnis zubringen. Nach seiner Freilassung nicht weiter belästigt, blieb er in Parma wohnen, wo er 1. Sept. 1848 starb. Als Ästhetiker, Epistolograph, Panegyriker und politischer Pamphletist war G. in gleichem Grad ausgezeichnet. Seine Schriften sind zahlreich, aber von geringem Umfang: meist Abhandlungen über Kunst und Litteratur wie auch Lob- und Gedenkreden (darunter die berühmte Rede auf Napoleon, 1807). Sie gelten als klassisch, und es wird gerade von der neuesten italienischen Kritik auf die Vorzüge derselben wieder großes Gewicht gelegt. Unter den Erneuerern des reinen italienischen Stils steht G. obenan. Seine einzeln veröffentlichten Abhandlungen erschienen gesammelt unter dem Titel: "Opere" (Flor. 1851, 3 Bde.). Eine Ausgabe seiner sämtlichen Werke besorgte Gussalli (Mail. 1854-58, 14 Bde.); von großem Interesse für die politische und litterarische Zeitgeschichte ist die darin enthaltene Sammlung seiner Briefe: "Epistolario di P. G." (8 Bde.). Vgl. Romani, Della vita e delle opere di Pietro G. (Mantua 1868).

Giordano (spr. dschor-), Luca, genannt Fa Presto, ital. Maler, geb. 1632 zu Neapel, genoß den Unterricht Riberas, blieb aber daneben unter der Leitung seines Vaters, der aus der Geschicklichkeit Giordanos im Zeichnen möglichst großen Gewinn ziehen wollte. So zeichnete G. die Zimmer und die Loggien Raffaels im Vatikan 12mal, die Konstantinsschlacht wohl 20mal und nicht weniger häufig die Meisterwerke Michelangelos, Polidoros u. a. Seines Vaters beständiger Zuruf: "Luca, fa presto!" ("Luca, mach schnell!") soll diesem seinen Beinamen verschafft haben. Auf diese Weise erlangte G. zwar eine große Fertigkeit, legte aber auch den Grund zu seiner Oberflächlichkeit. Wahrscheinlich der väterlichen Zucht müde, ging er nach Rom, wo er der Schüler und Freund Pietros da Cortona wurde, und besuchte sodann die bedeutendsten Städte Italiens. Sein Talent, jeden Stil nachzuahmen, erwarb ihm den Beinamen des "Proteus der Maler". An Erfindung war er außerordentlich reich, auch mit der Perspektive gründlich vertraut und bei freier, fester Pinselführung namentlich im sanften, harmonischen Kolorit ausgezeichnet. Dagegen lassen seine Werke Tiefe der Charakteristik vermissen, er bewegt sich meist innerhalb weniger Charaktertypen. Seine leichte Hand und die massenhaften Aufträge, die er erhielt, um die Paläste der italienischen Großen rasch mit Fresken und Ölbildern zu schmücken, verführten ihn oft zu großer Nachlässigkeit und zuletzt zu einer widerwärtigen Manier. Unter seinen Freskogemälden gibt man jenen im Tesoro der Kartause, aus seinem reifern Alter, den Vorzug. Ein großes Altarblatt bei den Jesuiten zu Neapel (Franciscus Xaverius, die Japaner taufend) soll er binnen 1½ Tagen vollendet haben. In Florenz malte er die Kuppel der Kapelle Corsini und später die Galerie Riccardi aus. Im J. 1690 erhielt er einen Ruf nach Spanien, wo er 13 Jahre lebte und von Karl II. zum Ritter ernannt wurde. Zu seinen ausgezeichnetsten Arbeiten gehören die in der Kirche San Lorenzo del Escorial. Nach Karls II. Tod kehrte er ins Vaterland zurück und starb 12. Jan. 1705 in Neapel. G. hat zahllose Gemälde geliefert. Seine frühern Bilder sind in Riberas, seine spätern (die große Mehrzahl) in Cortonas Manier. Als die besten heben wir hervor: Seneca sich die Adern öffnend, das Urteil des Paris (im Berliner Museum), die Verstoßung der Hagar, Lucretia, David mit dem Haupte des Goliath, Rahel und Jakob am Brunnen, der Raub der Sabinerinnen, Herkules und Omphale, Susanna im Bade, die büßende Magdalena, Lot mit seinen Töchtern (in der Dresdener Galerie), eine Allegorie auf den Frieden u. a. (im Museum zu Madrid), der bethlehemitische Kindermord, Christus am Kreuz, Christus die Viertausend speisend, Christus und die Samariterin am Brunnen (in der Pinakothek zu München), eine Pietà, der heil. Xaver Wilde taufend (im Museum zu Neapel), Christi Darstellung im Tempel, Venus und Mars von den Grazien und Liebesgöttern bedient (Paris, Louvre), eine Kreuzabnahme, die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies, die Entführung der Europa (in der Eremitage zu Petersburg), der Erzengel Michael die hoffärtigen Engel stürzend, Marias Vermählung mit Joseph, die Geburt Christi u. a. (Wien, Belvedere).

Giorgio (spr. dschórdscho), 1) Francesco di, ital. Architekt, Bildhauer und Maler, geb. 14. Nov. 1439 zu Siena, bildete sich in der Malerei bei Vecchietta aus, war anfangs in Orvieto und seit 1463 in Siena thätig, wo er mit untergeordneten dekorativen und konstruktiven Arbeiten, namentlich in Festungsbauten, beschäftigt war. Im J. 1490 erhielt er den Auftrag, das Modell für die Kuppel zum Mailänder Dom anzufertigen, welches auch 1493 von Giovanni Antonio da Gessato ausgeführt wurde. Bei der Belagerung von Neapel im J. 1495 soll er die Erfindung der Minen gemacht haben. Seine Bedeutung liegt in seiner außerordentlichen Vielseitigkeit, welche ihn in die erste Reihe der Renaissancekünstler erhebt, wenn er auch keine hervorragende Schöpfung hinterlassen hat. Er starb 1502 in Siena. Seinen "Trattato di architettura civile e militare" hat Cesare Saluzzo (Turin, 1841) in einer Bearbeitung herausgegeben.

2) Eigentlich G. Andreoli, gewöhnlich aber Maestro G. genannt, ital. Bildhauer und Majolikamaler, kam 1485 aus Pavia nach Gubbio und führte daselbst Terrakottearbeiten im Stil der della Robbia aus. Vorzugsweise machte er sich aber durch seine in der dortigen Fabrik ausgeführten Majolikamalereien in Gelb und Rubinrot mit Metallglanz berühmt. Die von ihm dekorierten Schalen, Teller und Kannen werden wegen dieses Metalllüsters sehr geschätzt und von den Sammlern hoch bezahlt. Von seinen Terrakottealtären sind zwei in San Domenico zu Gubbio (1511) sowie ein dreiteiliger aus derselben Kirche (jetzt im Städelschen Institut zu Frankfurt a. M.) zu nennen. Seine Schalen und Schüsseln, an denen das Kensington- und das Britische Museum zu London, das Louvre zu Paris und das Berliner Kunstgewerbemuseum besonders reich sind, dekorierte er mit mythologischen, historischen und allegorischen Darstellungen, mit Wappen, Brustbildern und Grotesken. S. Tafel "Keramik", Fig. 6.

Giorgione da Castelfranco (spr. dschordschone), ital. Maler (eigentlich Giorgio Barbarella), geb. 1478 in oder bei Castelfranco, bildete sich zu Venedig bei Giovanni Bellini, war dann um 1500 wieder in Castelfranco für den Condottiere Costanzo als