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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Glasmalerei

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Glasmalerei (im 15. und 16. Jahrhundert).

die Kathedralen St.-Maurice zu Angers, St.-Père in Chartres, Ste.-Radégonde zu Poitiers, das romanische Schiff der Kathedrale von Le Mans u. a. Noch glänzender und zahlreicher sind die französischen Glasmalereien des 13. Jahrh. Die Kathedrale von Chartres weist 146 noch wohlerhaltene Fenster auf (s. Tafel, Fig. 8), die von Bourges 183 und zwar von den schönsten, glühendsten Farben (s. Tafel, Fig. 14-16); daran schließen sich die Chorfenster der Kathedralen von Le Mans und Amiens, die obern Fenster der Kathedrale von Reims und einzelne prachtvolle Fenster oder Teile von solchen in den Chören der Kathedralen von Troyes, Tours, Rouen, Châlons sur Marne, Soissons, Clermont in der Auvergne und in der Ste.-Chapelle zu Paris. Auch in England kommen vereinzelte Reste von Glasmalereien schon aus dem 12. Jahrh. vor, so einige Fenster in der Kathedrale von Canterbury. Aus dem 13. Jahrh. haben sich in den Kathedralen von Lincoln und York noch schöne Reste erhalten, aus dem 14. Jahrh. in Temple Church zu London (s. Tafel, Fig. 12 u. 13). In Belgien tritt uns die G. erst im 14. Jahrh. entgegen. Nach Italien kam die Technik im Gefolge des gotischen Stils. Zu nennen sind die Glasmalereien in San Francesco zu Assisi (13. Jahrh.) und im Dom von Orvieto (14. Jahrh.). Zu den ältesten in Deutschland gehören die noch sehr primitiven Figuren im Dom zu Augsburg, ungefähr gegen 1200 entstanden (s. Tafel, Fig. 1); daran reihen sich die etwas jüngern in der Chornische des Patroklusmünsters zu Soest und das Fenster mit dem Stammbaum Christi in der kleinern Kirche zu Legden im Münsterland, ferner die Chornischenfenster von St. Kunibert in Köln nebst ihrer teilweisen Reproduktion in der Kirche zu Heimersheim an der Ahr, die Fenster in der Marienbergkirche zu Helmstedt und die rundbogigen Fenster der Kirche zu Neuweiler im Elsaß. In die zweite Hälfte des 13. Jahrh. setzt man die grau in grau gemalten Fenster der Klosterkirche zu Altenberg, die Malereien aus der Kirche zu Wimpfen im Thal, jetzt im Darmstädter Museum, die nördlichen Seitenschifffenster des Straßburger Münsters und eine Reihe von Resten in der Elisabethkirche zu Marburg, im Dom zu Halberstadt, im Dom von Lausanne und in der Klosterkirche zu Wettingen bei Baden in der Schweiz, im Kloster Heilsbronn, in den Klöstern Heiligenkreuz und Klosterneuburg in Österreich etc. Mit den französischen Glasmalereien können sich diese Werke weder an Glanz noch an Umfang messen. Die Ursache davon ist in dem noch vorherrschenden Geiste der romanischen Stilweise zu suchen, mit welcher sich die G. weniger als mit der gotischen vertrug. Als letztere im Lauf des 14. Jahrh. in Deutschland ihre volle Blüte erreichte, fand die G. auch hier eine eifrigere Pflege. Wir nennen nur die prachtvollen Fenster des Kölner Doms (s. Tafel, Fig. 2 u. 3), der Katharinenkirche zu Oppenheim, des Doms zu Regensburg, der Stadtkirche zu Rothenburg a. T. sowie der Münster von Freiburg und Straßburg, ferner die sehr bedeutenden Glasmalereien in der Kirche zu Freiburg im Üchtland, in der Kirche zu Kappel und in der zu Oberkirch sowie der im Kloster Königsfelden in der Schweiz.

Die Glasmalerei im 15. und 16. Jahrhundert.

Die zweite Periode der G., mit dem 15. Jahrh. beginnend, ist die ihrer Blüte. Kirchen, Paläste, Rat-, Zunft-, Gesellen-, Wirts- und Privathäuser wurden von ihr mit Wappen, Emblemen, Zieraten, biblischen und geschichtlichen Darstellungen geschmückt, und in Deutschland, in den Niederlanden, in Frankreich, England, Italien und Spanien liefern die Kirchen, in der Schweiz selbst noch die Privathäuser, wie die Zunftstuben der Schneider, Schuhmacher, Schmiede und Rebleute in Chur etc., unzählige Belege dazu. Die allgemeine Aufnahme der G. steht mit der Herrschaft des gotischen Baustils im Zusammenhang, da letzterer schon wegen seiner hohen Fenster eines solchen Mittels zur Dämpfung des im Übermaß einströmenden Lichts bedurfte. Es gelang, Glasmalerfarben von mannigfachen Tönen und Abstufungen hervorzubringen und so eine mehr malerische Behandlung der G. zu erzielen. Auch bei diesen waren Metalloxyde die färbenden Substanzen. Hinsichtlich ihres künstlerischen Charakters ist zu bemerken, daß die G. dem Bildungsgang der Malerei im allgemeinen folgte; das dekorative Element war nicht mehr das überwiegende; die Gestalten wurden größer, an die Stelle der einzelnen, statuarisch nebeneinander gestellten Figuren traten ganze Gruppen, Nachbildungen wirklicher Gemälde. Dabei ist freilich nicht zu übersehen, daß die Eigentümlichkeit der technischen Mittel manche Abweichung von dem herrschenden Charakter der Malerei überhaupt, manches Zurückbleiben hinter ihrem mächtigen Aufschwung veranlassen mußte. Viele Glasmaler verließen ebendarum die G., um sich der Ölmalerei zuzuwenden, welche dem freien Aufschwung ihres Geistes in der besondern Schwierigkeit des Materials kein lähmendes Gegengewicht setzte. So kam es, daß die G. oft nur in den Händen von Anfängern oder Stümpern blieb, die lediglich fremde Kartons kopierten. Dieser handwerksmäßige Betrieb hatte übrigens auch seine Vorteile. In der G. nämlich macht nur der Umfang und die Wichtigkeit der technischen Erfahrungen den Meister; der Kopist aber, dessen ganzes Thun in fortgesetzter Ausübung der mechanischen Hälfte bestand, brauchte keine Zeit an die Erfindung von Entwürfen zu verlieren. War er glücklich in der Wahl der Kartons, so kam durch diese Vereinigung technischer und künstlerischer Elemente gewiß etwas Trefflicheres zu stande, als wenn der Einzelne alles aus sich selbst schöpfte. Diese Teilung der Arbeit macht es auch erklärlich, wie in so kurzer Zeit so großartige Cyklen von Glasmalereien zu stande kommen konnten, wozu freilich auch der Reichtum der Klöster und Kirchen und der noch immer zu frommen Schenkungen geneigte Geist der Zeit mit förderlich war. Die hervorragendsten sind: in Deutschland die Fenster in der Lorenzkirche zu Nürnberg, besonders das berühmte Volkamersche Fenster mit dem Stammbaum der Maria, vom Jahr 1493, dann in der St. Sebalduskirche daselbst das bischöflich bambergische (1493-95) und das Markgrafenfenster (von Veit Hirschvogel 1515 gemalt), ferner die fünf großen Glasgemälde im nördlichen Seitenschiff des Doms zu Köln (1508-1509) und zahlreiche Fenster in andern Kirchen der Stadt, endlich in Trier, Braunschweig, Metz, Ulm, Freiburg i. Br., Straubing, Bern, Heiligenblut bei Weiten, Meran u. a. O. In den Niederlanden erfreuen sich namentlich die Glasmalereien der großen Kirche von Gouda eines bedeutenden Rufs, 44 an der Zahl (begonnen 1555); doch herrscht in ihnen bereits der Manierismus eines Martin Heemskerk u. a. zu sehr vor, wenn sie auch sonst, was Dauerhaftigkeit und Harmonie der Farben betrifft, mit Recht als Meisterwerke der G. gerühmt werden; die Brüder Walther und Theodor Crabeth werden als ihre Verfertiger genannt. Die Glasgemälde Abraham van Diepenbeecks, eines Schülers von Rubens, in einer Kapelle der Gudulakirche zu Brüssel verraten