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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Glucke; Glücksburg; Glückseligkeit; Glückshand; Glückshaube; Glücksrad; Glücksspiele

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Glucke - Glücksspiele.

der Spinner (Bombycidae), mit bei beiden Geschlechtern kammförmigen Fühlern, rüsselförmig hervorstehenden Tastern, langen und stumpfen, dreieckigen Vorderflügeln, kurzen, gerundeten Hinterflügeln, von denen in der Ruhe ein Streifen über den Vorderrand der Vorderflügel hervortritt, so daß sich die Flügel etwas ausbreiten, wie die einer Gluckhenne. Die Raupen sind filzig behaart, mit lebhaft gefärbtem Halsband. Die Kupferglucke (G. quercifolia L.), 5-8 cm breit, rostfarben, auf den Flügeln kupferig schimmernd, außerhalb bläulich bereift, auf den Vorderflügeln mit schwärzlichen Zackenlinien, gleicht in der Ruhe einem vertrockneten Eichenblatt. Die Raupe ist grau oder braun mit dunkelblauen Spiegeln, lebt auf Obstbäumen, überwintert, verpuppt sich zwischen Rindenritzen oder an Planken in einem graubraunen, lockern Gespinst und wird bisweilen schädlich. Zu derselben Gattung gehören der Kieferspinner und der Ringelspinner.

Glucke, s. v. w. Bruthenne; daher glucken (verstärkt glucksen), vom Ruf der Bruthenne. G. mit den Küchlein, Sternbild, s. v. w. Plejaden.

Glücksburg, Flecken in der preuß. Provinz Schleswig-Holstein, Kreis Flensburg, in schöner Lage an der Flensburger Föhrde, hat eine evang. Pfarrkirche, eine Oberförsterei, ein Seebad (1885: 1317 Kurgäste) und (1885) 996 Einw. Das schön gelegene Schloß G., an Stelle eines um 1210 errichteten Benediktinerklosters erbaut, war 1622-1779 Residenz der Herzogslinie Holstein-Sonderburg-G., kam nach dem Erlöschen derselben an Dänemark (König Friedrich VII. starb hier 15. Nov. 1863) und nach der Annexion Schleswig-Holsteins 1866 an die Krone Preußen, die 1870 mit demselben den Herzog Karl zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-G. belehnte. Nach dem Tode desselben, 24. Okt. 1878, wird es von seiner Witwe Wilhelmine, Prinzessin von Dänemark, bewohnt.

Glückseligkeit (griech. Eudämonie), der Zustand des sinnlich-vernünftigen Wesens, in welchem es nicht nur seine Bedürfnisse, sondern auch seine Wünsche befriedigt sieht, oder (nach Kant) in welchem ihm im Ganzen seiner Existenz alles nach Wunsch und Willen geht. Da die Zustände des einzelnen Menschen nicht in seiner Macht allein liegen, so wird eine völlige G. stets etwas Ideales bleiben. Wenn dagegen nach Kant die G. darauf beruht, daß das, was dem vernünftigen Wesen widerfährt, mit dem Zweck seines Daseins und mit den wesentlichen Bestimmungsgründen seines Begehrens und Wollens übereinstimmt, so ist damit die G. insofern dem Bereich der Wirklichkeit näher gerückt, als sie dieser Auffassung zufolge mit dem sittlichen Handeln in enge Beziehung gesetzt werden muß. Über die G. als Antrieb zum moralischen Handeln s. Eudämonismus.

Glückshand, Pflanze, s. Gymnadenia.

Glückshaube (Wehmutterhäublein), die Reste der Eihäute auf dem Kopf der Neugebornen, welche nach alter, schon in römischen Zeiten verbreiteter Sage nicht nur dem damit bekleidet zur Welt kommenden Kind Glück bringen sollten, sondern bis ins Mittelalter von den Hebammen an Advokaten und Geschäftsleute als glückbringender Fetisch verkauft wurden. Vgl. Ploß, Die G. und der Nabelschnurrest im Volksglauben ("Zeitschrift für Ethnologie" 1872).

Glücksrad, in der Kunst des Mittelalters die Darstellung eines Rades, an dessen Speichen sich Figuren festhalten, die je nach der Drehung des Rades bald oben, bald unten schweben. Es soll dadurch der Wechsel des Glückes sowie aller menschlichen Dinge symbolisiert werden. Die Figuren sind meist weltliche und geistliche Fürsten; auch die sechs Lebensalter oder Narren mit Eselsköpfen finden sich öfters angebracht. Darstellungen des Glücksrades kommen vom 12. bis 16. Jahrh. häufig in Bilderhandschriften, auf Glasfenstern, fliegenden Blättern und in Holzschnittbüchern vor. In Kirchenbauten wurde dasselbe oft als Einfassung der Radfenster über den Portalen angebracht, z. B. in San Zeno zu Verona, in dem Münster zu Basel u. a. Vgl. Wackernagel, Das G. und die Kugel des Glücks (in "Kleine Schriften", Bd. 1, S. 241). Heute nennt man G. ein Rad, welches bei Verlosungen, Lotterien etc. gebraucht wird, und aus welchem beim Umdrehen die Nummern der Gewinne herausfallen oder herausgezogen werden.

Glücksspiele (Hasardspiele), alle diejenigen Spiele mit Karten, Würfeln, Kugeln, Losen, Nummern etc., bei welchen (nach einer neuern Entscheidung des Reichsgerichts) Gewinn oder Verlust allein oder hauptsächlich vom Zufall abhängen und nicht die größere oder geringere Geschicklichkeit des Spielenden den Ausschlag gibt. Sie werden meist des Gewinnes wegen, selten mit niedrigen Einsätzen zur Unterhaltung gespielt. Ihre Zahl ist sehr groß. Man kann sie in Privat- und öffentliche G. einteilen. Zu jenen sind alle diejenigen G. zu rechnen, welche meist nur in Privatzirkeln oder, wenn an öffentlichen Orten, gegen das obrigkeitliche Verbot gespielt werden, als: Vingt-un, Onze et demi, Landsknecht, Pharo, Lotto, Rouge et noir, Trente et quarante, Tempeln, "Meine, deine Tante", "Kümmelblättchen", die verschiedenen Arten der Würfelspiele etc. Zu diesen dagegen gehören die vom Staat sanktionierten, entweder von ihm selbst veranstalteten oder gegen Pacht Privatunternehmern überlassenen G., als: das genuesische oder Zahlenlotto, die Klassenlotterie, die Lotterieanleihen (s. Lotterie), das Promessenspiel und die Roulette. Die G., namentlich die erstern sowie die Roulette, haben noch das Charakteristische, daß für die eine Partei (den Bankhalter) mehr Wahrscheinlichkeit des Gewinnens vorhanden ist als für die andre, was sich für die einzelnen G. durch Zahlen nachweisen läßt. Die höhere oder geringere Wahrscheinlichkeit läßt sich vermöge der Wahrscheinlichkeitsrechnung mathematisch bestimmen, und es ist dieselbe bei manchen dieser Spiele (z. B. der Roulette) ganz unmäßig groß auf seiten des sogen. Bankiers und unverhältnismäßig klein auf seiten der Spielenden. Auch hat der Bankhalter den Vorteil, daß er nicht so sehr wie sein Gegenpart (der Pointeur) den Einwirkungen der Leidenschaften ausgesetzt ist, abgesehen davon, daß viele unergründliche Betrügereien ausgeübt werden können und ausgeübt werden, durch welche der Pointeur, selbst der spielkundige, von den professionierten Spielern übervorteilt wird. Die Höhe des Spiels ist im ganzen gleichgültig, obgleich es sich bei den Glücksspielen meist um größere Summen handelt als bei andern Spielen. Der verderbliche Einfluß, den alle Arten von Glücksspielen nicht nur auf den Vermögensstand, sondern auch auf die Sittlichkeit ausüben, ist längst allgemein anerkannt. Schon nach römischem Rechte durften Spielschulden nicht eingeklagt werden; auch konnte das Verlorne vor Gericht zurückgefordert werden, und das Haus, in welchem Glücksspieler auf der That betroffen wurden, unterlag der Konfiskation. Nach dem ältern deutschen Recht galten Spielgeschäfte als erlaubte Geschäfte, und es konnte das Verlorne nicht allein nicht zurückgefordert, sondern auch von dem Gewinnenden eingeklagt werden. Indessen drang schon im 14. Jahrh., mehr aber noch im 16. und 17. Jahrh.