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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Goldschmiedekunst

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Goldschmiedekunst (Prähistorisches).

als in den andern deutschen Hauptsitzen der G. Man bevorzugt hier mehr die üppigern und reichern Formen der Spätrenaissance und hat auch schon neuerdings wieder Anschluß an den Barock- und Rokokostil genommen. Die rheinischen Goldschmiede haben sich noch meist von der Renaissancebewegung fern gehalten, namentlich diejenigen, welche für Kirchen arbeiten. Die Stärke der rheinischen Goldschmiede liegt in der treuen Nachbildung der alten romanischen und gotischen Arbeiten ihres Landes, deren verschiedenartige Techniken sie in vollendeter Weise nachzuahmen wissen. Auch in Österreich ist der Anschluß an die Formen der Renaissance ein vollständiger, und das Streben nach farbiger Wirkung greift nicht bloß in kleinern Schmuckgegenständen, sondern auch an größern Schaustücken und montierten Glas- und Kristallgefäßen immer mehr um sich. Die Erzeugnisse der österreichischen G. werden durch die stilvollen Entwürfe von Künstlern besonders geadelt. Mit solchen Arbeiten vermögen diejenigen der französischen G. hinsichtlich der Reinheit der Komposition nicht zu konkurrieren. Während sich die französische G. im übrigen nach wie vor auf dem Boden des Geschmacks des 17.-18. Jahrh. (Stil Ludwig XIV und XV) bewegt und daneben nur noch der Antike einen Raum von ziemlich gleicher Größe gewährt, während sie der Farblosigkeit des Silbers huldigt und höchstens spärliche Vergoldungen und translucides Email auf Goldgrund zuläßt, geht sie bei der Montierung von Gefäßen aus Glas, Kristall, Lapislazuli u. dgl. von diesem Prinzip ab und sucht nicht nur die Goldfassung durch Emaillierung und Einfügung von Perlen und farbigen Edelsteinen, sondern auch den Glas- und Kristallkörper selbst zu beleben, indem eingravierte Ornamente mit Goldfäden und Email ausgefüllt werden, ähnlich wie es die Japaner bei ihren Bronzearbeiten thun. Diese selbst mit ihren Gold- und Silbereinlagen und ihrem transluciden Email sind sowohl in Frankreich als in Nordamerika nachgeahmt worden, ohne daß jedoch dort wie hier die unnachahmliche Grazie, die Zartheit und der feine Natursinn der Japaner erreicht worden sind. Die G. von Nordamerika gründet sich ausschließlich auf die virtuose Nachahmung asiatischer und europäischer Formen und Techniken.

Auch in England, wo der wilde Naturalismus sich im Lauf der Zeit etwas gemäßigt hat, lebt die G. ausschließlich von der Nachahmung antiker, byzantinischer, chinesischer, japanischer und italienischer Muster (Elkington). Es ist die Folge des Einflusses der in England angehäuften Kunstschätze aus fremden Ländern, welche den Nachahmungstrieb reizen und dadurch der Bildung eines nationalen Stils hinderlich sind. Die G. Italiens beschränkt sich ausschließlich auf die massenhafte Fabrikation von Schmucksachen, welche in alle Welt exportiert werden und fast durchweg, namentlich in den zierlichen Filigranarbeiten, an nationale Überlieferungen anknüpfen. Es werden entweder antike Motive benutzt, oder der Schmuck, welcher sich unter dem Landvolk seit alter Zeit in ursprünglicher Form erhalten hat, wird kopiert. Durch A. Castellani in Rom ist die Nachahmung antiker Muster in ein festes System gebracht worden. Griechische, etruskische und römische Originale werden mit peinlicher Treue nachgebildet, wobei die hoch entwickelte Technik der italienischen Arbeiter, die sich in ununterbrochener Tradition lebendig erhalten hat, die besten Dienste leistet. Das Filigran spielt hier eine hervorragende Rolle. Daneben werden zur Belebung des Goldes Kameen und Email reichlich verwertet. Der Hauptvorteil, welcher aus diesen Nachahmungen zunächst erwächst, ist der, daß der Geschmacksverwilderung ein Ziel gesetzt worden ist und die Technik ungemein große Fortschritte gemacht hat, welche sie zur Lösung auch der schwierigsten Aufgaben befähigen. Zu den Ländern, in welchen ebenfalls die Filigranarbeit auf Grund volkstümlicher Tradition gepflegt wird, zu Italien, Norwegen und Portugal, hat sich jetzt auch Dänemark gesellt, dessen bedeutendster Goldschmied, Christesen in Kopenhagen, teils die aus den altnordischen Gräberfunden gewonnenen Motive auf Schmucksachen in Silberfiligran überträgt, teils die alten Originale, Fibeln, Spangen, Armbänder, direkt nachahmt. In Rußland steht die G. zum Teil noch unter byzantinischer Herrschaft, zum Teil schließt sie sich an den nationalen Holzbaustil an, dessen Ornamentik und Tektonik ohne Skrupel, erstere mit Hilfe von Email, in Silber und Gold imitiert werden. Daneben zeigen sich aber auch französische Einflüsse und endlich ein ungezügelter Naturalismus.

[Prähistorisches.] Aus prähistorischer Zeit erscheinen Goldschmuck und Waffen aus Gold im nördlichen Europa schon im Beginn der Metallzeit neben der Bronze und verhältnismäßig in Objekten von nicht unbedeutendem Metallwert. Man findet Bronzeschwertgriffe und große Bronzefibeln damit verziert, lange Armspiralen aus dünnem Draht, aber auch Armringe, Halsringe und Diademe sowie größere Gefäße, ja selbst Äxte und Beile (Celte) aus massivem Gold. In der sogen. La Tène-Periode treten namentlich in Mitteleuropa keltische Goldmünzen, die sogen. Regenbogenschüsseln (s. d.), und Imitationen klassischer Münzen auf. In der römischen Periode sind, außer Münzfunden die Goldfunde verhältnismäßig spärlich; desto massenhafter aber werden sie in der spätrömischen Zeit, in der Zeit der Völkerwanderung und der darauf folgenden Zeit, und hier zeichnen sich namentlich die untern Donauländer durch die außerordentliche Reichhaltigkeit der Funde zum Teil an schweren Gefäßen mit gotischen und Runeninschriften aus. Nicht minder reich sind die Funde, welche man in Skandinavien gemacht hat, aus der Zeit vom 5. bis 10. Jahrh. n. Chr. herstammend, bestehend in sogen. Goldbrakteaten (Schmuckmedaillons, aus imitierten Kaisermünzen und selbständig geprägten Stücken hergestellt), byzantinischen Münzen und Einzelschmuckstücken, Kolliers, Halsringen, Sporen von kolossalem Gewicht. Nicht so massenhaft, aber dennoch reich war der Schmuck, den uns die Ausbeute der Gräber merowingischer Zeit geliefert hat. Schwertgriffe, Zierplatten, Fibeln, Ohrringe, Gürtelschnallen, meist mit Halbedelsteinen, Granaten und Amethysten inkrustiert, waren hier beliebt.

Vgl. Theophilus, Diversarum artium schedula (deutsch von Ilg, Wien 1874); Cellini, Abhandlungen über die G. und die Skulptur (deutsch von Brinckmann, Leipz. 1867); Th. Germain, Éléments d'orfèvrerie (Par. 1748); Labarte, Histoire des arts industriels au moyen-âge et à l'époque de la renaissance (2. Aufl., das. 1872-75, 3 Bde.); Barbet de Jouy, Les gemmes et les joyaux de la couronne au Musée du Louvre (das. 1865); Lasteyrie, Histoire de l'orfèvrerie (2. Aufl., das. 1877); Castellani, Dell' oreficeria antica (Flor. 1862); Derselbe, Dell' oreficeria italiana (Rom 1872); Davillier, Recherches sur l'orfèvrerie en Espagne (Par. 1879); Kulmer, Die Kunst des Goldarbeiters (Weimar 1872); Luthmer, Goldschmuck der Renaissance (Berl. 1880); Derselbe, Der Schatz des Frei-^[folgende Seite]