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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Golfstrom

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Golfstrom.

inseln weiter geflossen ist. Der vereinigte Strom setzt nach N. auf die Engen von Bemini zu. Der flachste Querschnitt, der Riegel von Bemini, ist 630 m tief, und der Querschnitt wird auf 11 QSeemeilen angegeben. Die Geschwindigkeit schwankt hier zwischen ½ und 5 Knoten. Die Annahme einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 48 Seemeilen pro Tag, welche aus englischen Zusammenstellungen herrührt, scheint zu gering und nur auf die ersten Monate des Jahrs passend. Die neuesten offiziellen Seekarten der Amerikaner geben die Geschwindigkeit in der Mitte der Enge zu 4,8 Seemeilen für die Stunde an. Von hier bis zur Breite von Charleston behält der Strom seine Richtung und Geschwindigkeit nahezu bei. Er fließt auf einer breiten, ebenen Schwelle von 700 m Tiefe und scheint überall bis zum Grund zu reichen. Dabei nimmt die Temperatur von der Oberfläche nach der Tiefe rasch ab, aber nirgends rascher als in dem Strom weiter südlich in der Nähe der Kleinen Antillen oder in der Windward Passage. Man kann daher nicht aus der niedrigen Temperatur am Boden auf einen kalten entgegengesetzten Unterstrom schließen. Die Geschwindigkeit am Boden kann selbstverständlich wegen der Reibung nur eine sehr geringe sein. Der harte Untergrund aber, welcher frei von den feinen Sinkstoffen des stillen Wassers ist, deutet auf bewegtes Wasser in den tiefsten Schichten. Die geringe Breite von nur 40 Seemeilen behält der G. bis zum Kap Cañaveral bei; bei Charleston (32° nördl. Br.) ist er schon 70, bei Kap Lookout schon 100 und dem Kap Hatteras gegenüber (35° nördl. Br.) schon 120 Seemeilen breit, hat also in einer Entfernung von 630 Seemeilen von seiner engsten Stelle bei Kap Florida um das Dreifache an Breite zugenommen; seine Richtung ist hier schon mehr nordöstlich geworden und bleibt so bis zum 38. Parallelkreis infolge des Einflusses der Umdrehung der Erde auf die Gewässer und des Verlaufs der amerikanischen Küste, er fließt hier in ziemlich beträchtlicher Entfernung von derselben. Die innere, dem Land zugekehrte Seite des Golfstroms erreicht noch nördlich von Kap Hatteras infolge der Pressung gegen den zwischen ihm und dem Land vorhandenen kalten arktischen Strom (s. unten) eine Geschwindigkeit von 3-4 Seemeilen pro Stunde, aber auch nur die innere Seite; denn nach den amerikanischen Vermessungen ist in diesem Teil des Golfstroms die Geschwindigkeit an seinem äußern, dem Atlantischen Ozean zugewendeten Rand nicht größer als 10 oder 20 Seemeilen pro Tag oder fünf- bis siebenmal kleiner als an dem innern Rand. Südlich von den Nantucketbänken, New York und Kap Cod gegenüber, also nördlich vom 40. Parallelkreis, biegt der G. allmählich gegen O. um; er ist hier 300 Seemeilen breit (siebenmal breiter als in den Engen). Seine Geschwindigkeit ist hier auch nur 36 Seemeilen pro Tag (1½ Seemeile pro Stunde), und diese wird, je weiter der G. nach O. fortschreitet, immer geringer; sie beträgt unter dem 60. Meridian (westl. v. Gr.) nur noch 27 Seemeilen pro Tag. Der G. erstreckt sich von den Nantucketbänken aus noch 1250 Seemeilen weit in den Atlantischen Ozean hinein, streift die Südkante der großen Neufundlandbank und läuft nördlich vom 40. Parallelkreis mit stets verminderter Geschwindigkeit bis zum 40. Meridian, während seine Südkante bis zum 38. Parallelkreis und 45. Meridian reicht. Nordöstlich vom 40. Meridian hört der eigentliche G. als solcher auf; indessen wird der weitere Verlauf der von da nach NO. fließenden Strömung auch jetzt noch in den meisten Büchern und Karten als Golfstromtrift bezeichnet.

Zwischen dem 43. und 47. Parallelkreis, in der Nähe der Neufundlandbank, begegnen der letzte Teil des eigentlichen Golfstroms an seiner nördlichen Kante und an der Oberfläche dem kalten Polarstrom, dessen Ursprung im Nördlichen Eismeer zu suchen ist. Die Grenzlinie zwischen diesen beiden großen ozeanischen Strömungen ist nicht so gleichbleibend wie in dem Teil vor den Engen bis zu den Nantucketbänken, sondern verschiebt sich mit den Jahreszeiten. Im Winter, von September bis März, drängt der kalte Polarstrom den warmen G. nach S. zurück, im Sommer dagegen, von März bis September, gewinnt der G. das Übergewicht und rückt weiter nach N. vor; der G. schwankt hier, wie Maury sagt, wie ein Wimpel im Wind hin und her. Die Neufundlandbänke verdanken dem Begegnen dieser beiden Ströme ihre Existenz. Bei dem Eintritt in die warmen Gewässer des Golfstroms schmelzen die von N. hergeführten Eisberge allmählich und lassen die Gesteinstrümmer, welche sie tragen, in das Meer sinken.

Von großem Interesse sind die Temperaturmessungen, welche im G. und an seinen Grenzen angestellt worden sind. Sie haben zunächst auch die Existenz einer nur durch Temperaturerniedrigung, aber durch keine meßbare Bewegung an der Oberfläche erkennbaren Fortsetzung der kalten arktischen Strömung an der Oberfläche des Meers zwischen den Seeküsten der Vereinigten Staaten und dem G. nachgewiesen. Dieses relativ kalte Wasser ist deshalb der "kalte Wall" genannt worden; in ihm nimmt die Temperatur schon in sehr geringen Tiefen unter der an der Oberfläche erwärmten Wasserschicht sehr schnell ab. So beträgt bei Sandy Hook die Temperatur des Oberflächenwassers nahe an der Küste im Sommer 21,1° C. (70° F.), in einer Entfernung von 150 Seemeilen schon 23,9° (75° F.), von 275 Seemeilen 26,7° (80° F.) und erreicht in dem wärmsten Teil oder der Achse des Golfstroms die Höhe von 28,3° (83° F.). Aber schon in einer Tiefe von 20 Faden (37 m) fällt innerhalb dieses "kalten Walles" die Temperatur zu 15,6° (60° F.), bei 100 Faden (183 m) zu 8,3° (47° F.), bei 200 Faden zu 6,1° (43° F.), bei 300 Faden zu 3,9°-5,6° C. und bei 400 Faden zu 2,8°-4,4° C. Sobald man dagegen diesen "kalten Wall" überschreitet, findet man in den entsprechenden Tiefen von 20, 100-400 Faden die höhern Temperaturen von resp. 25°, 19,4°, 16,7°, 15,0°, 12,8° C., also stets um 10° und darüber höher als in den gleichen Tiefen des "kalten Walles". Die Breite dieses letztern nimmt ab, je weiter südwärts er sich erstreckt, und wird südlich von Kap Cañaveral sehr gering und unbestimmt.

Eine weitere sehr bemerkenswerte Eigentümlichkeit des Golfstroms ist seine Spaltung in abwechselnde Streifen oder Bündel von kaltem und warmem Wasser. Dieselben werden deutlich merklich, sobald der G. bei Kap Hatteras in tiefes Wasser eintritt. Während die linke Seite dann noch auf dem flachen Wasser festgehalten wird, strebt der Strom vermöge der Rotation der Erde sich nach rechts auszudehnen und zerreißt successive, während zugleich bei der Zunahme der Tiefe kaltes Wasser aus den größern Meerestiefen nach oben gesaugt wird und später dem Lauf des Stroms folgt. Mit dem weitern Verlauf des Golfstroms nach N. nehmen auch die Zwischenräume zwischen den einzelnen warmen Streifen zu, d. h. die kalten Streifen werden ebenfalls breiter. So ist bei Kap Hatteras der erste kalte Streifen, der sogen. "kalte Wall", von der Küste aus bis 30 Seemeilen und der erste innere warme Streifen (die Achse des Golfstroms) 47 Seemeilen breit; östlich von diesem