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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gott

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Gott (der Gottesbegriff im allgemeinen und im Christentum).

als Gehilfe in das Geschäft seines Bruders in Berlin ein, wo er mit Friedrich II. bekannt wurde. Auf dessen Veranlassung gründete er in Berlin eine Samt-, dann eine Seidenfabrik und brachte sie trotz mancher Verluste zu hoher Blüte; ebenso errichtete er 1761 die Berliner Porzellanmanufaktur. Als 1760 die Russen Berlin besetzten, wußte es G. durch seinen Einfluß bei dem General Totleben zu erreichen, daß die Stadt mit Plünderung verschont, mehrere bereits befohlene Gewaltmaßregeln unterlassen und die Kontribution von 4 Mill. Thlr. auf 1½ Mill. herabgesetzt wurde, für deren Zahlung er selbst große Opfer brachte. Einen ähnlichen Dienst leistete er 1761 der Stadt Leipzig. Durch die vielen Bürgschaften, die er während des Kriegs aus Edelmut übernommen, wurde sein Vermögen zerrüttet; er machte 1763 Bankrott und starb zurückgezogen und arm 9. Aug. 1775 in Berlin. Seine Selbstbiographie, in der Form eines Briefs, erschien französisch ("Mémoires d'un négociant patriote", Berl. 1769) und deutsch (neuer Abdruck in den "Schriften des Vereins für die Geschichte der Stadt Berlin", Heft 7, das. 1873).

Gott oder, abstrakt ausgedrückt, Gottheit nennen wir den eigentlichen Gegenstand alles religiösen Glaubens, sofern jener Zwiespalt, in welchem sich der Mensch als Naturwesen mit sich selbst als sittlichem Wesen vorfindet, nur unter Voraussetzung einer höhern, die Natur als Mittel für die Persönlichkeit in Dienst nehmenden und ihr unterwerfenden Macht lösbar erscheint (s. Glaube). In der Regel ist daher mit jeder positiven Stellung zur Religion auch die Setzung irgend eines Gottesbegriffs verbunden. Denn die Vorstellung Gottes bedeutet unter allen Umständen das vergegenständlichte Bedürfnis nach Aufhebung eines Zwiespalts, den der religiöse Mensch unvermeidlich in sich fühlt und mit sich herumträgt. Nur sofern in den rohesten, vielleicht selbst schon verrohten Formen der Naturreligion der Gottesgedanke sozusagen erst im Werden begriffen oder noch latent ist, kann man heutzutage dem Satz des Altertums, daß alle Menschen (so Aristoteles, "De coelo", I, 3) oder alle Völker (so Cicero, "Tuscul.", I, 13) eine Vorstellung von der Gottheit hätten, seine durchgängige Gültigkeit aberkennen. Mit größerm Recht wird man immerhin dem früher aus dieser Behauptung für das Dasein Gottes geführten Beweis (e consensu gentium) eine verbindliche Kraft absprechen. Denn die mehr oder weniger ausgebildete Vorstellungswelt, welche Natur- und Kulturreligionen uns in ihrer mythologischen Götterlehre darbieten, kann zunächst nur den Eindruck von Produkten eines noch ganz naiven, aller soliden Mittel der Befriedigung entbehrenden Kausalitätsbedürfnisses auf der einen, luxurierender Phantasie auf der andern Seite machen. Aber in demselben Maß, wie das Denken des Menschen der Anerkennung einer zusammenhängenden Ordnung der Dinge entgegengedrängt wird, verlieren jene Götter, welche nur die Lücken des Wissens ergänzen und die Zwischenräume der Welt bewohnen, an Lebensfähigkeit; sie erhalten nur da auch über dem Grab der ihnen gewidmeten Dienste noch ein ideales Leben, wo die Phantasie, die sie hervorgebracht hat, eine ästhetisch disziplinierte war, wie bei dem formenfrohen und schönheitssinnigen Volk der Griechen. Aber gerade hier strebte der denkende Geist schon früh über die vielen Göttergestalten der Volksreligion hinaus dem Monotheismus zu, wie denn auch der Olymp der Poesie sich je länger, je mehr in seinem Haupte, dem "Vater der Menschen und Götter", einheitlich zuspitzte.

Von einer andern Seite her stellt sich noch unvermeidlicher und mit der Übermacht offenbarungsmäßiger Gewißheit der einheitliche Gottesgedanke ein, wo die oben angedeuteten religiösen Motive des Gottesglaubens reiner und kräftiger wirken und es Interessen nicht sowohl des Wissens als vielmehr der sittlichen Persönlichkeit sind, welche in ihm ihre Sicherheit suchen. So hat auch die Geschichte zweierlei Wege eingeschlagen, um das Ziel des einheitlich gefaßten, in einem gleichmäßigen Verhältnis zur vielgestaltigen Welt stehenden, die Zwecke des persönlichen Lebens der gesamten Natur gegenüber aufrecht erhaltenden Gottesbegriffs zu erreichen. Die arischen Völker sind diesen, die semitischen jenen gewandelt. Die indogermanische Art, Vielheit und Einheit im Gottesbegriff zu verbinden, hat ihren charakteristischen Ausdruck im indischen Brahmanismus gewonnen, wo der Gedanke der Immanenz vorherrscht und der Durst des menschlichen Gemüts nach einem gegenwärtigen, der Welt innewohnenden G. Befriedigung sucht. Aber freilich geschah dies auf Kosten der Lebendigkeit und Fülle des Gottesbegriffs selbst, daher die Volksgötter doch wieder als farbige Erscheinungsformen des blassen Brahma zu Hilfe gerufen wurden, während im Buddhismus das unpersönliche Alleins, welches Brahma hieß, in das Nichts umschlug und sich uns solchergestalt das denkwürdige Schauspiel einer ursprünglich atheistisch gemeinten, freilich sofort zur Vergötterung ihres Urhebers fortschreitenden Religion darbietet. Wenn in Indien der ursprüngliche Polytheismus der Mythologie durch den pantheistischen Monismus der brahmanischen Metaphysik überwunden wurde, so bildeten die vergöttlichten Naturkräfte auch den ursprünglichen Hintergrund der semitischen Religionen. Aber wenigstens in dem einen Exemplar der hebräischen Religion hat die in den ost- und nordsemitischen Religionen nachweisbare Disposition zur monotheistischen Zusammenfassung durchgeschlagen und ist der Polytheismus durch einen seit Moses allmählich erstarkenden, von den Propheten mit sittlichem Gehalt erfüllten, dabei immer transcendent gefaßten Theismus überwunden worden. So kam es zu der einheitlichen und persönlichen Spitze des hebräischen Monotheismus, welchen dann der Islam teils seines sittlichen Gehalts beraubt, teils aber auch noch abstrakter gefaßt, noch schärfer zugeschliffen hat, während eine gewisse Korrektur der semitischen Transcendenz schon in den ersten Kundgebungen des Christentums gefunden werden kann (Apostelg. 17, 28; Eph. 4, 6; Röm. 11, 36; 1. Kor. 15, 28; vgl. auch Sir. 43, 27).

Der fernere Verlauf, welchen die Entwickelung des christlichen Gottesgedankens genommen hat, war bedingt durch die seitens der Kirchenväter von den spätern Platonikern entlehnte Kategorie des grenzenlosen, unbeschränkten, durchaus bestimmungslosen Seins, welches im Grunde die religiöse Vorstellung von Gottes Persönlichkeit ausschließt und den allgemeinen Hintergrund einer pantheistischen Weltanschauung bildet. Während dieser Gottesbegriff den Vorteil bot, aller sinnlichen Elemente entledigt und von dem hebräischen Bodensatz des Anthropomorphismus und Anthropopathismus gründlich rein gefegt, auch der philosophischen Bildung der römischen Kaiserzeit unmittelbar verständlich zu sein, war doch positiv nicht viel mit ihm anzufangen, da sein eigentlicher Gehalt auf die konsequent durchgeführte Verneinung der Welt hinauslief. In der That wurden christlicherseits nicht selten Konsequenzen aus dem philosophischen Gottesbegriff gezogen, welche jede