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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Götterduft - Gottesfriede.

dem Fenriswolf den Rachen entzweireißt. Zuletzt schleudert Surtr Feuer über die Erde, und die ganze Welt verbrennt. Nach dem Weltbrand aber taucht eine neue, schönere Erde auf, auf der das Korn ungesäet wächst, ein verjüngtes und geläutertes Göttergeschlecht entsteht; auch die Menschen erstehen wieder, und die Zeit des Friedens und der Unschuld erneuert sich. Nicht aber die Asen, sondern ein höherer, ungenannter Gott führt jetzt das Regiment der Welt.

Die Vorstellung eines möglicherweise eintretenden Weltunterganges zieht sich wie durch das germanische Heidentum noch durch das ganze Mittelalter und wurde immer wieder genährt durch besonders gewaltige Gewitter, wie die alten Chroniken bei Schilderung solcher zeigen (es war, als sollte "die Welt untergehen"). Aus Gewitteranschauungen hat sich auch die oben dargestellte nordische Vorstellung entwickelt. Ähnliche Bilder spiegeln sich ab in deutschen Sagen von einer sogen. letzten Schlacht unter allerhand mythischen Wahrzeichen (nicht bloß in Süddeutschland beim Unterberg, sondern auch in Holstein zu Nortorf, ja auch in der Mark Brandenburg). Vgl. Lehmann, Die G. (Königsb. 1881).

Götterduft, s. Diosma.

Gott erhalte Franz den Kaiser, Anfangsworte der österreich. Volkshymne, welche von L. L. Haschka gedichtet und von Joseph Haydn in Musik gesetzt ward. Sie wurde 12. Febr. 1797 zum erstenmal in Wien gesungen.

Göttersage, s. Mythologie.

Göttersträucher, s. Diosmeen.

Göttervogel, s. Paradiesvogel. ^[richtig: Paradiesvögel.]

Gottesacker, s. Begräbnisplatz.

Gottesanbeterin (Mantis religiosa L., s. Tafel "Geradflügler"), Insekt aus der Ordnung der Geradflügler und der Familie der Fangheuschrecken (Mantodea), 7 cm lang, gestreckt gebaut, mit freiem, fast senkrecht stehendem, herzförmigem Kopf, drei Nebenaugen, langen Borstenfühlern, stark verlängertem, stabförmigem ersten Brustring, zu Fangorganen umgestalteten Vorderbeinen mit sehr langen, dreiseitigen Hüften und Schienen, welche wie die Klinge eines Messers in eine Doppelreihe von Stacheln an den Schenkel zurückgeschlagen werden können und in einen sichelartigen Dorn auslaufen. Mittel- und Hinterbeine sind einfach, der Hinterleib läuft in zwei gegliederte Reife aus; von den Flügeln sind die vordern etwas lederartig und getrübt. Die Körperfarbe ist grün oder braungelb. Die G. bewohnt Afrika und Südeuropa, findet sich noch in Mähren, im Breisgau und bei Frankfurt, nährt sich von Insekten und hat ihren Namen von den eigentümlich emporgehaltenen Vorderbeinen. Sie legt ihre sehr langgestreckten Eier an einen Halm oder Zweig in regelmäßig geordnete Bündel und überzieht diese mit einem erhärtenden Schleim.

Gottesberg, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Breslau, Kreis Waldenburg, 591 m ü. M., an den Linien Kohlfurt-Sorgau und Breslau-Sorgau-Halbstadt der Preußischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kathol. Kirche, ein Amtsgericht, ein Kreisrettungshaus im nahen Ober-Hermsdorf, Steinkohlenbergbau, Porphyrbrüche und (1885) 6893 Einw., darunter 2202 Katholiken. Nördlich liegt der die ganze Gegend beherrschende, 834 m hohe Hochwald.

Gottesboten, in der ältern Sprache s. v. w. Apostel.

Gottesbrief, s. v. w. Indultum feudale, s. Indult.

Gottesdienst, gewöhnlich s. v. w. Kultus (s. d.). Da übrigens die Religion (s. d.) auf einer praktischen Nötigung des persönlichen Geisteslebens beruht, ist es natürlich, daß auch die Lösung des praktisch empfundenen Gegensatzes von Freiheit und Notwendigkeit zunächst auf dem praktischen Weg des Opfers erfolgt, in welchem der Mensch sein kleines dem großen göttlichen Leben unterwirft, dienstbar macht. So ist aller Kultus zunächst G. und soll dadurch auf Gott eingewirkt, die Gegenleistung göttlicher Vergebung oder Belohnung erzielt werden. So noch im Katholizismus, wo der Kultus als die in Praxis umgesetzte Lehre von der Rechtfertigung aus Verdienst der Werke erscheint und die Kirche daher als Heilsanstalt durch geweihte Organe einen verdienstlichen G. zu gunsten einer Versammlung feiert, die nur passiv zur Kirche gehört. Dagegen ist das Wort G. eigentlich nicht mehr am Platz für den protestantischen Kultus, darin eine gläubige Gemeinde ohne priesterliche Vermittelung vor Gott hintritt, nach Luther, um Befriedigung für ihre religiösen Bedürfnisse zu finden, nach Zwingli, um ihre Frömmigkeit zu bethätigen, nach gemeinsamem Grundsatz der Reformatoren, um durch Gottes Wort, das in der Predigt erschallt, belehrt und erzogen zu werden, so daß der Kultus hier um des Menschen, nicht mehr um Gottes willen da ist, also jenem, nicht diesem damit ein Dienst geschieht.

Gottesfreunde, nach gewöhnlicher Annahme Bezeichnung eines religiösen Bundes, welcher seit der Mitte des 14. Jahrh. sich besonders am Rhein, in der Schweiz und in Schwaben ausbreitete. Jedenfalls nennen mystische Schriftsteller jener Zeit die Personen so, welche in Zurückgezogenheit und Armut die Grundsätze der Mystik praktisch übten. Als ihr eigentliches Haupt galt "der große Gottesfreund aus dem Oberland", welchen man lange mit dem um 1387 oder 1408 zu Wien verbrannten Nikolaus von Basel, dann mit einem gewissen Johann von Chur oder Rütberg identifiziert hat, bis Denifle nachzuweisen suchte, daß die Quelle, aus der wir über den großen Gottesfreund das meiste erfahren, das sogen. "Buch des Meisters", ein tendenziöser Roman sei. Indes ist diese Annahme durch Jundt bekämpft worden. Eine der originellsten Erscheinungen unter diesen Gottesfreunden war der Straßburger Kaufmann und Musiker Rulman Merswin, welcher 1364 das Johanniterhaus zum Grünen Wörth daselbst gründete. Vgl. C. Schmidt, Die G. im 14. Jahrhundert (Jena 1854); Derselbe, Nikolaus von Basel (Wien 1866); Lütolf im "Jahrbuch für Schweizer Geschichte" (Zürich 1877); Rieger, Die G. im deutschen Mittelalter (Heidelb. 1879); Denifle, Taulers Bekehrung (Straßb. 1879); Derselbe in der "Zeitschrift für deutsches Altertum" (1880); Jundt, Les Amis de Dieu (Par. 1879); Preger, Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter, Bd. 2 (Leipz. 1881). S. Tauler.

Gottesfriede (Pax s. Treuga Dei, Trewa Dei, franz. Trève de Dieu), im Mittelalter die Aussetzung der Fehden an gewissen durch die Beziehung auf Lebensmomente Christi besonders geweihten Tagen in der Woche, nämlich von Mittwoch Abend an bis Montag Morgen, außerdem auch an hohen Festtagen mit ihren Oktaven und Vigilien und zu gewissen von der Kirche zu ernster Betrachtung bestimmten Zeiten, wie zur Advents- und Fastenzeit. Störung des Gottesfriedens wurde mit Geldstrafen, die sich bis zur Vermögenskonfiskation steigern konnten, mit Kirchenbann und selbst mit Leibesstrafen geahndet. In den Gottesfrieden waren auch Kirchen, Klöster, Kapellen etc., ferner Sachen, welche zum Ackerbau nötig waren, endlich außer der Klerisei auch Reisende und Frauen eingeschlossen. Der G. wurde zuerst in Burgund (s. d.) eingeführt durch die Cluniacenser Mönche.