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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gradnetz; Grado; Gradskoi sakon; Gradstock; Gradual; Graduale; Gradualpsalmen; Graduat; Graduation; Graduell; Graduieren

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Gradnetz - Graduieren.

sind aber schon umfangreiche Arbeiten ausgeführt, so eine Revision der französischen Messungen und deren Fortsetzung nach Algerien durch Périer, ferner eine völlige Ummessung des Adriatischen Meeres; in Aussicht steht die Ummessung des Mittelländischen Meeres, die Verlängerung des Bogens Nordkap-Ismail auf 40° bis nach Kleinasien hinein. Besondere Aufmerksamkeit hat man den Instrumenten, Beobachtungs- und Berechnungsmethoden zugewandt, auch arbeitet man an der Verbindung und Ausgleichung aller bereits vorhandenen geodätischen Arbeiten, namentlich derjenigen Triangulierungen, welche von der Gradmessung mitbenutzt werden, beschäftigt sich mit großartigen geometrischen Präzisionsnivellements und der hierdurch ermöglichten nivellitischen Verbindung der Pegelnullpunkte sowie mit der Ermittelung der relativen Meereshöhen, mit umfassenden Pendelversuchen, weitern Untersuchungen über lokale Lotablenkungen. Wie alle frühern größern G. einen fördernden Einfluß auf die Geodäsie geübt haben, der an Wichtigkeit die unmittelbaren Resultate rücksichtlich der Gestalt und Größe der Erde weit übertrifft, so wird dies in erhöhtem Maß bei der Europäischen Gradmessung der Fall sein. Über die jährlichen Fortschritte der Arbeiten geben die seit 1864 vom Zentralbüreau veröffentlichten "Berichte" (Berlin) nähere Mitteilungen. Die Arbeiten der Europäischen Gradmessung über Maßvergleichung haben auch Anlaß gegeben zur Niedersetzung einer internationalen Kommission in Paris behufs Herstellung neuer Meterprototypen. Besondere Aufmerksamkeit widmet man den Pendelversuchen, die namentlich an den Küsten und auf Inseln stattzufinden haben, um auch hiernach weiterhin den Abplattungskoeffizienten immer näher zu präzisieren (die Pendelapparate ergaben bis jetzt nämlich: 1/289, während das Resultat der eigentlichen Gradmessung davon abweicht: 1/299).

Das beinahe abgeschlossene Präzisionsnivellement (1885) steht in Verbindung mit einer großen Anzahl Meereshöhenbeobachtungen mittels Mareographen (automatischen Flutmessern). Deutschland hat seit 1880 sich einen "Normalnullpunkt" für sämtliche Höhenermittelungen an der Sternwarte zu Berlin festgestellt. Der geodätische Kongreß in Rom 1883 beschloß, den Meridian von Greenwich als Einheitsmeridian für alle internationalen Längenbestimmungen anzunehmen. Die Längengradmessung auf dem 52. Grad erstreckt sich jetzt von Valentia bis nach Sibirien hinein, der französische Bogen von Dünkirchen bis zur Sahara (27 Grad); der indische Bogen umfaßt 24, der russische 25 Gradbogen. Vgl. Sadebeck, Entwickelungsgang der Gradmessungsarbeiten (Berl. 1876); "Zusammenstellung der Litteratur der Gradmessungsarbeiten" (das. 1876); die Berichte von Bruhns in Behm-Wagners "Geographischem Jahrbuch"; Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde (6. Aufl., Stuttg. 1879); Derselbe, Die Bedeutung moderner G. (Münch. 1866); Jordan, Handbuch der Vermessungskunde (Stuttg. 1878).

Gradnetz, Entwurf der auf der Erdkugel gedachten Längen- (Meridian-) und Breiten- (Parallel-) Kreise auf ebenem Kartenblatt, um danach die einzelnen Teile der Erdoberfläche nach ihrer geographischen Lage richtig darstellen zu können. Für größere Erdräume wird dasselbe auch Kartennetz genannt. Näheres s. Landkarten.

Grado, Hafenstadt im österreichisch-illyr. Küstenland, Bezirkshauptmannschaft Gradisca, auf einer Insel in den Lagunen der Isonzomündung gelegen und durch einen Steindamm gegen die See geschützt, hat eine alte Kathedrale, Seebäder mit Heilanstalt für skrofulöse Kinder und (1880) 3015 Einw., welche hauptsächlich Fischerei und Sardinenbereitung betreiben. - G. war einst der Hafen von Aquileja und Stationsplatz der römischen Flotte. Im 6. und 7. Jahrh. war es mehrfach Sitz der Patriarchen von Aquileja und wurde um 717 Sitz eines eignen Patriarchats, das 1451 nach Venedig verlegt wurde.

Gradskoi sakon, russ. Bezeichnung für das (ost-) römische Recht. Von der griechischen Geistlichkeit nach Rußland gebracht, erlangte dasselbe dort nicht geringes Ansehen, wenn es auch nicht wie in Deutschland zur Grundlage des gesamten Privatrechtslebens ward. Die Reformbestrebungen Peters d. Gr. setzten dem weitern Eindringen des römischen Rechts ein Ziel.

Gradstock, s. v. w. Jakobsstab.

Gradual (lat.), auf einen Grad (s. Gradus) bezüglich, z. B. Gradualdisputation, Disputation zur Erlangung eines akademischen Grades; Gradualsystem, Bestimmung der Erbfolge nach der Nähe des Verwandtschaftsgrades.

Graduale (lat.), in der kathol. Kirche der kurze, meist aus Psalmenversen bestehende Zwischengesang, welcher bei der Messe nach dem Vorlesen der Epistel zwischen dem Gloria und dem Credo eingelegt wird, so genannt, weil der Priester während desselben auf den Stufen (gradus) des Altars oder vor dem Lesepult steht.

Gradualpsalmen (Cantica graduum, "Stufenlieder"), einige der alttestamentlichen Sammlung einverleibte hebräische Lieder (Psalm 120-134), die vermutlich von den Stufen der Tempeltreppe aus gesungen wurden, von Luther im Mißverstand der hebräischen Bezeichnung (Schir lamma'loth oder hamma'loth) als Lieder im höhern Chor bezeichnet.

Graduat (neulat.), ein Graduierter (s. Graduiert).

Graduation (franz.), Gradeinteilung, auch s. v. w. Gradation und Gradierung.

Graduell (franz.), stufenweise fortschreitend.

Graduieren (lat.), nach Stufen oder Graden abteilen, insbesondere jemand einen akademischen Grad erteilen (s. Graduiert). In der Technologie speziell heißt g. Gefäße mit einer Skala versehen, an welcher man den Rauminhalt derselben ablesen kann. Dies geschieht, um das Volumen von Flüssigkeiten und Gasen leicht bestimmen und ebenso bestimmte Volumina derselben leicht abmessen zu können. Man benutzt dazu Maßflaschen und Maßcylinder, Büretten (s. d.) und Pipetten (s. d.). Um ein Gefäß zu g. oder auch nur den ganzen Rauminhalt desselben zu bestimmen, füllt man dasselbe unter Vermeidung von Luftblasen mit destilliertem Wasser von bestimmter Temperatur und wägt oder mißt dasselbe. Doch ist Quecksilber vorzuziehen. Beim G. in höherer Temperatur ist die Ausdehnung des Wassers oder Quecksilbers zu berücksichtigen. Büretten werden graduiert, indem man von vornherein die Teilstriche für gleich große Volumina oder, ohne Rücksicht auf den innern Rauminhalt, eine Millimeterskala aufträgt und nachher die den einzelnen Teilen entsprechenden Volumgehalte bestimmt. Die Anfertigung einer gleichmäßigen Skala geschieht mit Hilfe der Teilmaschinen oder Kopiermaschinen (vgl. Bunsens "Gasometrische Methoden", 2. Aufl., Braunschw. 1877). Dabei pflegt man die Röhren mit einer dünnen Wachsschicht zu überziehen und die in letztere eingeritzten Teilstriche mit Flußsäuredämpfen zu ätzen. Das Abzeichnen bestimmter Volumina auf einer Röhre, Kalibrieren, geschieht mit Quecksilber und mit dem an einem