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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

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Griechenland (Alt-G.: Bodenerzeugnisse, Bevölkerung).

und Lakonien im O.; Messenden und Elis im W.

Korinth umfaßte alles Land bis zu den Pässen des Geraniagebirges im N. und zu denen der Argolischen Gebirge im S. und war durch seine Lage an zwei Meeren, am Saronischen und Korinthischen Busen, und als Pforte zum Peloponnes von äußerster Wichtigkeit. Westlich daran stießen die beiden Stadtgebiete von Sikyon und Phlius, jenes den Unterlauf, dieses das Quellgebiet des Asopos in sich begreifend. Achaia bildet den schmalen Nordsaum des Peloponnes zwischen dem Gebirge und der Küste am Korinthischen Busen und Golf von Paträ; im O. bildet Sikyon, im W. das Vorgebirge Araxos die Grenze. Über Arkadien, die größte der Landschaften des Peloponnes, s. oben. Argolis bildete den nordöstlichen Teil des Peloponnes zwischen dem Saronischen und Argolischen Golf, Lakonien den südöstlichen, wenig fruchtbaren Messenien dagegen, im O. vom Taygetos und von Lakonien, im N. von Elis und Arkadien begrenzt, ist ein mildes und fruchtbares Land voll lachender Fluren und schön geformter und bewaldeter Gebirge. Elis bildet die westliche Abdachung der arkadischen Gebirge und zerfiel in zwei Teile, das bergige und das hohle Elis oder das Thalland mit der Stadt Elis. Die Gegend um den Alpheios hieß Pisatis, der südliche Teil der Landschaft gegen Messenien Triphylien.

Bodenerzeugnisse.

Der Boden von G., durchaus nicht unfruchtbar, doch auch nicht übermäßig freigebig, bot fast nirgends seine Gaben ganz freiwillig und mühelos oder in einem solchen Überfluß, daß er zur Trägheit und Sorglosigkeit aufforderte. Die Betriebsamkeit fand dann auch selbst die rauhern und von der Natur nur mit kärglichen Gaben ausgestatteten Gegenden nicht ungeeignet zur Benutzung und zum Ackerbau. Bewunderung verdient die Ausdauer und Anstrengung, mit welcher man teils die Entwässerung morastiger, teils die Bewässerung dürrer Distrikte, wie des "durstigen" Argolis, zu bewerkstelligen wußte. In diesen Künsten waren übrigens meist fremde Völker die Lehrmeister der Griechen. Die Erzeugung des Weins gehörte zwar mehr den hellenischen Inseln an, auf deren meisten er in großer Vortrefflichkeit gedieh; doch hatte auch das Festland schon zu Homers Zeit Weinbau. Öl und Feigen von vorzüglicher Güte gediehen in Attika, welches sonst einer regelmäßigen Bewässerung entbehrte; Gartenbau hatte Megaris. Zu den fruchtbarern Gebieten zählten im Altertum wie noch heute Lakonien und Euböa, deren Glimmerschiefer sich leicht zersetzen; dann die ehemaligen Seebecken, wie Böotien und Thessalien. Alle aber bleiben zurück hinter der Ertragsfähigkeit Thrakiens, Makedoniens und Kleinasiens, aus denen Getreide nach G. eingeführt werden mußte. Drei Viertel des ganzen Areals von G. waren nur als Weideland nutzbar, von dem Rest kaum die Hälfte als Fruchtacker. Die Herden bestanden meist aus Ziegen und Schafen; die Pferde- und Rindviehzucht war weniger bedeutend, erstere am meisten beim thessalischen Adel im Schwange. Groß war der Ertrag an Wolle, weshalb auch Wollspinnerei und -Färberei in hoher Blüte standen. Beide Künste sowie die Metallgießerei waren von den Phönikern überkommen, aber von den Griechen bedeutend ausgebildet worden. Die Jagd gewährte reiche Beute an Wild und zwar nicht nur an Hasen, Rehen, Hirschen, sondern auch Eber, Bären, Wölfe, Füchse und in früherer Zeit selbst Löwen lockten den mutigen Jüngling zur Verfolgung und machten die Jagd, namentlich bei den Spartanern, zu einer Übungsschule des Kriegs. Ganz unerschöpflich schien der Fischreichtum der hellenischen Meere und Buchten. Die Mineralschätze des Bodens wurden im Altertum fleißig ausgebeutet. Berühmt und sehr ergiebig waren besonders die Silberbergwerke im Lauriongebirge in Attika, die aber schon zu Strabons Zeit nicht mehr bebaut und erst in unsrer Zeit wieder in Angriff genommen wurden. Auf Siphnos gewann man Gold und Serpentin, auf Keos Bleierze, auf Euböa bei Chalkis Kupfer, auf zahlreichen Inseln Eisen in Menge. Die aus zersetztem Thonschiefer gebildeten reichen Lager dunkelblauen Thons vom attischen Kap Kolias führten zu einer ausgedehnten Töpferindustrie. Der Kalk Westgriechenlands bot gute, leicht zu bearbeitende Bausteine und der Marmor Attikas, Lakoniens und der Inseln ein für Skulpturzwecke unschätzbares Material dar.

Bevölkerung.

Was die Bevölkerung betrifft, so traten schon Herodot und Thukydides der unter den Griechen selbst verbreiteten Ansicht, daß sie Autochthonen seien, entgegen, indem sie G. vor den Hellenen von Barbaren bewohnt sein lassen. Aristoteles sah die erstern als Einwanderer aus dem Norden an, und schon Herodot weiß, daß die Dorier einst in Makedonien gesessen hatten, wie denn auch das Griechentum eines Teils der Makedonier jetzt unbestritten feststeht. Die neueste Forschung, namentlich die Linguistik, hat nachgewiesen, daß die Griechen in der That von Norden her eingewandert und ein Teil des indogermanischen Völkerstammes sind (s. unten, Geschichte, S. 682 f.). Doch erscheinen sie bei ihrem ersten Auftreten in der Geschichte in zahlreiche Stämme zerspalten, welche nicht einmal ein deutliches Bewußtsein ihrer gemeinsamen Abstammung haben und erst allmählich zu einem zwar nicht politisch, aber durch seine Kultur geeinten Volk zusammenwachsen. Genaue Angaben über die Zahl der Bevölkerung, über ihre Zu- und Abnahme mitzuteilen, ist unmöglich, da nur einzelne Notizen darüber gelegentlich mitgeteilt werden. Schon vor den Perserkriegen muß G. stark bevölkert gewesen sein. Lakonien zählte um 480 v. Chr. 8000 Spartiaten und konnte 50,000 bewaffnete Männer ins Feld stellen, Arkadien 30,000. Der Peloponnes muß damals ungefähr 2 Mill. Einw. gehabt haben; Athen hatte 30,000 Bürger (nach Herodots Zeugnis). Die Zahl der Sklaven war eine sehr bedeutende, namentlich in Handels- und Fabrikstädten, wo sie, wie in Korinth und Ägina, zuweilen auf das Zehnfache der freien Einwohner sich belief. In Attika war die unfreie Bevölkerung wenigstens viermal so groß als die freie. Da aber die Sklaven meist solchen Stämmen angehörten, welche an geistigen Anlagen den Griechen weit nachstanden, auch ziemlich gut behandelt wurden und sich daher wohl befanden, wurde die große Menge derselben nicht gefährlich; Aufstände kamen nicht vor. Vor dem Peloponnesischen Krieg (444) fand Perikles bei einer Volkszählung in Athen, die zum Behuf einer Getreideverteilung angeordnet wurde, 19,000 erwachsene Bürger und, die frei gebornen Frauen und Kinder mit eingeschlossen, eine Gesamtzahl von 78,640 Einw. Als Perikles den Landbewohnern Attikas befahl, sich vor den Lakedämoniern in die Stadt zurückzuziehen, waren nicht weniger als 500,000 Menschen innerhalb der Mauern Athens zusammengedrängt. Clinton berechnet die Bevölkerung des Peloponnes auf 1,044,000 Seelen.

Was den Charakter des hellenischen Volkes betrifft, so konnte sich dieser natürlich nicht überall auf