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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

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Griechenland (Alt-G.: Geschichte bis um 650 v. Chr.).

auf 9000 vermehrt wurden. Innere Zwistigkeiten erschütterten nach dem Krieg den spartanischen Staat. Zwischen dem Königtum und der dorischen Bürgergemeinde entbrannte ein erbitterter Kampf über die politischen Rechte, der mit dem Sieg der letztern endete; den Königen wurden die Ephoren als Wächter des gesetzlichen Herkommens zur Seite gestellt (690). Aber die Unduldsamkeit der Spartiaten gegen die Aufnahme nichtdorischer Bürger in ihre Gemeinde sowie die Austreibung der Parthenier, welche Tarent gründeten, riefen Aufstände der Periöken hervor. Zu gleicher Zeit erhoben sich die Messenier unter Führung des Aristomenes, vertrieben die Spartiaten aus ihrem Gebiet und fanden bei Argos, Arkadien und Pisa Hilfe (zweiter Messenischer Krieg, 645-628). In dieser Not riefen die spartanischen Könige den Sänger Tyrtäos aus Aphidna in Attika herbei, dessen begeisterte Lieder das Gefühl für Kriegerehre und Treue gegen das angestammte Königtum neu belebten und neben der Kampfeslust und Siegeszuversicht auch Versöhnlichkeit bei den Spartiaten erweckten. Der Krieg nahm nun eine für Sparta günstige Wendung. Die Messenier wurden nach der Bergfestung Eira zurückgedrängt, von wo Aristomenes kühne Streifzüge bis in das Herz Lakoniens unternahm, das aber endlich doch aufgegeben werden mußte. Die tapfern Verteidiger verließen ihre Heimat und wanderten teils nach dem südlichen Italien, wo sie Rhegion und Zankle gründeten, teils nach Kleinasien aus; die zurückgebliebenen Messenier mußten als Staatssklaven den Acker für ihre Bedrücker bebauen; ein Teil des fruchtbaren Bodens blieb als Weide liegen, die Hafenstädte verödeten vollständig.

Der siegreiche Ausgang des zweiten Messenischen Kriegs steigerte das Übergewicht der Spartiaten und machte sie zu völligen Herrschern Lakoniens. Die von der dorischen Gemeinde gewählten Ephoren erlangten eine Macht, welche die der Könige in Schatten stellte, und wurden die eigentlichen Leiter des Staats, dem sie als Vertreter der Spartiaten den rein dorischen Stammescharakter aufprägten, und dessen Politik sie eine konsequente Haltung gaben, durch welche sie die großen Erfolge nach außen hin erreicht haben. Auf Eroberungskriege verzichteten sie. Während sie im Innern die Formen der Lykurgischen Verfassung streng festhielten und die Anhänglichkeit an das durch Alter Geheiligte zu einem politischen Grundsatz machten, traten sie nach außen fest und gemäßigt auf, suchten durch Bündnisse die peloponnesischen Staaten um sich zu einigen, das Heiligtum des Zeus zu Olympia und die alle vier Jahre dort gefeierten Spiele zum Mittelpunkt eines Bundes zu machen, in dem sie als der mächtigste Staat die hervorragendste Stellung naturgemäß einnehmen mußten, und durch vorsichtiges Eingreifen in die innern Wirren benachbarter Staaten den Bestand der alten gesetzlichen Ordnungen zu sichern oder wiederherzustellen und das politische Übergewicht der dorischen Bevölkerung zu befestigen. Sie haben auch durch Ausdauer und Konsequenz schwierige Zeiten überwunden und große Erfolge erzielt.

In den dorischen Staaten des nordöstlichen Peloponnes, in Argos, Korinth, Sikyon sowie in Megaris, hatten Handel und Verkehr, welche sich infolge der günstigen Lage und zahlreicher Einwanderungen rasch und glänzend entwickelten, auf die politische Entwickelung maßgebenden Einfluß geübt: die Dorier waren zurückgedrängt worden, und mächtige Alleinherrscher (Tyrannen) hatten sich erhoben. Der König Pheidon von Argos, aus dem Geschlecht der Temeniden, dem G. sein erstes Maß-, Gewichts- und Münzsystem verdankt, unterwarf sich wieder ganz Argolis bis zum Isthmos, besiegte die Spartaner 669 bei Hysiä, entriß ihnen die ganze Ostküste ihres Gebiets bis zum Vorgebirge von Malea und schloß sie 668 auch von den Olympischen Spielen aus. In Sikyon erlangte das Geschlecht der Orthagoriden die Alleinherrschaft und unterdrückte die bisher allein vollberechtigten dorischen Bürger. Unter der Herrschaft der Bakchiaden hatten in Korinth Seefahrt und Gewerbe einen glänzenden Aufschwung genommen, die Bevölkerung hatte sich rasch vermehrt, zahlreiche Pflanzstädte waren entstanden. Um 660 schwang sich in der mächtigen Stadt ein Verwandter des herrschenden Geschlechts, Kypselos, zum Tyrannen auf und vererbte seine Macht auf seinen Sohn Periandros (629-585), der mit seiner Flotte weithin die Meere beherrschte, aber die alten Ordnungen beseitigte und zuletzt als rücksichtsloser Despot regierte. In Megara wurde der dorische Adel (625) von Theagenes mit Hilfe des niedern Volkes gestürzt; nach seinem baldigen Fall wüteten langwierige Bürgerkriege. Die weitere Ausbreitung der Tyrannis hätte die Entwickelung der griechischen Bildung überstürzt und durch die Begünstigung des Ausländischen ihre Eigenartigkeit vernichtet. Indem Sparta den Sturz derselben durch offene Bekämpfung wie durch Unterstützung des einheimischen Widerstandes herbeiführte, sicherte es das Hellenentum vor Entartung und errang sich selbst die Hegemonie über den dorischen Peloponnes, dessen Staaten es zu einem Bund vereinigte, und ein schiedsrichterliches Ansehen bei den übrigen Hellenen, ja eine Oberleitung aller hellenischen Nationalangelegenheiten, bis ihm in Mittelgriechenland ein ebenbürtiger Nebenbuhler erwuchs.

Emporkommen Athens.

Dies war Athen (s. d.). Neben den pelasgischen Ureinwohnern wurde Attika von den Einwanderern verschiedener Stämme bewohnt; unter den zwölf städtischen Gemeinden erlangte das um eine starke Burg erbaute Athen durch seine Lage allmählich den Vorrang; hier verschmolzen die ionischen Geschlechter auch am ersten mit den eingebornen Erechthiden, und die erstern wurden die herrschenden; von Athen ging die Vereinigung der zwölf Städte zu Einem Gemeinwesen aus, womit die attische Geschichte beginnt. Als Urheber dieses wichtigen Ereignisses, des Synoikismos, wurde Theseus verehrt. So vereinigt, konnte der neue Staat nicht nur die Erschütterung der Dorischen Wanderung überstehen, sondern auch den zahlreichen Flüchtlingen eine Zuflucht bieten und durch Aufnahme edler Geschlechter aus dem Peloponnes in seinen Adel eine Fülle neuer Kraft gewinnen. Die stetige Anregung von außen, welche die Einwanderungen zur Folge hatten, hat wesentlich die Vielseitigkeit des attischen Geistes, seinen unermüdlichen Fortschrittstrieb, hervorgerufen, ohne doch die politische Entwickelung zu stören. An Stelle des Königtums trat allmählich die Aristokratie, die Sage von Kodros' Heldentod bezeugt diesen friedlichen Übergang. Es folgten zuerst lebenslängliche Oberhäupter (Archonten) aus dem Geschlecht der Medontiden, denen die übrigen Eupatriden beratend und kontrollierend zur Seite standen; 752 wurde die Dauer des Archontats auf zehn Jahre beschränkt, 714 auch andre Geschlechter zugelassen, seit 683 neun Archonten auf ein Jahr erwählt. Allerdings war die Herrschaft der Eupatriden eine Parteiherrschaft, und die Kluft zwischen ihnen und den andern Ständen, den Geomoren und Demiurgen, wurde immer größer. Durch Ausbeutung des harten Schuldrechts suchte der eigennützige Adel