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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

696

Griechenland (Neu-G.: Bodenbeschaffenheit).

nen. In Thessalien behauptete nur Larissa einen Schatten ehemaliger Größe; in Böotien galten Tanagra und Thespiä als nennenswerte Städte, während Theben zum unbedeutenden Flecken herabgesunken war. In Attika hatte zwar Athen mit der Freiheit auch die alte Pracht bewahrt, allein nach der Zerstörung der Befestigungswerke am Piräeus durch Sulla war die maritime Bedeutung und mit ihr die Hoffnung zu neuer Erhebung für die Stadt geschwunden. Die meisten Städte Arkadiens lagen in Trümmern; der Ort, wo Megalopolis gestanden, war eine Einöde, nur Tegea war noch einigermaßen bevölkert; in Lakonien zählte man statt der frühern 100 nur noch 30 Städte. Die Gunst, welche einzelne Kaiser den Hellenen bezeigten, konnte den völligen Verfall alter Sitte und Kraft nicht abwenden. Ein Wohlthäter Griechenlands war der Kaiser Trajan, dem auf gemeinsamen Beschluß aller Hellenen zu Olympia ein Standbild errichtet ward. Noch mehr aber gilt dies von Hadrian, welcher, wie keiner der römischen Kaiser von der Hellenen altem Glanz und Ruhm begeistert, neben dem, was er zur Belebung der Kunst und Wissenschaft beigetragen, auch manches that, um den politischen Zustand der hellenischen Staaten, namentlich Athens, das er durch großartige Neubauten verschönerte, zu verbessern. Aber unter dem Druck der römischen Provinzialverwaltung gerieten auch althellenische Wissenschaft und Kunst immer mehr in Verfall. Philosophie und Redekunst sanken zu täuschender Sophistik herab, worin man das höchste Ziel menschlicher Geistesthätigkeit sah, und verschwanden endlich völlig in den Rhetorenschulen zu Rom, Athen und Alexandria. Die bildende Kunst, obgleich von Kaisern und reichen Privatleuten sehr gepflegt, verlor durch ihre fast ausschließliche Anwendung auf die Baukunst ihren selbständigen Charakter und sank immer tiefer, je mehr der Sinn für ihre höhere Bedeutung sowie Talent und Thätigkeit der Künstler mit den äußern Mitteln zu ihrer Erhaltung verloren gingen. Mit der alten Sitte wich auch der Glaube an die alten Götter und Heroen; die Tempel und Altäre standen verlassen, die Orakel verstummten. Die Nachkommen derer, welche die unsterblichen Werke eines Äschylos, Sophokles und Euripides begeistert hatten, ergötzten sich in den Theatern zu Athen und Korinth sowie bei den Festspielen zu Olympia und auf dem Isthmos an den Grimassen römischer Possenreißer und an Tierkämpfen und blutigen Gladiatorengefechten. Zwar suchte man durch alljährliche Festlichkeiten das Andenken an glorreiche Tage und Helden der Vorzeit zu erhalten; allein Geist und Kraft der Vorfahren erwachten nimmer wieder in den entarteten Nachkommen, welche, in Trägheit und entnervenden Sinnengenuß versunken, den von Norden her andringenden Barbaren bald völlig erlagen. In den Stürmen der Völkerwanderung zerfiel vollends das schon längst morsche Gebäude hellenischer Nationalität, und selbst die Erinnerung an die untergegangene Herrlichkeit ward auf lange Zeit unter seinen Trümmern begraben. Weiteres s. unter Griechenland (Neu-G.), S. 705 f.

[Litteratur.] Die wichtigsten Quellen der griechischen Geschichte sind die historischen Werke des Herodot, Thukydides, Xenophon, Plutarch, Diodor, die Reden des Demosthenes, die geographischen Beschreibungen des Strabon und Pausanias. Von den neuern Gesamtdarstellungen der Geschichte Altgriechenlands sind hervorzuheben: Zinkeisen, Geschichte Griechenlands, Bd. 1 (Leipz. 1832); Kortüm, Geschichte Griechenlands bis zum Untergang des Achäischen Bundes (Heidelb. 1854, 3 Bde.); F. Ch. Schlosser, Universalhistorische Übersicht der Geschichte der Alten Welt (Frankf. 1826-34, 9 Bde.); G. Grote, History of Greece (5. Aufl., Lond. 1883, 12 Bde.; deutsch, 2. Aufl., Berl. 1880-83, 4 Bde.); E. Curtius, Griechische Geschichte (5. Aufl., das. 1881 ff., 3 Bde.); M. Duncker, Geschichte des Altertums, Bd. 5-9 (das. 1881-86); Busolt, Griechische Geschichte bis zur Schlacht bei Chäroneia (Gotha 1885 ff.); Holm, Griechische Geschichte (Berl. 1885 ff., 4 Bde.); Duruy, Histoire des Grecs (neue Ausg., Par. 1886, 3 Bde.). Kürzere Darstellungen sind: Jäger, Geschichte der Griechen (4. Aufl., Gütersloh 1881); Hertzberg, Geschichte von Hellas (Berl. 1879); Derselbe, Griechische Geschichte (Halle 1884); Roth-Westermayer, Griechische Geschichte (3. Aufl., Nördling. 1882); vgl. ferner: O. Müller, Geschichten hellenischer Stämme und Städte (2. Aufl., Bresl. 1844, 3 Bde.); Droysen, Geschichte des Hellenismus (2. Aufl., Gotha 1877, 3 Bde.); Hertzberg, Geschichte Griechenlands bis zum Beginn des Mittelalters (aus Ersch und Grubers Encyklopädie, Leipz. 1870); Derselbe, Geschichte Griechenlands unter der Herrschaft der Römer (Halle 1866-75, 3 Bde.); Finlay, Greece under the Romans (Lond. 1844; deutsch, Leipz. 1861).

Griechenland (Neugriechenland, offiziell Hellas genannt, hierzu die Karte "Griechenland"), Königreich im SO. Europas, 1832 gegründet, 14. Nov. 1863 um die bis dahin einen besondern Freistaat unter englischem Schutz bildenden Ionischen Inseln und durch die Berliner Konferenz (Juni 1880) um Thessalien und ein Stück von Epirus vergrößert, liegt (mit Einrechnung der Inseln) zwischen 35° 50' und 39° 54' nördl. Br. sowie 19° 20' und 26° 10' östl. L. v. Gr. und hängt nur im N. mit der Türkei (Albanien und Makedonien) zusammen, während es auf den übrigen drei Seiten vom Meer umgeben ist, im O. vom Archipelagus, im S. vom Mittelmeer, im W. vom Ionischen Meer. Das Land besteht aus drei Hauptteilen: Nordgriechenland (umfassend Thessalien und Mittelgriechenland, unter türkischer Herrschaft Livadien genannt), die Halbinsel Morea (Peloponnes) u. die Inseln.

Übersicht des Inhalts:

Bodenbeschaffenheit S. 696

Bewässerung 698

Klima 698

Areal und Bevölkerung 699

Religion 699

Bildung, Charakter und Lebensweise 700

Bodenkultur 701

Tierwelt 702

Bergbau, Industrie 702

Handel und Verkehr 703

Staatsverfassung und Verwaltung 704

Heer und Flotte 704

Wappen, Flagge, Orden 705

Geschichte 705

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Bodenbeschaffenheit, Bewässerung, Klima.

Was die Bodenbeschaffenheit und die geognostischen Verhältnisse anlangt, so bestimmen vornehmlich zwei Hauptgebirgsrichtungen die Gestaltung sowohl des Festlandes und Moreas als der Inseln. Die eine bedeutendste Richtung ist die des vorwiegend aus Kreidekalken bestehenden Pindos, von NNW. nach SSO., welche nicht allein in Nordgriechenland, sondern selbst im äußersten Süden, in der Bildung der beiden peloponnesischen Halbinseln, der Maina und der von Monemvasia, zur Erscheinung kommt. Der zweiten Richtung, der des Olympos, von NW. nach SO., gehören mehrere parallele Ketten an, die von Attika, die von Euböa, die Nordküste Moreas von Argolis bis Patras und die Inselreihen der Kykladen. Eine dritte Richtung wird durch die Verbindungsstränge zwischen den beiden vorigen, durch das thessalische Grenzgebirge, den Othrys, von W. nach O., und durch den hohen Kalkstock des