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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

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Griechenland (Neu-G.: Handel und Verkehr; Münzen, Maße etc.).

Piräeus, Syra und Patras; Konfitüren von Athen wie von allen größern Städten. Allein bei allem Vorwärtsstreben ist G. in Bezug auf Industrie noch immer vom Ausland abhängig. Dagegen hat sich unter allen kriegerischen Unruhen der Schiffbau behauptet und eine große Ausbildung erlangt. Die Hauptwerften sind auf Paros, Hydra, Syra und in Galaxidi am Golf von Lepanto. Jährlich werden etwa 200 Fahrzeuge (darunter nicht selten Schiffe von 150-300 Ton. Gehalt) vom Stapel gelassen.

[Handel und Verkehr.] Das wahre Lebenselement für G. ist der Handel, zu welchem es durch seine günstige Lage und Küstenentwickelung schon von Natur im hohen Grad berufen erscheint. Derselbe dürfte an Umfang gewinnen, wenn der 1882 begonnene Durchstich des Isthmus von Korinth beendet sein wird, was man für das Jahr 1890 erwartet. Von dem Kanal, welcher bei einer Länge von 6,2 km eine Tiefe von 8 m (unter der Wasserlinie) und eine Breite von 22 m besitzen wird, ist jedoch erst ein Viertel vollendet. Durch den mangelhaften Zustand seiner Industrie und seines Ackerbaues gezwungen, eine Menge von Artikeln sowie Getreide vom Ausland zu beziehen, gibt G. diesem dafür seine reichen Ernten an Wein, Korinthen, Feigen, Zitronen etc. ab, und dieser Tausch nährt den lebhaftesten auswärtigen Handel. In den Handelsstädten der Türkei, Italiens, Österreichs, Rußlands, Frankreichs, Englands, Kleinasiens und Ägyptens sind griechische Kaufleute angesiedelt, die daselbst ansehnliche Geschäfte betreiben. Unter den Haupthandelsplätzen Griechenlands sind als Einfuhrhäfen hervorzuheben: Hermupolis (teils für den Verbrauch der umliegenden Inseln, teils zur Wiederausfuhr nach der Türkei, Kleinasien und Kandia), Piräeus, der Hafen Athens (zur Versorgung dieser Hauptstadt, des nördlichen Teils von Livadien und eines Teils von Morea), und Patras (teils für den Absatz in Westgriechenland, teils zur Wiederausfuhr nach den Ionischen Inseln, der Türkei); als Ausfuhrhäfen: Patras, Kalamata, Nauplia, Korfu, Katakolo. Die Handelsflotte Griechenlands hat seit dem Befreiungskrieg einen wunderbaren Aufschwung genommen und ist vorzugsweise im Besitz der Inseln. 1882 zählte die griechische Handelsmarine 3224 Seeschiffe (langer Fahrt) von 250,143 Ton. Tragfähigkeit und 28,000 Mann Bemannung, darunter 60 Dampfer von 30,782 T. Die Schiffahrtsbewegung, die sich in den Häfen von Korfu, Hermupolis, Piräeus (Athen) und Patras am lebhaftesten gestaltete, ergab 1883: 6872 einlaufende Seeschiffe von 2,061,682 T. und 4874 auslaufende von 1,991,865 T. Am stärksten beteiligt sind dabei England, dann Österreich (seit 1882), Frankreich, Rußland, Türkei und Italien. Was den Handel anlangt, so liegen folgende Angaben für die Jahre 1881 und 1882 vor. Die Einfuhr, deren wichtigste Gegenstände Getreide und Mehl, Gewebe, Holz, Zucker, Felle, Eingemachtes und Kaviar, Metalle, Getränke und Spirituosen, Kohle etc. sind, betrug 1881: 130,667,908 alte Drachmen (à 72,5 Pf.), 1882: 160,173,491 alte Drachmen; die Ausfuhr (Hauptartikel: Korinthen, Metalle, Olivenöl, Feigen, Weine, Knoppern, Felle, Tabak, Schwämme, Blei, Garn und Seife) 1881: 78,524,839 alte Drachmen, 1882: 85,780,116 alte Drachmen. Näheres ergibt sich aus der folgenden Tabelle; darin erscheint der Handel mit Deutschland unbedeutend, doch soll die deutsche Einfuhr nach G. in den letzten Jahren auf 8-9 Mill. Mk. gestiegen sein. Die griechische Statistik bezeichnet aber sämtliche über Triest eingeführte Waren, wovon etwa ein Drittel deutschen Ursprungs ist, als österreichische.

Einfuhr 1881 1882 Ausfuhr 1881 1882

Großbritannien 37344295 45082656 41082032 39098563

Österreich 22180832 34131726 6490553 7823748

Rußland 23839105 24669364 1993983 1530347

Türkei 21071207 22722130 3173445 5040876

Frankreich 14753564 20416112 12937878 23323426

Italien 6317923 6866778 3209307 1340365

Deutschland - 30013 2384318 1408650

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Mit geringern Beträgen sind ferner Ägypten, Amerika, Belgien, die Donaustaaten, Niederlande, Rumänien etc. beteiligt.

Für den Seeverkehr ist durch ein wohl eingerichtetes Lotsenwesen und Leuchtfeuersystem gut gesorgt. Regelmäßige Dampfschiffahrten werden von drei griechischen Dampfschiffahrtsgesellschaften nach den Inseln und längs der Küsten sowie von österreichischen Lloyd-, italienischen, niederländischen, französischen (zwei Gesellschaften) und ägyptischen Dampfern nach dem Ausland unterhalten. An Fahrstraßen leidet dagegen G. noch großen Mangel. Noch vor wenigen Jahren waren die Straße von Athen nach Theben und die 20 km lange von Lerna nach Tripolitsa die beiden einzigen fahrbaren Straßen im Land. 1883 und 1884 sind 430 km neue Straßen gebaut worden, darunter 270 km Hauptstraßen von einer französischen Gesellschaft. Auf dem Gebiet des Eisenbahnbaues herrscht jetzt große Rührigkeit. Vor 1883 gab es nur 21 km (Athen-Piräeus und Katakolo-Pyrgos); seitdem aber folgten Athen-Kephisia, Athen-Laurion, Athen-Korinth (weiter über Patras bis Pyrgos im Bau), Volos-Larissa und Velestinos-Pharsalos. Projektiert ist eine Bahn von Athen bis Salonichi. Die Telegraphenlinien hatten 1884 eine Länge von 5104, die Drähte von 6293 km; es bestanden 149 Büreaus. Im Sommer 1884 wurden sämtliche Inseln durch Kabel miteinander und mit dem übrigen griechischen Telegraphennetz verbunden. Nach dem Ausland gibt es fünf verschiedene Linien. Postbüreaus gab es 1883: 212, welche 5 Mill. Briefe u. Postkarten, 3,4 Mill. Drucksachen und Zeitungen beförderten. Zur Beförderung des Handels und Verkehrs dienen außerdem Handels- u. Schiffahrtsverträge mit den meisten Staaten Europas, 10 Handelskammern nebst dem General-Handelskomitee in Athen, vorzugsweise aber die 1842 ins Leben getretene Nationalbank zu Athen und die Ionische Bank (früher in Korfu, seit 1864 ebenfalls in Athen), die beide das alleinige Recht der Notenemission im Staat haben. Im ganzen gab es 1875 in G. 10 Versicherungen, 16 industrielle, 18 metallurgische, 5 Kreditgesellschaften, zusammen mit einem nominellen Kapital von 134 Mill. Drachmen (davon emittiert 74 Mill.). Die gesetzliche Münze ist die Drachme; die alte Drachme galt 0,725 Mk. = 88 Cent., geteilt in 100 Lepta; 28 Drachmen = 1 Pfd. Sterl. 1883 ist die neue Drachme = 0,80 Mk. eingeführt, so daß 100 neue Drachmen = 112 alten Drachmen sind. Seit 1. Jan. 1871 ist in G., welches 1868 der sogen. lateinischen Münzkonvention beitrat, die französische Münzwährung eingeführt, wobei nur Silber als Scheidemünze dient; die Benennungen Drachme und Lepta bleiben für Frank und Centime. Ein Gesetz von 1836 verfügte die Einführung des französischen metrischen Maß- und Gewichtssystems mit Beibehaltung der vorher üblichen Benennungen unter dem Zusatz "königliche". Längenmaß ist danach die (königliche) Piki = 10 Palmen (à 10 Zoll à 10 Linien) = 1 m (früher = ¾ m); Wegmaß das Stadion - 1000 Piki = 1 km (das alte Stadion = 184,2 m); Getreidemaß das