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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Grimm

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Grimm.

men, um sich seiner Hilfe bei litterarischen Arbeiten zu bedienen. Im September 1805 nach Kassel, dem Wohnort seiner Mutter, zurückgekehrt, erlangte er hier mit vieler Mühe den Posten eines Accessisten beim Sekretariat des Kriegskollegiums, nahm aber noch vor Ablauf eines Jahrs seine Entlassung. Durch Johannes v. Müller dem damaligen Kabinettssekretär des Königs von Westfalen empfohlen, erhielt er im Juli 1808 eine Anstellung als Bibliothekar des Königs und ward im Februar 1809 außerdem zum Auditor im Staatsrat ernannt. Die viele Muße, die ihm die amtlichen Geschäfte ließen, verwendete er auf das Studium der altdeutschen Poesie u. Sprache. Die ersten Resultate seines Fleißes legte er in der Schrift "Über den altdeutschen Meistergesang" (Götting. 1811) nieder, welcher bald der 1. Band der allbekannten, unmittelbar aus dem Volksmund geschöpften "Kinder- und Hausmärchen" (Berl. 1812) folgte. Das letztere Werk, von dem der 2. Band 1815 und der dritte, die Märchenlitteratur enthaltend, 1822 erschien (3. Aufl. 1856), während vom ersten und zweiten neue Ausgaben (20. Aufl. 1885) und vom Ganzen eine kleinere Ausgabe (welche fortwährend in neuen Auflagen erscheint) nötig wurden, fand sofort den ungeteiltesten Beifall. Im folgenden Jahr gab G. die "Altdeutschen Wälder" (Kassel 1813-16, 3 Bde.) heraus, denen "Die beiden ältesten deutschen Gedichte, das Lied von Hildebrand und Hadubrand und das Weißenbrunner Gebet" (das. 1812) vorhergegangen waren. Mit Ausnahme der Schrift über den Meistergesang hatte G. die übrigen in Verbindung mit seinem Bruder Wilhelm bearbeitet und herausgegeben. Beim Einpacken der reichhaltigen königlichen Bibliothek zu Kassel behufs deren Versendung nach Paris mitbeschäftigt, wußte G. manche wertvolle Handschrift als unwichtig darzustellen und zurückzuhalten. Nach der Rückkehr des Kurfürsten wurde G. zum Legationssekretär des hessischen Gesandten Grafen Keller ernannt und begab sich mit diesem ins Hauptquartier der Alliierten. In Paris war er Mitglied der Kommission, welche die entführten litterarischen Schätze zurückforderte. Im Sommer 1814 nach Kassel zurückgekehrt ging er alsbald zum Kongreß nach Wien, wo er bis Juni 1815 blieb. Um jene Zeit begann er sich mit den slawischen Sprachen bekannt zu machen, deren Studium er später, bei mehr Muße, wieder aufnahm. Eine Frucht dieser Beschäftigung war, wenn wir von den anderweitigen Ergebnissen für die allgemeine linguistische Vergleichung absehen, "Wuk Stephanowitsch' Kleine serbische Grammatik, verdeutscht mit einer Vorrede" (Leipz. 1824). Von Kassel aus, wohin er sich nach Erledigung seiner Wiener Aufträge begeben hatte, mußte er auf Requisition der preußischen Regierung wieder nach Paris eilen, um dort die aus verschiedenen Gegenden Preußens geraubten Handschriften zu ermitteln und zurückzuverlangen. Diese Aufträge brachten ihn mit dem preußischen Geheimen Kammergerichtsrat Eichhorn, dem spätern Unterrichtsminister, zusammen, mit dem er ein dauerndes freundschaftliches Verhältnis anknüpfte. Gegen Ende 1815 nach Kassel zurückgekehrt, ward er 16. April 1816 zweiter Bibliothekar an der Bibliothek in Kassel, an der sein Bruder Wilhelm das Jahr vorher Sekretär geworden war. Schon 1815 hatte er zu Wien "Irmenstraße und Irmensäule" und "Silva de romances viejos" und zu Berlin gemeinschaftlich mit seinem Bruder Wilhelm "Der arme Heinrich von Hartmann von Aue" und "Lieder der alten Edda" (neue Ausgabe der deutschen Übersetzung von Hoffory, Berl. 1885) erscheinen lassen. Nach ihrer Anstellung an der Bibliothek veröffentlichten die Brüder gemeinschaftlich: "Deutsche Sagen" (Berl. 1816-18, 2 Bde.; 2. Aufl. 1866) und "Irische Elfenmärchen" (Leipz. 1826), eine Übersetzung von Crofton Crokers "Fairy legends and traditions of the South of Ireland", der sie eine treffliche Einleitung vorausschickten. Zwei der wichtigsten Arbeiten Grimms, die in der deutschen Altertumswissenschaft Epoche machen, fallen in diese Zeit des Aufenthalts zu Kassel: "Die deutsche Grammatik" (Götting. 1819, Bd. 1, 2. Aufl. 1822, 3. Aufl. 1840; Bd. 2-4, 1826-37, 2. Abdruck 1853; vermehrte Ausgabe des 1. Bds. durch W. Scherer nach Grimms Handexemplar, Berl. 1870; des 2. Bds., 1875 bis 1878) und "Deutsche Rechtsaltertümer" (Götting. 1828; 3. Aufl., das. 1881). In seiner "Deutschen Grammatik" hat G. den ersten wesentlichen Schritt zur Begründung tieferer Erkenntnis des deutschen Altertums gethan. Die Grammatik erscheint in diesem Werk nicht mehr als trockne Schematisierung; G. wußte "ein historisches Leben mit allem Fluß freudiger Entwickelung in sie zu zaubern" und hat dadurch zu dem Bau unsrer nationalen Philologie einen neuen Grund gelegt. Was die "Rechtsaltertümer" für das innigere Verständnis des ältesten Rechtslebens sind, das leistete für die Religion der Altdeutschen Grimms "Deutsche Mythologie" (Götting. 1835, 3. Aufl. 1854; 4. Aufl. durch E. H. Meyer, Berl. 1875-78), ein Werk von nicht minder großer Tragweite für die germanistische Wissenschaft. Da nach dem 1829 erfolgten Tod Völkels, des Oberbibliothekars, die Gebrüder G. ihren Anspruch auf Beförderung nicht berücksichtigt sahen, folgten sie in demselben Jahr einem Ruf nach Göttingen, und zwar Jakob als ordentlicher Professor und Bibliothekar und Wilhelm als Unterbibliothekar. Hier wurde die "Deutsche Grammatik" vollendet und die schon erwähnte "Mythologie" ausgearbeitet. In jene Zeit fallen auch Grimms kleinere Werke: "Hymnorum veteris ecclesiae XXVI interpretatio theotisca" (Götting. 1830), "Die angelsächsischen Dichtungen Andreas und Elene" (Kassel 1840); von größern Arbeiten noch "Reinhart Fuchs" (1834), worin G. nebeneinander den mittelhochdeutschen Reinhart, den niederländischen Reinaert und andre deutsche und lateinische Gedichte der mittelalterlichen Tierfabel veröffentlichte und mit umfassenden Untersuchungen über die Tiersage begleitete. Da G. mit seinem Bruder Wilhelm die bekannte Protestation der Göttinger Sieben gegen die Aufhebung des hannöverschen Staatsgrundgesetzes von 1833 unterschrieb, wurden beide Ende 1837 ihres Amtes entsetzt und begaben sich zurück nach Kassel (vgl. Jakob G., Über meine Entlassung, Basel 1838). Im J. 1840 zu ordentlichen Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften zu Berlin mit dem Recht, Vorlesungen an der Universität zu halten, ernannt, eröffnete Jakob 30. April 1841 seine Vorlesungen über Altertümer des deutschen Rechts. Er war Vorsitzender der Germanistenversammlungen zu Frankfurt (1846) und Lübeck (1847) und saß 1848 kurze Zeit in der Nationalversammlung zu Frankfurt, tagte auch 1849 mit zu Gotha. Im J. 1828 erschien seine "Geschichte der deutschen Sprache" (Leipz., 2 Bde.; 4. Aufl., das. 1880). Schon früher hatte er im Anschluß an seine "Rechtsaltertümer" eine Sammlung deutscher "Weistümer" (Götting. 1840-63, 4 Bde.) unternommen, von denen nach seinem Tod noch 2 Bände (das. 1867-70, Registerband 1878) erschienen. Viele besondere Untersuchungen legte G. in Haupts "Zeitschrift für deutsches Altertum", in Pfeiffers "Ger-^[folgende Seite]