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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Geschichte: Eduard III., Richard II.).

schottische Hilfe eintraf, bei Boroughbridge gefangen und enthauptet. Nun wurden die Festsetzungen der Ordainers widerrufen und bestimmt, daß in Zukunft in allen Kron- und Staatsangelegenheiten nur das Gesetzeskraft haben sollte, was der König selbst mit Zustimmung der zum Parlament versammelten geistlichen und weltlichen Stände des Landes verfügen würde. Man hat mit Recht gesagt, daß dies Statut vom 23. Mai 1322 in der Verfassungsgeschichte von G. eine hervorragende Stelle einnimmt, da in ihm zuerst der Gedanke der parlamentarischen Regierung deutlich zu Tage tritt. Auch mit Schottland wurde 1323 ein neuer Waffenstillstand auf 13 Jahre geschlossen. Aber der König kam dadurch nicht zur Ruhe. Seine eigne Gemahlin Isabella, Schwester Karls IV. von Frankreich, verließ ihn, um sich zu Paris mit ihrem Liebhaber und Günstling, Lord Mortimer, zu vereinigen, die Barone der Lancasterschen Partei verbanden sich mit ihr, als sie nach England zurückkehrte; die d'Espencers wurden hingerichtet, Eduard selbst gefangen, zur Abdankung genötigt und im Gefängnis zu Berkeley ermordet.

Eduard III. und der Untergang der Plantagenets.

Eduard III. (1327-77), sein Sohn und Nachfolger, ließ sich anfangs von Isabella und Mortimer beeinflussen, befreite sich aber 1330 von beiden, indem er letztern durch das Parlament zum Tod, erstere zu ewiger Haft verurteilen ließ. Unter ihm ward Schottland, wo dem Sohn des 1329 gestorbenen Robert Bruce, David, der Sohn John Baliols, Eduard, die Krone streitig machte, durch die Schlacht von Halidon 19. Juli 1333 genötigt, die englische Oberhoheit wieder anzuerkennen, und ein Versuch, die Unabhängigkeit wiederzugewinnen, scheiterte 1346 durch die Schlacht bei Neville's Croß. Nachdem 1328 die gerade Linie der Kapetinger in Frankreich mit Karl IV. ausgestorben war, erhob Eduard III. Erbansprüche auf Grund des Rechts seiner Mutter Isabella und machte Philipp VI. von Valois seit 1338 die Krone streitig. Er hatte anfangs glänzenden Erfolg: Philipp erlitt bei Crécy 26.-27. Juli 1346 eine entscheidende Niederlage, welche die Eroberung von Calais durch die Engländer zur Folge hatte; ja, des Königs berühmter Sohn Eduard (der Schwarze Prinz) führte nach dem ebenso glänzenden Sieg bei Poitiers 19. Sept. 1356 sogar Philipps VI. Nachfolger, den König Johann II., gefangen im Triumph nach London, und der Friede zu Bretigny (8. Mai 1360), durch den Eduard zwar seine Ansprüche auf die französische Krone aufgab, dagegen außer Calais und Guines auch Poitou, Guienne und Gascogne erhielt, schien die Macht der englischen Könige in Frankreich neu begründet zu haben. Doch verlor Eduard allmählich wieder nicht nur seine Eroberungen, sondern selbst das französische Erbe seiner Väter bis auf die Hafenstädte Guines und Calais. Unter Eduard III. griff die Bewegung gegen die Besteuerung des Landes zu gunsten des päpstlichen Stuhls sowie gegen andre Übergriffe der Hierarchie, namentlich durch Johann Wiclefs kühnes Auftreten, immer weiter um sich. Durch Verbindungen mit den Hansestädten sowie mit flandrischen und lombardischen Kaufleuten, Förderung der Schifffahrt und des Bergbaues legte Eduard den Grund zum spätern Aufschwung des Handels und der Seemacht Englands. Vor allem wichtig war aber seine Regierung für die Entwickelung des Parlamentarismus. In seinen ersten Jahren berieten die vier Stände des Parlaments, Prälaten, Lords, Ritter, Gemeine, in vier getrennten Versammlungen; allmählich traten aber die beiden ersten zu einem obern, die beiden letztern zu einem untern Haus (Haus der Gemeinen) zusammen. Das Recht des Parlaments in Bezug auf Steuerbewilligung und Gesetzgebung wurde anerkannt; mit seiner Zustimmung ward die Unterwerfung Englands unter den Papst durch König Johann für nichtig erklärt. Unter Eduard III. machte es 1376 auch den ersten Versuch einer Anklage (Impeachment) gegen Lord Latimer u. a.

Eduard starb 21. Juni 1377. Ihm folgte sein Enkel, der Sohn des Schwarzen Prinzen, Richard II. (1377-1399). Seine drei Vatersbrüder, Johann von Gaunt, Herzog von Lancaster, Edmund, Graf von Cambridge (nachmals Herzog von York), und Thomas von Woodstock (später Herzog von Gloucester), huldigten ihm; eine Regentschaft von 17 Personen wurde vom Parlament ernannt. Die ersten Jahre der Minderjährigkeit Richards verflossen unter Kriegen mit Frankreich und Schottland. Die Geldverlegenheit der Regierung zwang dieselbe, dem Haus der Gemeinen immer größern Einfluß einzuräumen und demselben über den Staatshaushalt Rechnung zu legen. Die Umlage einer Kopfsteuer rief 1381 einen Aufruhr der niedern Schichten der Bevölkerung unter Wat-Tyler (s. d.) hervor. Ein nach vielen Tausenden zählendes Heer von Unzufriedenen zog sich in Essex und Kent zusammen, rückte nach London, verübte hier viele Gewaltthaten, ward aber endlich durch den Mut des Königs und die Tapferkeit der Londoner zerstreut. Da sich Richard II. mit seinen Oheimen entzweite, traten diese an der Spitze des Parlaments als seine eifrigsten Gegner auf, so daß er, um die zu einem Kriege gegen Schottland, in das er 1385 einfiel, sowie zu Rüstungen gegen Frankreich nötigen Subsidien zu erlangen, ihnen unter anderm auch die Verbannung seiner Günstlinge zugestehen mußte. Doch war der König keineswegs gewillt, die Bevormundung durch seine Oheime dauernd zu ertragen. Nachdem er mit Frankreich 1396 einen 15jährigen Waffenstillstand geschlossen und sich im Innern zahlreiche Freunde verschafft hatte, führte er vielmehr 1397 einen unerwarteten Handstreich aus, ließ seine Hauptgegner gefangen nehmen, den Erzbischof Thomas Arundel von Canterbury und dessen Brüder, die Grafen von Arundel u. Warwick, sowie den Herzog von Gloucester wegen Hochverrats verurteilen, erstere teils verbannen, teils hinrichten, letztern nach Calais ins Gefängnis schicken, wo derselbe ermordet wurde. Richard war nun im Vollbesitz der Macht, ließ die ihm früher aufgedrungenen Statuten durch das Parlament zurücknehmen und sich ansehnliche Geldbewilligungen auf Lebenszeit machen, ja sogar in durchaus verfassungswidriger Weise einen Ausschuß, bestehend aus 12 Lords und 6 Gemeinen, mit fast unbeschränkten Vollmachten niedersetzen, so daß er für die Folge der Notwendigkeit, ein volles Parlament einzuberufen, ganz überhoben zu sein glaubte. Als er aber 1399 nach dem Tode des Herzogs von Lancaster die großen Güter desselben einzog, unternahm dessen Sohn und Erbe, der Herzog Heinrich von Hereford, der als Verbannter in Paris lebte, während Richard auf einem Feldzug gegen einige aufrührerische irische Fürsten begriffen war, in Verbindung mit den Grafen von Westmoreland, Northumberland u. a. eine Landung in Yorkshire. Auch der Regent des Reichs, der Herzog von York, schlug sich zu seiner Partei. Zu einer Zusammenkunft mit Hereford eingeladen, ward Richard auf dem Weg dahin überfallen und nach London gebracht. Hier zwang man ihn erst zur Abdankung und ließ ihn darauf durch das Parlament absetzen (1399). Die 35 Anklageartikel gegen ihn bezogen sich beson-^[folgende Seite]