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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Geschichte: Anna, Georg I.).

liste des Königs von den andern Staatsausgaben ward ein Anfang gemacht; auch ward eine Nationalbank gegründet, an welche sich das allmähliche Aufsteigen von G. zur ersten Geldmacht Europas knüpfte. Auch die Erneuerung und das Aufblühen der Ostindischen Kompanie fällt in die Regierung Wilhelms III. Als die Whigs die Unabhängigkeit des Königs zu beeinträchtigen suchten, wendete sich dieser den Tories zu, die in größerer königlicher Macht eine Stütze ihrer eignen Herrschaft sahen, aber in dem unter dem Einfluß der Revolution gewählten Unterhaus weniger einflußreich waren. In der auswärtigen Politik war der Hauptgesichtspunkt Wilhelms III. der Kampf gegen Frankreich und die Aufrechthaltung des von Ludwig XIV. gefährdeten europäischen Gleichgewichts, er war die Seele der großen Koalition, zu der halb Europa gehörte, und die 1689 den Krieg gegen Frankreich aufnahm. Eine natürliche Folge davon war: daß Ludwig XIV. die Versuche Jakobs II., seinen Thron wieder zu erobern, unterstützte. Derselbe landete 12. März 1689 mit 5000 Franzosen in Irland und unterwarf in kurzer Zeit die ganze Insel; nur wenige Plätze, darunter Londonderry, widerstanden. Indessen wurde Jakob, als Wilhelm nach Irland eilte, schon im Juli 1690 am Boynefluß vollständig geschlagen und floh nach Frankreich, und nach der Eroberung von Cork und Kinsale durch Marlborough und dem Sieg des Generals Ginkel bei Agrim (1. Juli 1691) war die Unterwerfung Irlands vollendet. Wilhelm III. konnte nun den Kampf gegen Frankreich beginnen. Wiewohl er 1691 bei Steenkerken und 1693 bei Neerwinden unglücklich war, schloß doch das durch den Krieg erschöpfte Frankreich 1697 den Frieden zu Ryswyk, in welchem Ludwig XIV. Wilhelm als König anerkannte. Als aber Ludwig nichtsdestoweniger nach Jakobs II. Tod (1701) dessen Sohn, den Prätendenten Jakob III., als König von G. anerkannte, gewährte das Parlament Wilhelm bei dem Kampf um die spanische Erbfolge bereitwillig die zur Aufstellung von 45,000 Mann gegen Frankreich erforderlichen Mittel. Wilhelm starb kurz nach dem Ausbruch des Kriegs, 8. März 1702. Die Königin Maria war ihm schon 1695 vorangegangen.

Unter Wilhelms III. Schwägerin und Nachfolgerin Anna (1702-14) kam 6. Mai 1707 die Union zwischen England und Schottland zu stande, wodurch beide Länder unter dem Namen G. zu Einem Königreich mit gemeinsamer protestantischer Thronfolge und einem gemeinsamen Parlament sowie mit gleichen Rechten und gleichen Abgaben vereinigt wurden, während Schottland seine bürgerlichen Gesetze, seine Gerichtshöfe und seine besondere Kirchenverfassung behielt. In der ersten Periode der Regierung der Königin Anna hatten die Whigs und vor allen ihr glänzendster Führer, der als Staatsmann wie als Feldherr gleich ausgezeichnete Herzog von Marlborough (s. d.), die Staatsleitung in Händen. Unter seiner Führung vollbrachten die englischen Heere im spanischen Erbfolgekrieg glänzende Waffenthaten, und die Schlachten von Höchstädt-Blenheim (1704), Ramillies (1706), Oudenaarde (1708) und Malplaquet (1709) gehören zu den glorreichsten Siegen, deren sich die englische Armee zu rühmen hat. Da trat 1710 ein Umschwung der Dinge ein, an dem kleinliche Hofintrigen und frauenzimmerhafte Zerwürfnisse zwischen der Königin und der Gemahlin des Herzogs, Lady Sara Marlborough, einen Teil der Schuld trugen; der bisher allmächtige Oberbefehlshaber der Armee fiel in Ungnade. Als nun in demselben Jahr vollzogene Neuwahlen eine entschieden toryistische Mehrheit ergaben, wurde das Ministerium gestürzt und machte einer Toryregierung unter Bolingbroke Platz, die im Winter 1712, um sich gegen das Oberhaus zu behaupten, zum erstenmal zu einem sogen. Peersschub schritt, indem zwölf Lords auf einmal ernannt wurden. In dem Frieden, der 1713 in Utrecht zu stande kam, erhielt G. von Frankreich die Hudsonbai, Neuschottland, Neufundland und die Anerkennung der protestantischen Thronfolge, von Spanien die Festung Gibraltar, die Insel Menorca und das ausschließliche Recht, jährlich 4800 Negersklaven nach dem spanischen Indien einzuführen (s. Assiento). Dagegen erkannte G. die Ansprüche der Bourbonen auf den spanischen Thron und Philipp V. als Inhaber desselben an, zumal derselbe auf die Erbfolge in Frankreich für sich und seine Erben für immer Verzicht leistete.

Großbritannien unter den ersten Königen aus dem Haus Hannover. Die Begründung des parlamentarischen Königtums.

Nach Annas Tod (1. Aug. 1714) fiel die Krone kraft der protestantischen Successionsakte von 1701 an den Kurfürsten von Hannover, Georg I. (1714-1727), einen Enkel der unglücklichen Pfalzgräfin und Böhmenkönigin Elisabeth, der Tochter Jakobs I. Er berief sofort die Whigs wieder in das Kabinett und gab Marlborough das Kommando der Truppen zurück, während die Mitglieder des vorigen Ministeriums in Anklagezustand versetzt wurden. Bolingbroke floh nach Frankreich, verband sich mit dem Prätendenten Jakob III. und munterte denselben zu einem Versuch auf, sich wenigstens die Krone von Schottland zu erwerben. Kaum aber war die Nachricht von seinen Rüstungen nach G. gelangt, so ergriff die Regierung energische Gegenmaßregeln; Truppen wurden aufgeboten, die Habeaskorpusakte suspendiert, ein Preis von 100,000 Pfd. Sterl. auf den Kopf des Prätendenten gesetzt, und so kam es, daß, noch ehe derselbe an der schottischen Küste landete, sein Anhang schon zerstreut war. Auch alle spätern Erhebungsversuche der Jakobiten, die zum Teil mit auswärtiger Unterstützung geplant und ausgeführt wurden (1717 und 1719), scheiterten, ohne der Regierung ernstliche Gefahr zu bereiten. Da sich das Parlament bei der Unterdrückung des Aufstandes sehr thätig bewiesen hatte, so wurde durch die Septennial bill (1715) die Dauer seines Mandats (wie aller zukünftigen Parlamente) von drei auf sieben Jahre verlängert. Handel und Gewerbe hoben sich unter Georgs friedlicher Regierung sehr rasch; aber in gleichem Maß wuchs auch die Sucht, schnell reich zu werden. Eine Frucht dieses Strebens war die berüchtigte Südseekompanie (1719), die der Regierung Vorschüsse im Betrag von fast 12 Mill. Pfd. Sterl. machte, und deren Direktor Blount in England einen ähnlichen Spekulationsschwindel hervorrief wie Law in Frankreich; im Spätherbst 1720 brach infolgedessen eine furchtbare Krisis aus, es zeigte sich, daß die Jobberei bis in die vornehmsten Kreise hinein Beteiligung gefunden hatte; Zeitgenossen versichern, England habe durch den Aktienschwindel mehr gelitten, als es durch einen Krieg von zehn Jahren hätte leiden können. Um die Staatsschuld, die jetzt schon über 50 Mill. Pfd. Sterl. betrug, nach und nach abzutragen, wurde durch die Herabsetzung des Zinsfußes von 5 auf 4 Proz. ein Tilgungsfonds gebildet, der zwar wesentlich dazu beigetragen hat, das Anleihewesen zu ordnen und den öffentlichen Kredit zu sichern, aber nicht immer seiner ursprünglichen Bestimmung gemäß verwendet worden ist.