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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Guayana

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Guayana (Französisch-G.; Geschichte).

[Französisch-Guayana.] Das französische G. (auch Cayenne genannt, nach der Küsteninsel dieses Namens) erstreckt sich vom Maroni bis zum Oyapok, dem Grenzfluß gegen Brasilien, u. hat einen Flächengehalt von 85,960 qkm (1561 QM.). Ein Gebiet von etwa 35,000 qkm (635 QM.) ist noch streitig. Genauer bekannt ist von diesem Gebiet nur der 500 km lange Küstenstrich, auf dem sich jedoch in wirklicher Kultur nur 33 qkm befinden. Die Küste ist durchgängig ebenso flach und sumpfig wie im übrigen G., unterscheidet sich aber dadurch, daß an ihr einige höhere Punkte (wie Montagne d'Argent an der Oyapokmündung) sowie mehrere Inseln und Gruppen von Eilanden und Felsenriffen vorkommen. Auch das Innere der Kolonie durchzieht eine Kette granitischer Berge in der Richtung von W. nach O., welche jedoch die Höhe von 600 m nicht übersteigen. Die Bevölkerung, in langsamer, aber stetiger Abnahme begriffen, betrug 1882: 24,656 Seelen, zusammengesetzt aus 16,532 Ansässigen, 2300 Indianern, 1082 Soldaten, 232 Beamten, 115 Priestern und Nonnen, 3095 meist ostindischen Kulis und 1300 aus den Gefängnissen entlassenen Deportierten. Im J. 1880 kamen auf 456 Geburten 870 Todesfälle. Die Hauptbeschäftigung derselben bildet ebenfalls der Ackerbau, und es werden außer den früher aufgeführten Kulturpflanzen noch einige ostindische Gewürzpflanzen (z. B. der Gewürznelkenbaum) und der einheimische Orlean (Roucou) angebaut. Der Kaffee von Cayenne ist geschätzt, steht aber dem der Antillen nach; die Baumwolle ist gut. Durch die 1848 plötzlich ausgeführte Emanzipation der Sklaven (deren Zahl damals 12,631 betrug) erlitt die Kultur des Bodens auch hier eine empfindliche Einbuße. Die Zahl der kultivierten Hektare sank fast auf die Hälfte herab. Der Anbau von Zuckerrohr, Baumwolle und Gewürznelken hat fast ganz aufgehört. In Kultur waren Ende 1859: 4333 Hektar, 1870: 4620, 1882: 3304 Hektar, davon 2070 für Lebensmittel, 420 für Orlean, 414 für Kaffee, 244 für Kakao, 15 für Zuckerrohr etc. Die Viehzucht ist unbedeutend (1882: 5550 Rinder). Im J. 1882 liefen 63 Schiffe ein. Die Einfuhr betrug 7,969,798 Frank, die Ausfuhr nur 566,132 Fr. (1847: 3,088,160 Fr.), außerdem aber noch für 4,620,887 Fr. Gold. Die Kolonie wird von einem Gouverneur, der zu Cayenne seinen Sitz hat, regiert und ist in 14 Kommunen eingeteilt, die sich auf 2 Kantone verteilen. Außer dem Gouverneur gibt es noch einen Militärbefehlshaber und Generalpolizeiaufseher. Die Einnahmen der Kolonie beliefen sich 1884 auf 2,123,000 Fr. Als Deportationsort ist Französisch-G. seit 1852 berüchtigt; jetzt dient es indes nur für afrikanische Verbrecher. Die Hauptstadt ist Cayenne.

Der Anteil Venezuelas an G. besteht aus dem Staat Bolivar, dem Territorium Yuruari und Teilen von Alto Orinoco und Amazonas und hat einen Flächeninhalt von etwa 600,000 qkm (10,900 QM.). Das Gebiet ist von den ausgedehntesten Urwäldern und von weiten Ebenen mit frischen Weiden bedeckt; Yuruari ist auch reich an Gold, aber trotzdem beträgt die Bevölkerung kaum 90,000 Seelen, die, zur Hälfte Mestizen und Weiße, zur Hälfte zivilisierte Indianer, fast ganz auf den nördlichen Teil beschränkt sind. Das bei weitem größte Gebiet wird von unabhängigen, jedoch ebenfalls wenig zahlreichen Indianern bewohnt (kaum 20,000). Wichtigste Stadt ist Bolivar oder Angostura (s. d.). Das brasilische G. (ehedem Portugiesisch-G.) bildet den nördlichsten Teil der Provinzen Pará und Amazonas, der nördlich vom Amazonenstrom bis zur Küste liegt, und ist eine menschenleere, mit Sümpfen, Savannen und Urwald erfüllte Einöde von über 700,000 qkm (12,700 QM.).

Geschichte Guayanas.

Die Küste von G. wurde 1499 zuerst von Alonzo de Hojeda in Begleitung von Vespucci entdeckt und vom 6.° nördl. Br. an nordwärts verfolgt. Ein Jahr später fuhr Vincente Jañez Pinzon, von Süden herkommend, die ganze Küste entlang. Das Innere des Landes wurde zuerst durchstreift durch Abenteurer verschiedener Nationen, welche den fabelhaften See von Parima und die Stadt des Goldlandes (Eldorado) entdecken wollten. Unter den Berichten dieser Abenteurer sind die wertvollsten die von Sir Walter Raleigh, der drei Expeditionen nach G. unternahm, 1595, 1597 und 1617. Die ersten Ansiedelungen an der Küste scheinen von Holländern gemacht zu sein, die im 16. Jahrh. die Ostküste von Südamerika des Tauschhandels mit den Eingebornen wegen viel besuchten. 1580 gründeten mehrere Teilnehmer an einer solchen Expedition die Ansiedelung Nieuw-Zeeland am Pomarun. 1596 von dort durch die Spanier und Indianer vertrieben, begaben sie sich nach dem Essequibo und gründeten unter ihrem Anführer Joost van der Hooge eine neue Niederlassung auf einer kleinen Insel (Kykoveral) in der Nähe des Zusammenflusses des Cuyuni und Mazaruni, wo sie indessen schon Trümmer eines Forts mit portugiesischem Wappen vorfanden. Seit dieser Zeit begannen die Ansiedelungen der Niederländer in G. sich auszubreiten, namentlich seit Gründung der Niederländisch-Westindischen Kompanie (1621), und dieselben erhielten 1667 noch dadurch einen bedeutenden Zuwachs, daß Karl II. von England im Frieden von Breda die englischen Ansiedelungen von Paramaribo an die Holländer gegen ihre Kolonie Neuamsterdam in Nordamerika (den jetzigen Staat New York) austauschte. Gegen die Mitte des 17. Jahrh. hatten auch die Franzosen angefangen, einige Niederlassungen im Süden der damaligen englischen zu gründen, aus denen nach vielen Wechselfällen dort die Kolonie von Cayenne entstand. Die Portugiesen endlich gründeten vom Amazonenstrom aus Niederlassungen. Zwischen diesen Kolonien der verschiedenen europäischen Nationen fanden fortwährend Reibungen und Kämpfe statt, wodurch sie wiederholt fast ganz zu Grunde gerichtet wurden. Die niederländischen Kolonien Essequibo, Demerara und Berbice wurden 1781 von den Engländern unter Georg Rodney in Besitz genommen, 1782 von den Franzosen erobert, sodann im Frieden von 1783 den Niederländern zurückgegeben. Aber obschon denselben nochmals 1802 im Frieden von Amiens zuerkannt, wurden sie doch aufs neue von den Engländern 1803 genommen und denselben schließlich durch die Londoner Konvention von 1814 förmlich abgetreten. So entstand das jetzige Britisch-G.

Vgl. über Britisch-G.: Gebrüder Schomburgk, Reisen in Britisch-G. (hrsg. von Stricker, Frankf. 1852); Appun, Unter den Tropen, Bd. 2 (Jena 1871); Webber, British Guiana (Lond. 1873); Brown, Reports on the physical description and economic geology of British Guiana (das. 1875); Brouckhurst, The colony of British G. (das. 1883); über Niederländisch-G.: Palgrave, Dutch-Guiana (das. 1876); Kappler, Holländisch-G. (Stuttg. 1881); Derselbe, Surinam (Stuttg. 1886); Prinz Roland Napoléon, Les habitants de Suriname (Par. 1884); Martin, Reise im Gebiet des obern Surinam (Haag 1886); über Französisch-G.: Mourié, La Guyane française (Par. 1874); Nibaut, Guyane française (das. 1882).