Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gützkow; Gützlaff

955

Gützkow - Gützlaff.

ab, ob die in denselben jedesmal vertretene Tendenz eine starke, mächtige, große Konflikte einschließende und darum menschlich naheliegende war, oder ob sie einer Augenblicksstimmung entstammte. In der Reihe seiner Dramen: "Richard Savage", Trauerspiel (1839), "Werner, oder Herz und Welt", Schauspiel (1840), "Die Schule der Reichen", Schauspiel (1841), "Patkul", Trauerspiel (1842), "Der 13. November", Trauerspiel (1842), "Ein weißes Blatt", Schauspiel (1843), "Zopf und Schwert", historisches Lustspiel (1844), "Pugatscheff", Tragödie (1846), "Das Urbild des Tartuffe", Lustspiel, und "Uriel Acosta", Tragödie (1847), "Jürgen Wullenweber", Tragödie (1848), "Der Königsleutnant", Lustspiel (1849), "Liesli", Volkstrauerspiel (1852), "Philipp und Perez", Tragödie (1853), "Ottfried", Schauspiel (1854), "Lenz und Söhne, oder die Komödie der Besserungen", Lustspiel (1855), "Ella Rosa", Schauspiel (1856), "Lorbeer und Myrte", Lustspiel (1856), "Der Gefangene von Metz", Schauspiel (1870), "Dschingiskhan", Lustspiel (1876), finden sich die schwächsten Versuche, ganz vorübergehenden, in sich nichtigen Tageszufälligkeiten ein poetisches Interesse abzugewinnen, und die glücklichsten Schöpfungen, unter denen die beiden geradezu mustergültigen historischen Lustspiele: "Zopf und Schwert" und "Das Urbild des Tartuffe" sowie die Tragödie "Uriel Acosta" in erster Linie stehen. Aber auch Werken wie "Werner", "Ein weißes Blatt", "Ottfried" u. a. bleibt es nachzurühmen, daß sie ernste Anläufe zur notwendigen Gewinnung einer Komödie aus unsern Sitten, gesellschaftlichen Zuständen und Anschauungen heraus waren. Die gesamte dramatische Dichtung Gutzkows erhob sich weit über die bloße Theaterroutine und half für ein paar Jahrzehnte die seit Schillers Tod immer breiter gewordene Kluft zwischen dem deutschen Theater und der wirklich schaffenden Litteratur überbrücken. Gesammelt wurden Gutzkows sämtliche Stücke unter dem Titel: "Dramatische Werke" (Leipz. 1842-57, 9 Bde.; neue umgearbeitete Ausgabe 1861-63, 20 Bdchn.; 4. Aufl., Jena 1880). Die dramatischen Dichtungen erlangten zum Teil glänzende Erfolge, die beiden historischen Lustspiele, die Tragödie "Uriel Acosta" (welche in alle europäischen Sprachen übertragen ward) behaupten sich seit einem Menschenalter auf dem Repertoire aller guten Bühnen mit ungeschwächter Anziehungskraft; einzelne andre, wie "Der Königsleutnant", "Werner", wurden durch das Interesse an einer einzelnen Figur lebendig erhalten; alle bleiben hochinteressante Zeugnisse, wie in einer Periode der Gärung, der politisch-sozialen Umgestaltungen selbst die traditionellen und konventionellen Bühnenformen, deren sich G. neben vielem Neuen, was er hinzubrachte, mit großem Geschick bemächtigte, zu Waffen wurden. - Noch unmittelbarer an die Zeit schloß sich der Dichter in den beiden großen kulturhistorischen Romanen: "Die Ritter vom Geist" (Leipz. 1850-52, 9 Bde.; 6. umgearbeitete Auflage, Berl. 1881, 4 Bde.) und "Der Zauberer von Rom" (Leipz. 1858-61, 9 Bde.; 4. völlig umgearbeitete Auflage, Berl. 1872, 4 Bde.). Erwies sich auch, daß seine ästhetische Theorie eines Romans des "Nebeneinander", den er sich wie den Durchschnitt eines Bergwerks, eines Kriegsschiffs vorstellte, ein Irrtum war, daß er lediglich die Kunstform sprengte und sich schließlich doch wieder gezwungen sah, zum eben perhorreszierten Roman des "Nacheinander" zurückzukehren, so interessierten die Romane durch eine seltene Gedankenfülle und charakteristischen Situationsreichtum. "Die Ritter vom Geist" schildern die Reaktionsperiode, welche der Revolution von 1848 folgte, spielen ersichtlich in der preußischen Hauptstadt und boten in Gestalten wie Schlurck, Hackert, Prinz Egon Hohenberg, Pauline v. Harder, Melanie Schlurck, Gräfin d'Azimont Typen einer Zeit voll verkehrter Richtungen und entfesselter Leidenschaften. "Der Zauberer von Rom" behandelt die Beziehungen des katholischen deutschen Südens und Westens zu Rom und schildert die gesamte deutsch-ultramontane Welt. Es war Gutzkows genialer Instinkt, der ihn alle Bedeutung, welche die von der modernen Bildung mißachtete, mit Gleichgültigkeit ignorierte katholische Welt für die deutsche Zukunft gewinnen sollte, im voraus empfinden und darstellen ließ. Die Sicherheit der kulturhistorischen Schilderung des Hintergrundes wurde übertroffen durch die Vorführung einer ganzen Reihe von Charakteren, die in individuellster Vielgestaltigkeit doch alle in der katholischen Bildung und Lebensstimmung wurzeln. Unter den kleinern erzählenden Dichtungen, welche ungefähr gleichzeitig erschienen, behandelte die Erzählung "Die Diakonissin" (Frankf. a. M. 1855) eine Zeitfrage; die Sammlung "Kleine Narrenwelt" (das. 1856, 3 Tle.) enthielt eine Anzahl der besten Erzählungen Gutzkows aus den "Unterhaltungen am häuslichen Herd". Einen bedeutenden Anlauf zum großen historischen Roman nahm der Autor in "Hohenschwangau" (Leipz. 1867-68, 5 Bde.; 3. umgearbeitete Auflage, Bresl. 1880), welches die Reformationszeit spiegelnde Werk eine Überfülle der eingehendsten Detailstudien in sich aufnehmen sollte. Hier wie in dem spätern Memoirenroman: "Fritz Ellrodt" (Jena 1872, 3 Bde.), schuf sich G. eine zwischen Roman und historischen Memoiren die Mitte haltende Form, welche zu interessieren, aber wenigstens eine poetische Totalwirkung nicht zu erzielen vermochte. Die spätere modernen Romane: "Die Söhne Pestalozzis" (Berl. 1870, 3 Bde.), "Die neuen Serapionsbrüder" (Bresl. 1877, 3 Bde.; 2. Aufl. 1878), verrieten bei geistreichen Einzelheiten und scharfen Beobachtungen die tiefe Herabstimmung des Schriftstellers und seine sich steigernde Gleichgültigkeit gegen Reiz und Vollendung der Form. Eine erste Sammlung seiner "Schriften" hatte G. schon früh begonnen (Frankf. a. M. 1845-56, 13 Bde.), auf eine eigentlich abschließende, die gesamte litterarische Thätigkeit des Autors in sich fassende Ausgabe sind die "Gesammelten Werke" (Jena 1873-78, erste Serie, 12 Bde.; zweite Serie: dramatische Werke, 20 Bdchn.) angelegt. Vgl. außer den autobiographischen Schriften: K. Frenzel, G. ("Westermanns Monatshefte", April 1879); Adolf Stern, Zur Litteratur der Gegenwart (Leipz. 1880).

Gützkow, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Stralsund, Kreis Greifswald, unweit des Flusses Peene, hat (1885) 1990 evang. Einwohner.

Gützlaff, Karl Friedrich August, evang. Missionär und Sinolog, geb. 8. Juli 1803 zu Pyritz in Pommern, erlernte das Gürtlerhandwerk, kam aber 1821 durch Vermittelung des Königs von Preußen in das Missionsinstitut des Predigers Jänike in Berlin und 1823 zu der Holländischen Missionsgesellschaft in Rotterdam. 1826 nach Batavia gesandt, erlernte er dort die gangbarsten chinesischen Dialekte. 1828 löste er seine Verbindung mit der Holländischen Missionsgesellschaft und ging im Februar nach Singapur, im August nach Bangkok, der Hauptstadt von Siam. Hier widmete G. seine Zeit der Übersetzung der Bibel in das Siamesische und in zwei Volksdialekte dieses Königreichs. Erst 1831 schiffte er sich nach China ein und wurde der "Apostel Chinas" durch Abfassung