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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Haarkrone; Haarkugeln; Haarlem

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Haarkrone - Haarlem.

der Seife als ein Luxus angesehen wird, vorkommt. Auch nach lang andauerndem Kopfekzem tritt Schwund des Haarwuchses ein. Die Behandlung ist der des Ekzems andrer Körperstellen gleichartig.

Anders verhält es sich mit dem Favus oder Erbgrind, einer durch pilzliche Parasiten des Achorion Schoenleinii hervorgerufenen Krankheit, die aber ebenso in den zivilisiertern Gegenden nur selten noch zur Beobachtung gelangt (s. Favus). Der Favus überträgt sich nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch von Tieren (Hühnern, Mäusen, Katzen, Kaninchen, Hunden) auf Menschen und umgekehrt. Gegen ihn wird neuerdings Chrysarobin empfohlen.

Der systematische Haarschwund tritt bei einer Reihe von Erkrankungen der Kopfhaut auf und ist durch die Veränderung des Haarbodens bedingt. Als wichtigste Ursachen sind hier vor allen die geschwürigen Veränderungen der Kopfhaut anzusehen, sodann eine Reihe von andern Krankheiten mit ihren allgemeinen, den Körper schwächenden Einflüssen. Hierher gehören zuerst die akuten Infektionskrankheiten, Typhus, Scharlach, Pocken, dann aber auch die chronischen, besonders die Syphilis. Hier tritt der Haarschwund meistens diffus auf, so daß entweder (in seltenern Fällen) ein völliges Ausfallen oder nur eine den ganzen Kopf betreffende Lichtung der Haare eintritt. Die Haare ergänzen sich hier mit dem Verschwinden der allgemeinen Schwäche, bei Syphilis oft erst nach längerer Zeit. Der Haarschwund des höhern Lebensalters beruht auf denselben Ursachen. Bei dem schon in frühern Jahren vorkommenden Kahlwerden läßt sich meist Erblichkeit des Leidens feststellen.

Das Grau- und Weißwerden der Haare ist gewissermaßen ein normaler Vorgang und tritt regelmäßig im Alter ein, entweder bei allen oder nur bei einer größern oder kleinern Anzahl der Haare. Bedingt wird es durch das Fehlen des Pigments und Auftreten von Luft in der Marksubstanz. Die Beseitigung dieser Schönheitsfehler gehört mehr in das Gebiet der Kosmetik, ebenso wie die Behandlung der abnorm starken Behaarung an gewöhnlich haarlosen Stellen, welche neuerdings durch Galvanokaustik geschieht (s. Haare, S. 974). Dagegen gehört die sehr häufig vorkommende Spaltung der Haare in das Gebiet der Haarkrankheiten. Die Spitzen der Haare spalten sich entweder einfach, oder zerfallen pinselförmig. Leider vermag die Therapie sehr wenig hiergegen auszurichten. Das Rasieren der Haare führt keine dauernde Heilung herbei, mehr Erfolg ist durch sorgfältige Pflege, regelmäßige Waschungen mit Seife und darauf folgende Einfettung (mit irgend einer Fettsalbe oder Brillantine) zu erzielen.

Haarkrone, s. Pappus.

Haarkugeln, s. v. w. Gemskugeln, s. Bezoar.

Haarlem (Harlem), Stadt in der niederländ. Provinz Nordholland, liegt 6 km östlich von der Nordsee, 1 km westlich vom frühern Haarlemer Meer (s. d.) entfernt, an der Eisenbahn Rotterdam-Amsterdam und wird durch den Spaarne (mit 5 Brücken) in zwei Teile geteilt. Hauptgebäude sind unter den (14) Kirchen die Groote Kerk (St. Bavo), eine großartige spätgotische Basilika von nahezu 140 m Länge, mit 80 m hohem Turm und einer berühmten Orgel (8000 Pfeifen und 68 Register); ferner das Rathaus (früher Palast der Grafen von Holland) mit vielen Porträten (von Franz Hals) und einer kostbaren Sammlung ältester Druckwerke, der Prinzenhof (jetzt Versammlungsort der Provinzialabgeordneten) mit der Stadtbibliothek, das Regierungsgebäude etc. Außerdem besitzt H. eine Menge wohlthätiger Stiftungen für alte Leute (Hofjes), ein Gymnasium, eine höhere Bürgerschule, eine Realschule für Mädchen, eine Erziehungsanstalt für Lehrer und Lehrerinnen, die Teylersche Stiftung, ein der Theologie, den Naturwissenschaften und der Kunst gewidmetes Institut mit mannigfaltigen Sammlungen, die Holländische Gesellschaft für Wissenschaft mit reichem naturhistorischen Kabinett, 2 Schauspielhäuser und einen hübschen Stadsdoelen (früher Vereinigungsort der Schützengilden, wo nach dem Doel ["Ziel"] geschossen wurde); ferner die älteste und berühmteste Druckerei der Niederlande, in welcher das älteste Tageblatt dieses Staats, "De opregte Haarlemmer Courant", seit länger als zwei Jahrhunderten gedruckt wird, mit berühmter Schriftgießerei. Auf dem großen und schönen Marktplatz steht (seit 1856) die Bronzestatue von Laurens Coster (von Royer), dem wenigstens früher allgemein die Holländer die Erfindung der Buchdruckerkunst zuschrieben. Die Zahl der Bewohner beträgt (1886) 46,730. Während die Fabrikindustrie nicht von hervorragender Bedeutung ist, ist H. weltberühmt durch seine Blumenzucht (Tulpen, Hyazinthen, Narzissen, Ranunkeln). Der Handel mit den Erzeugnissen der Blumengärten um die Stadt und in den benachbarten Ortschaften Overveen und Bloemendaal ist noch jetzt bedeutend, war aber einst ungleich blühender. Im 17. Jahrh. bezahlte man für eine seltene Tulpenzwiebel, wie den Semper Augustus, 13,000 Gulden und trieb ein Börsenspiel mit Blumenzwiebeln wie jetzt mit Staatspapieren. Berühmt sind auch noch jetzt, wie in alter Zeit, die Linnenbleichen von H. Die Stadt ist Sitz des Gouverneurs der Provinz Nordholland, eines römisch-katholischen und eines jansenistischen Bischofs. Die Umgebung der Stadt, in welcher die reichsten Kaufleute von Amsterdam Landhäuser besitzen, zeigt eine Pracht und einen Reichtum wie kaum ein andrer Ort der Niederlande. Besonders schön ist das Haarlemer Holz (Hout), ein 40 Hektar großer Wald alter prächtiger Buchen mit Spaziergängen, zahmem Damwild, Gesellschaftshäusern und einem 1823 errichteten Denkmal Laur. Costers. In diesem Wald liegt auch der sogen. Pavillon (Pavlijoen Welgelegen), ein im italienischen Stil erbautes Landhaus, jetzt Staatsmuseum mit einer Sammlung von etwa 300 Bildern moderner niederländischer Künstler. Auf dem nahen Landsitz Hartekamp entwarf Linné sein Pflanzensystem. H. ist der Geburtsort des erwähnten Coster und der Maler Ostade, Wouwerman und Berchem. Der Dichter Bilderdijk ist hier begraben. - H. war anfangs ein festes Schloß, aber schon um die Mitte des 12. Jahrh. eine große, feste und wohlhabende Stadt, welche dann an den Kriegen Hollands mit den Westfriesen bedeutenden Anteil nahm. Im J. 1492 wurde die Stadt durch die insurgierten Bauern, "Käse- und Brotvolk" genannt, eingenommen, noch in demselben Jahr aber von dem kaiserlichen Statthalter, Herzog Albrecht von Sachsen, wiedererobert, aller ihrer Privilegien beraubt und mit schweren Kontributionen belegt. Im J. 1559 wurde H. Bischofsitz. An dem Aufstand der Niederlande im 16. Jahrh. nahmen die Einwohner von H. 1572 thätigen Anteil. Albas Sohn, Don Friedrich, rückte Ende 1572 mit 30,000 Mann spanischer Kerntruppen vor H.; aber erst nach einer Belagerung von sieben Monaten, als die Spanier die Zufuhr über das Haarlemer Meer abgeschnitten, die Entsatztruppen zu Wasser und zu Lande geschlagen hatten und der Hunger in der Stadt wütete, kapitulierte diese, bei deren Verteidigung auch eine Anzahl Frauen unter Anführung der mutigen