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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handel

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Handel (im Altertum und Mittelalter).

beziehungen an; nach Syrien und Phönikien bestand durch die Wüste hindurch eine Karawanenstraße. Kaum später entwickelte sich die Kultur in dem mit Naturschätzen reich gesegneten Indien, von wo sich der Handelsstrom durch Baktrien ergoß, die Wasserstraßen des Oxus und Jaxartes benutzend, welche damals in das Kaspische Meer mündeten. Auch mit dem goldgesegneten Strich an der Ostküste Afrikas, dem später sogen. Sofala, trat man vom Indus und Ganges aus in Verbindung. Das Verdienst, einen ökonomischen Zusammenhang Asiens mit Südeuropa hergestellt zu haben, gebührt indessen erst den Phönikern; ihre Handelsmacht gelangte in Tyros ungefähr im 10.-8. Jahrh. v. Chr. zur höchsten Entfaltung; sie breiteten damals ihren Handelsverkehr über das ganze Mittelmeer, über den Arabischen und Persischen Meerbusen aus und drangen mit ihren Schiffen nördlich in den Pontus Euxinus, östlich bis in das Indische Meer, westlich bis in die Nord- und Ostsee, wo sie das Zinn der Kassiteriden und von Cornwallis und den Bernstein von der jetzigen friesischen und jütischen Küste geholt haben sollen. Die Karawanen der Phöniker durchzogen Palästina, Syrien, Arabien, Ägypten, Persien, Babylonien und die nördlichen Skythenlande; phönikische Kolonien bedeckten die Küstenstriche und Inseln des Mittelländischen und Roten Meers und des Persischen Golfs. Diese Handelsbedeutung dauerte von ihren ersten Anfängen (1200 v. Chr.) bis zum völligen Erlöschen (300 v. Chr.) ungefähr neun Jahrhunderte. Das Zurückdrängen der Phöniker erfolgte allmählich durch das Heranblühen der griechischen Kolonien im Ägeischen Meer, durch den Einfluß, welchen Karthago, die mächtigste phönikische Kolonie, im Mittelmeer errang, und endlich durch die makedonische Herrschaft. Wie die Phöniker, besuchten auch Karthager auf ihren weiten Fahrten die Küsten Frankreichs, Portugals und Nordspaniens; es ist als sicher anzunehmen, daß sie bis nach England und ins Baltische Meer gelangten, und daß Himilko im 4. Jahrh. v. Chr. eine Reise nach dem Zinnland machte. Sie unternahmen Entdeckungsreisen an die Westküste von Afrika und betrieben mittels Karawanen einen Landhandel in das Innere dieses Kontinents. Die Handelsherrschaft auf dem ganzen Mittelländischen Meer hat Karthago vom 6. Jahrh. bis in die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. behauptet. Das Anwachsen der griechischen Handelsmacht geht mit der politischen Geschichte der Hellenen gleichen Schritt; die mächtigen Städterepubliken vertreiben die Phöniker allmählich aus den Niederlassungen am Ägeischen Meer, stellen einen regelmäßigen Handel mit Kleinasien her und zeichnen sich besonders durch ihr Geschick in der Gründung von Niederlassungen und Kolonien aus; Milet, Korinth, Ägina, Rhodos werden wichtige Mittelpunkte des Verkehrs. Der Einfluß Griechenlands macht sich auch auf Ägypten geltend; die Milesier senden ihre Schiffe in die kanopische Mündung des Nils und gründen Naukratis, die Vorläuferin Alexandrias. Eine Verbindung des Nils mit den Bitterseen durch einen Kanal wird hergestellt und unter Dareios bis zum Roten Meer fortgesetzt. Ebenso trieb sie Handelsgeist und Wandersinn an die Küsten des Pontus Euxinus nach Skythien (dem heutigen Südrußland), und auch die bleibendsten Kulturwirkungen, die Kolonisierung Unteritaliens und Siziliens sowie die spätern Ansiedelungen in Gallien (Massilia), Sardinien, Corsica, Nordafrika und Spanien, sind ein Ausfluß ihrer Handelsthätigkeit. Später gelangte durch die politische Macht Makedoniens Alexandria zur Blüte. Alexander d. Gr. gründete diese Stadt an einer der Mündungen des Nils, um den H. zwischen dem ganzen Osten und Westen zu beherrschen. Alexandria erhob sich bald zu einer der bedeutendsten Handelsstädte und behauptete seine Stellung bis zur arabischen Herrschaft. Im Gegensatz zu dem bisher geschilderten Zusammentreffen politischer und wirtschaftlicher Kultur bietet das römische Weltreich das Bild einer Großmacht, welche dem Erwerb und H. keinen Aufschwung zu geben, sondern nur die von andern errungenen Erfolge rücksichtslos auszunutzen und schließlich zu vernichten verstand; die eroberten Provinzen werden geplündert und kolossale Reichtümer in der Hauptstadt aufgehäuft. Die Herbeischaffung der notwendigen Lebensmittel für Italien war die einzige Aufgabe, die den Schiffen zufiel, welche alsdann mit Ballast zurückkehrten. Das Reich ging seinem Verfall entgegen, nachdem es Karthago und Korinth, die Pflanzstädte in Spanien und Sizilien, im Schwarzen Meer und in Kleinasien wirtschaftlich zu Grunde gerichtet hatte. Bei der Teilung des Reichs (337 n. Chr.) wurden die Kulturelemente nach Konstantinopel verlegt, wo sich nach dem Fall des weströmischen Reichs im Beginn des Mittelalters wieder eine gewisse Blüte von Gewerbe und H. entwickelte.

Handel im Mittelalter.

Die Völkerwanderung zerstörte die noch vorhandenen Überreste wirtschaftlicher Kultur an deren alten Sitzen in Italien, im Westen von Europa und an den Küsten des Mittelmeers. Neue Keime einer durchaus veränderten Richtung des Handels werden im byzantinischen Reich und durch die Araber gelegt; denselben folgen wieder andre Gestaltungen seit dem 9. und 10. Jahrh. in Italien, wo die kommerzielle Macht der Republiken geschaffen wird, und im Norden Europas bei den Niederländern und Deutschen.

Im byzantinischen Reich wurde Konstantinopel ein Verbindungsglied der morgenländischen und abendländischen Welt; es betrieb einen nicht unbedeutenden H. mit Indien, Ägypten (über Alexandria) sowie nach dem Westen und Norden; die staatlichen Verhältnisse ließen indessen keine dieser Handelsrichtungen mächtig erstarken. Schon im 7. Jahrh. tritt der Einfluß der Araber hervor, welche mit den Persern die hervorragendsten Träger der muselmanischen Kultur wurden; sie verstanden es, nicht bloß in Arabien und Mesopotamien, in Syrien mit dem damals zur höchsten Bedeutung gelangten Damaskus und in den Küstenländern des Schwarzen und Kaspischen Meers, sondern auch selbst in dem von der Natur so schlecht ausgestatteten Landstrich zwischen dem Kaspischen Meer, dem Aralsee und dem Dschihun eine kunstgewerbliche und kommerzielle Blüte hervorzurufen, und bemächtigten sich vollständig des ostasiatischen Handels. Der Einfluß des Mohammedanismus machte sich ebenso in Nordafrika geltend, wo die Araber lebhafte Schiffahrt und H. trieben, und von wo aus sie die Keime des Wiederaufschwunges auf die ganze Pyrenäische Halbinsel und den Süden Frankreichs als Förderer der Volkswirtschaft und Zivilisation übertrugen. Der H. der Araber umfaßte also als Landhandel einen großen Teil von Vorderasien bis Indien, die pontischen Gebiete, das nördliche Afrika, das südwestliche Europa; als Seehandel beherrschte er das Mittelmeer, die Hafenplätze vom Arabischen Meer bis zu den afrikanischen Küsten und vom Persischen Meerbusen bis nach Indien und China.

Weniger günstig war nach dem Verfall der römischen Weltherrschaft und zu Beginn des Mittelalters die Lage der Hafenstädte des Mittelländischen