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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handelskompanien

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Handelskompanien.

Privathandel wuchs. Viele Kompanien verzehrten ihre Kräfte in den aus Gewinnsucht begonnenen Kriegen mit den einzelnen Fürsten der Länder, wo sie ihre Handelskreise zogen; anderseits litten sie unter den Kriegen der Seestaaten untereinander, indem die Kolonien und der Kolonialhandel in dem Streben, den zu bekriegenden Gegner zu schädigen, als beliebte Objekte des Angriffs seitens der feindlichen Staaten dienten; viele H. gingen endlich auch an Überschuldung zu Grunde. Die H. wirtschafteten meistenteils sehr kostspielig. Überdies wurden die in der Regel hoch gegriffenen Gesellschaftskapitalien durch die Gewinnsucht der Direktoren und die Beutelust der Handelsbeamten gekürzt; Unterschleif und Nepotismus ließen sich schwer vermeiden. Der Warenhandel gehört nicht zu den Geschäften, wofür sich das Kollektivunternehmen gut eignet; namentlich bei den überseeischen Kompanien war wegen der Ferne, in welcher der Geschäftsbetrieb vor sich ging, und wegen der Mannigfaltigkeit und Vielverschlungenheit der einzelnen Handelsoperationen die Kontrolle seitens der Aktionäre fast ganz hinfällig geworden. Alle diese und andre Momente wirkten mit, daß die monopolisierten, privilegierten H. fast durchgängig ein trauriges Ende nahmen. Überhaupt sind mit der Sicherung und Entwickelung des Freihandels auch in den fernen Meeren die wirtschaftlichen Voraussetzungen geschwunden, auf Grund deren ähnliche Gesellschaften zu erstehen noch Berechtigung hätten. Haben sich aus allen diesen Gründen die H. im 19. Jahrh. überlebt, so ist doch nicht zu verkennen, daß sie ein nützliches und bedeutsames Element der Handelspflege in der Vergangenheit bildeten. Dafür spricht auch die Thatsache, daß in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum im 17. und 18. Jahrh. mehr als 70 H. gegründet wurden.

Unter denselben ist zunächst die aus der Vereinigung zahlreicher seit dem Jahr 1595 entstandener und zumeist fehlgeschlagener Handelsgesellschaften durch ein Privilegium der Generalstaaten im J. 1602 begründete Holländisch-Ostindische Kompanie zu nennen, mit einem Gründungskapital von 6,600,000 Gulden und mit dem Monopol des ausschließlichen Handels jenseit des Kaps der Guten Hoffnung und der Magelhaensstraße ausgestattet. Sie gewann den Portugiesen die Molukken, Malakka, Celebes, verschiedene Punkte der malabarischen Küste ab und erlangte den Alleinhandel nach Japan. Gegen Ablauf des 17. Jahrh. auf der Höhe ihrer Macht stehend, sank sie bereits im 18. Jahrh., und nach dem Krieg mit England erfolgte ihre Auflösung. Ihre tief verschuldeten Besitzungen wurden 1795 zum Nationaleigentum erklärt und ihre Schulden mit den Staatsschulden vereinigt. Nicht einmal so lange dauerte die 1621 gegründete Holländisch-Westindische Kompanie, welche das Monopol des Handels an der afrikanischen Westküste bis zum Kap der Guten Hoffnung, an der amerikanischen Küste und über alle Inseln des Stillen Ozeans bis zu den Molukken erhielt, auch an der afrikanischen und brasilischen Küste zeitweise gewinnreichen Handel betrieb, jedoch bald eine ungeheure Schuldenlast hatte und die Freigebung des Handels 1734 nicht lange überdauerte. Die im J. 1823 unter Leitung und Garantie des Staats mit dem Namen Nederlandsche Handels-Maatschappij gegründete niederländische Handelsgesellschaft hatte vorzugsweise die Aufgabe, sich auf den Handel und die Frachtschiffahrt zu beschränken und niemals in die innere Verwaltung der überseeischen Besitzungen zu mischen; bis in die neueste Zeit ist derselben jedoch ein (wenngleich abgeschwächtes) Monopol insofern eingeräumt, als sie ausschließlich die auf den Krondomänen in den Kolonien gewonnenen Produkte in Holland gegen eine bestimmte Provision für Rechnung der Regierung verkauft. Unter den englischen H. war die 1554 gegründete Russische Handelskompanie, welcher unter Elisabeth die Privilegierung einer Ostländischen (1579) und einer Türkisch-Levantischen (1581) folgte, die bedeutendste. Von wirklicher Bedeutung war aber erst die 1600 durch Freibrief begründete Londoner Ostindische Kompanie, welche nach mannigfachen Kämpfen und wechselndem finanziellen Erfolg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. glänzend zu prosperieren begann, seit der Mitte des 18. Jahrh. in Indien als politische Macht auftrat und ihre Territorialherrschaft stetig zu erweitern verstand. Das britisch-indische Kolonialreich ist die Schöpfung dieser Handelskompanie, und erst im J. 1858 wurde die Regierung Indiens durch die India bill formell von der Königin übernommen und die Ostindische Kompanie aufgelöst (s. Ostindien). Die 1670 gegründete britische Hudsonbaikompanie (s. d.) gewann das Monopol des Pelzhandels in dem nach ihr benannten weiten nordamerikanischen Ländergebiet, während die 1710 erstandene und wesentlich auf Agiotage gerichtete Südseegesellschaft schon nach wenigen Jahren (1748) zu Grunde ging. Ebenso lösten sich nach kurzem ruhmlosen Bestand auf: die Britisch-Venezianische Gesellschaft, die Britisch-Levantische Gesellschaft, die Britische Heringsfischereigesellschaft u. a. Von den französischen H. entstanden einige schon unter Richelieu und zwar mit den mannigfachsten Zielen und unter den abenteuerlichsten Namen; so gab es eine Französisch-Afrikanische, eine Compagnie du Cap Vert et du Guinée, eine Cap Blanc-, Senegal-, Französisch-Kanadische, -Chinesische, Französische San Domingo-, Französisch-Levantische, -Nordische, -Occidentalische Gesellschaft etc. Die hervorragendste war die Schöpfung Colberts, die Ostindisch-Französische Kompanie, im J. 1664 gegründet, mit dem Privilegium des gesamten Handels nach Ostindien sowie auf dem Großen Ozean; wegen schlechter Verwaltung und der englischen Konkurrenz hatte sie nur vorübergehende Erfolge und schloß ihre Thätigkeit mit bedeutenden Verlusten. Auch die Französisch-Westindische Handelskompanie hatte keine bessern Erfolge, und die Mississippi-Gesellschaft diente zumeist der Lawschen Agiotage als Hintergrund. Auch die nordischen Staaten Europas besaßen ihre H., so Dänemark die Dänisch-Afrikanische (Marokkanische) 1751-65, die Allgemeine (Grönländische) Handelskompanie 1747 bis 1780, die Dänisch-Guineasche 1658-1785, die Isländische 1733-88, die Levantische, 1757 hervorgerufen, aber nur von sehr kurzer Dauer, die Ostindische, 1616 gegründet und bis über das 18. Jahrh. hinaus bestehend, die Westindische 1671-1785, sodann die Vereinigte Dänisch-Norwegisch-Schleswig-Holsteinische Handlungs- und Kanalgesellschaft zur Ausbeutung des schleswig-holsteinischen Kanals. In Schweden bildeten sich die Guineasche Kompanie (1649-67), die kurzlebige Grönländische (1774), die Heringsfischereigesellschaft (1745), die Ostindische (1731). In Portugal erstanden die Afrikanische Negerhandelsgesellschaft (1723), die Asiatische (1753), die Brasilische Marañongesellschaft (1759-77), die Pernambuco- und Parahybagesellschaft (1749-80), die Weinhandelskompanie (von Oporto, 1756-90). Von spanischen Schöpfungen nennen wir: die Caracas-, Philippinische, Ostindische, Domingo-, Havana-^[folgende Seite]