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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handfeuerwaffen

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Handfeuerwaffen (Übersicht).

Kropatschek, gleich dem französischen Marinegewehr, eingeführt worden.

Die in Frankreich seit Jahren thätige Gewehrversuchskommission soll zu einem bestimmten Entschluß noch nicht gekommen sein, indessen ist ein Gewehr, System Gras-Vetterli, das Einladergewehr Gras, von Vetterli mit Mehrladevorrichtung versehen, Truppen in Versuch gegeben. Ihm erwuchs ein Konkurrent in dem Châtellerault-Gewehr M/74.84, von der Staatsgewehrfabrik Châtellerault konstruiert, eine Verbesserung des Kropatschekschen Marinegewehrs, von welchem 24 Jägerbataillone je 100 Stück zum Versuch erhielten. Das Magazinrohr des Gewehrs faßt acht Patronen. Aber auch von dem Kropatschek-Gewehr sind 60,000 Stück beschafft und ausgegeben worden, doch wird dasselbe viel getadelt. Welches Gewehr zur Einführung kommen wird, läßt sich jetzt (Januar 1887) noch nicht sagen.

In England hat man sich in Anlehnung an die Versuche in den Vereinigten Staaten von Nordamerika entschieden, mit dem Spencer-Lee-Gewehr, einer vortrefflichen Verbindung des anhängbaren Magazins mit dem Fallblocksystem, einen ausgedehntern Versuch anzustellen, und es sollten 1886 bei der Marine 3000 Repetiergewehre dieses Systems erprobt werden. Die vielen Klagen über den starken Rückstoß des Henry-Martini-Gewehrs haben Ende 1885 zur Einführung des Martini-Enfield-Gewehrs von 10,16 mm Kaliber, dessen Geschoß 24,8, die Ladung 5,5 g, das Gewehr selbst 4,14 kg wiegt. Der Verschluß (Martini) ist fast derselbe geblieben, nur der Lauf verändert. Aber auch der Blockverschluß des neuen Gewehrs wird viel getadelt und ein Kolbenverschluß verlangt. Dadurch wurde die Wahl abermals erschwert.

Italien hat 1884 bei der Marine das Mehrladersystem Bertoldo eingeführt. Es hat den Vetterli-Lauf (10,4 mm Kaliber) und die Munition desselben behalten, nur das einfache Repetierwerk Bertoldo ist zugefügt. Die Armee erhält das Magazingewehr, System des Kapitäns Vitali.

Spanien steht im Begriff, für sein nicht mehr zeitgemäßes Remington-Gewehr ein neues mit Vetterli-Verschluß u. Hebler-Lauf von 8 oder 8,97 mm Kaliber mit 3,6 Kaliber langem Geschoß einzuführen.

Über die hauptsächlichsten Ordonnanzgewehre der Gegenwart vgl. nachstehende Tabelle:

Deutschland: (Mauser) Infant.-Gewehr Belgien, Brasil.: Comblain II-Gewehr Dänemark: Remington-G. Frankr.: aptiertes Chassep.-(Gras-) Gewehr Großbritannien: Henry-Martini-Gewehr Italien: Vetterli-Gewehr Niederlande: Beaumont-Gewehr Österreich: Werndl-Gewehr Rußland: Berdan II-Gewehr Schweiz: Vetterli-(Repetier-) Gewehr Ver. St. N.-Am.: Springfield-Gewehr Schweden: Jarmann-(Repetier-) Gewehr

Jahr der Konstruktion 1871 1871 1867 1874 1871 1872 1871 1867 u. 73 1872 1869 1873 1880

Kaliber. Millim. 11 11 11,44 11 11,43 10,4 11 11 10,66 10 11,43 10,15

Gewicht des Gewehrs. Kilogr. 4,5 4,3 4,125 4,2 4 4,2 4,35 (4,5) 4,2 4,35 4,7 - 4,42

Verschlußsystem Cylinder Block Klappe Cylinder Fallblock Cylinder Cylinder Welle Cylinder Cylinder Klappe Kolben

Länge des Gewehrs. Meter *1) 1,33 1,21 1,282 1,305 1,18 1,345 1,32 1,3 1,36 1,3 - -

Länge des Geschosses in Kalibern 2,6 2,27 2,2 2,5 2,7 2,4 2 (2) 2,3 2,5 2,4 2,5 -

Geschoßgewicht Gr. 25 25 25 25 31,1 20,4 21,75 (20,27) 24 24 20,4 26,2 21,85

Pulverladung Gr. 5 5 3,9 5,25 5,5 4 4,25 (4) 5 5,07 3,75 4,52 4,46

Ladungsquotient Ladung/Geschoß 1:5 1:5 1:6,4 1:4,76 1:5,6 1:5,1 1:5,1 (1:5,07) 1:4,8 1:4,73 1:5,4 1:5,8 1:4,4

Anfangsgeschwindigkeit Meter 440 400 381 440 416 430 425 430 436 435 - -

Wirksame Schußweite Meter 1600 - 750 1600 1600 1000 750 (800) 1200 1600 900 - -

Zahl der Ladegriffe inkl. Patroneneinlegen 3 3 4 3 3 3 3 4 3 2 4 -

Auf 3 Kilogr. gehen Patronen Stück 69 74 86 70 62 97 77 (93) 81 76 98 77 -

Gezielte Schüsse in 1 Minute 12 12 10 12 12 12 12 10 12 5-15 10 -

1) Ohne Bajonett.

Über Jagdgewehre, Karabiner und Revolver s. diese Artikel.

Vgl. Weygand, Die technische Entwickelung der modernen Präzisionswaffen der Infanterie (2. Aufl., Leipz. 1878); R. Schmidt, Die Entwickelung der Feuerwaffen (Schaffh. 1868, 2 Bde.); Derselbe, Die H., ihre Entstehung und Entwickelung bis zur Gegenwart (Basel 1875-78); Hentsch, Ballistik der H. (Leipz. 1873); Derselbe, Die Entwickelungsgeschichte und Konstruktion sämtlicher Hinterladergewehre (das. 1873-79, 6 Tle.); Löbell, Des Zündnadelgewehrs Geschichte und Konkurrenten (Berl. 1867); Mattenheimer, Die Rückladungsgewehre (3. Abdr., Darmst. 1871-76); Plönnies, Neue Hinterladungsgewehre (das. 1867); Elgger, Kriegsfeuerwaffen der Gegenwart (Leipz. 1868); Meinecke, Das Chassepotgewehr der französischen Infanterie (Darmst. 1867); Tackels, Kriegsfeuerwaffen (a. d. Franz., Kassel 1869); Thiel, Das Infanteriegewehr (Bonn 1883); "Das Gewehr der Gegenwart und Zukunft" (Hannov. 1883-86); "Die Repetiergewehre. Ihre Geschichte, Entwickelung, Einrichtung und Leistungsfähigkeit" (Darmst. 1883 bis 1886, 2 Bde.); Mieg, Theoretische äußere Ballistik (Berl. 1884); Galand, Le revolvre de guerre en 1873 (2. Aufl. 1873); Neumann, Die wichtigsten Angaben über die H. aller Länder (3. Aufl., Kassel 1878); Brandeis, Die moderne Gewehrfabrikation (2. Aufl., Weim. 1886); Thierbach, Die geschichtliche Entwickelung der H. (Dresd. 1885); "Das Infanteriegewehr M/71.84" (Hannov. 1887); "Instruktion über das Infanteriegewehr M/71.84" (Berl. 1887). Eine Übersicht der Fortschritte auf dem Gebiet der H. geben v. Löbells "Jahresberichte über die Veränderungen etc. im Militärwesen" (Berl., seit 1875).