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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hanf

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Hanf (Zubereitung, Handelssorten).

diese Steine kommt der H. zu liegen. Man wendet aber auch Pochwerke oder den Hanfbrechstock an, mit welchem das in dem halbkreisförmigen Einschnitt eines aufrecht stehenden Auflagebretts aufliegende Hanfbündel derart bearbeitet wird, daß die holzige Substanz der Stengel durch fortwährendes Vorschieben des Bündels in viele kleine Stückchen geknickt wird. Nach dieser Arbeit kommt der H. unter die Handbreche oder die Brechmaschine, worauf er mitunter nur noch oberflächlich von den anhängenden Holzstückchen gereinigt wird, um dann, wie in Rußland, gleich unsortiert, in Bündel von 10-20 kg eingebunden in den Handel gebracht zu werden. Der Spinnhanf dagegen wird, weil er feiner und schwächer ist als der Seilerhanf, meist gar nicht unter die Reibe gebracht, sondern nur mit einem hölzernen Hammer geschlagen (gebottet), dann gebrochen und schließlich noch geschwungen und gehechelt. In Belgien pflegt man den H. zu schälen oder zu "pellen". Dabei bricht man von dem gerösteten H. das untere Wurzelende zuerst ab, ergreift darauf die gelöste Faser mit der einen Hand und läßt, indem man den Bast abzieht, den holzigen Stengel durch die Finger der andern Hand gleiten. Der so gewonnene Pellhanf erscheint dann ohne weitere Bearbeitung im Handel. Da der frische H. sich zwar besser als der alte verarbeiten läßt, besonders auf Stricke, sich aber nicht so fein und gut hecheln läßt wie mehrjähriger, so läßt man ihn nicht selten längere Zeit an einem trocknen, luftigen Ort lagern. Beim Austrocknen an der Luft verliert der Hanfstengel 45-60 Proz. seines Gewichts, und von dem lufttrocknen männlichen H. erhält man im Durchschnitt 26 Proz. Brechhanf, während die weiblichen Pflanzen im Mittel nur 16-22 Proz. liefern. An wirklich spinnbarer Faser erhält man von dem lufttrocknen Brechhanf ungefähr 60-65 Proz. Beim Hecheln gewinnt man aus 100 kg geschwungenem H. 44-66 kg reinen Spinnhanf; 1-6 kg sind unbrauchbare Substanzen, und der Rest besteht aus Hede. Es können mithin aus 100 Teilen grünem H. höchstens 5-8 Teile spinnbare Faser gewonnen werden.

Die Hanffaser hat im allgemeinen eine größere Länge (1-2 m und mehr) als die Faser des Flachses, sie ist weißlich oder grau; minder wertvoll sind die grünlichen und gelblichen Sorten. Wie die Farbe, so läßt der Glanz auf die Güte der Hanffaser schließen. Die reine Hanffaser ist in der Regel weit grober als die rein ausgearbeitete Flachsfaser. Die Feinheit hängt jedoch nicht von der Glätte des Fadens ab, vielmehr wird dieselbe von der Größe des Querschnitts der Faser bedungen. Der gebrochene H. präsentiert sich fast immer als ein bandartiger, breiter, zusammengesetzter Streifen; wird er gehechelt, so zeigt er verschiedene Grade der Feinheit. Die Bastzellen des Hanfes zeigen eine Länge von einem bis mehreren Zentimetern. Im Querschnitt erscheint die Hanfbastzelle rund; von der Fläche gesehen, ist sie aber nicht so regelmäßig cylindrisch wie die Flachsbastzelle. Die natürlichen Enden der Zellen laufen in der Regel stumpf aus, hier und da sind sie wohl auch elliptisch abgerundet. Nach Schacht kommen die Zellenden in der Regel verzweigt vor, wodurch sich die Hanffaser wesentlich von der Leinenfaser unterscheidet. Die Hanffaser, welche die sämtlichen Prozesse des Brechens, Schwingens etc. durchgemacht, erscheint stets parallel gestreift. Die Hygroskopizität der Hanffaser ist sehr bedeutend und beträgt ungefähr 33 Proz. ihres Gewichts. Im Handel unterscheidet man Basthanf, der nur gebrochen wurde, von dem gebrochenen, geschwungenen und gehechelten oder wenigstens gebrochenen und geschwungenen Reinhanf. Nur geschwungener, aber nicht gehechelter H. heißt Strähnhanf, wogegen er im fertigen, gehechelten Zustand Spinnhanf genannt wird. Das beim Schwingen und Hecheln abfallende Produkt bildet Hanfwerg, Hanfhede oder Tors. Zur Seilerarbeit, wozu vorzüglich der weibliche H. Verwendung findet, wird derselbe vorerst auf einer groben Hechel bearbeitet; hierauf werden die Fasern glatt gelegt und ausgeglichen. Der H. heißt dann eingeklärt und dient so zu grobem, dickem Tauwerk. Wird er auf einer Abzugshechel ausgespitzt und rein abgezogen, so werden hierdurch sowie durch das Feinhecheln beim Ausmachen die längern von den kürzern Fasern getrennt und die einzelnen Faserbündel gespalten. Ein solcher ausgespitzter H. dient zu Seilen und Leinen, der ganz rein abgezogene und ausgemachte H. zu Bindfaden und Schnüren. Während der feinste, beste H. ähnlich wie der Flachs versponnen und zur Anfertigung von feinen Geweben benutzt wird, dient die gröbere Sorte zur Darstellung von groben Geweben, wie Segeltuch und Packleinwand. Nicht selten werden Hanf- und Flachsgarne gemischt verwendet zur Darstellung halbhänfener Gewebe, oder es dient der H. bei der Papierfabrikation sowie zum Anfertigen von Lunten, Dochten etc. Der beste H., wie der bolognesische, ist schön silberweiß, von seidenartigem Glanz und flachsartiger Milde und Weichheit. Diesem zunächst stehen die Sorten mit perlgrauer und grünlicher Farbe, während die gelblichen, braunen oder dunkelbraunen den geringsten Wert besitzen. Letztere haben entweder bei der Röste schon gelitten, oder waren feucht eingepackt oder an einem feuchten Ort gelagert worden. Ein solcher mehr oder weniger verdorbener H. riecht in der Regel auch dumpf, faulig, während der unverdorbene H. einen eigentümlichen, starken Geruch besitzen muß. Im Badischen und Elsaß unterscheidet man Schuster-, Spinn- und Schleißhanf. Ersterer ist die wertvollste Qualität; der Spinnhanf ist weniger weiß, und es wird aus diesem noch der Schleißhanf aussortiert. Auf dem Königsberger Markt bildet der Reinband die beste Sorte, sehr rein, aber etwas stark von Faden. Minder fein und rein ist der Schnitthanf, immerhin aber noch ziemlich gleichwertig dem Rigaer Reinhanf. Der Schocken- oder Schuckenhanf bildet die dritte Sorte, und es ist von dieser der russische (Mohilewer) besonders schön weich, rein und schwer, aber nicht sehr lang, während der litauische Schuckenhanf, wenn auch lang und schönfarbig, doch schwach und von geringerer innerer Güte ist. Der ordinäre litauische Basthanf ist gemischt, unrein und schwach. In Petersburg macht man drei Sorten: reinen, halbreinen und Ausschußhanf. Letzterer ist wegen seiner großen Stärke und Dauerhaftigkeit sehr geschätzt. Auf ähnliche Weise wird der H. in Archangel gewrackt. Auf dem Rigaer Markte dagegen macht man einen Unterschied zwischen dem polnischen und Ukrainer H., der als Reinhanf fein gehechelt, von schöner weißer oder grauer Farbe und bedeutender Länge ist und viel begehrt wird. Dasselbe gilt von dem drujanischen Reinhanf. Der polnische und Ukrainer Ausschußhanf, zwar unrein, aber von starkem Faden, sowie der polnische, Ukrainer und der Livländer Basthanf sind die weitern Sorten auf dem Rigaer Markte. Die beiden Märkte in Pernau und Libau liefern vornehmlich den sogen. Paßhanf. Die in Österreich erzeugten Hanfsorten erscheinen auf dem Markt unter dem Namen Apatiner, slawonischer und slowakischer H. Erstgenannter