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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hardenberg

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Hardenberg.

verschen Dienst und trat in den des Herzogs von Braunschweig, der ihn zum Wirklichen Geheimen Rat, 1787 zum Präsidenten des Kammerkollegiums und 1789 zum Großvogt des Residenzamtes Wolfenbüttel ernannte. Nach Friedrichs II. Tod überbrachte er das in die Hände des Herzogs von Braunschweig niedergelegte Testament des verstorbenen Königs an Friedrich Wilhelm II., wodurch er dessen Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Von diesem 1790 dem Markgrafen von Ansbach und Baireuth als Minister für seine Länder empfohlen, trat H., als der Markgraf 1791 die Regierung niederlegte, mit Beibehaltung der Verwaltung der fränkischen Fürstentümer in das preußische Staatsministerium ein. Seine Thätigkeit in Ansbach und Baireuth war eine sehr segensreiche, da er ein außergewöhnliches Verwaltungstalent bekundete. 1795 unterhandelte er den Frieden zwischen Frankreich und Preußen zu Basel, vollendete hierauf die Organisation der Fürstentümer Ansbach und Baireuth und erhielt nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. (1797) im Ministerium die Leitung aller fränkischen, auswärtigen, Hoheits- und öffentlichen Angelegenheiten sowie die Lehnssachen, worauf er 1800 Chef des magdeburg-halberstädtischen und 1802 Chef des westfälischen Departements und des von Neuchâtel sowie zugleich Kurator der Kunst- und Bauakademie ward. Als Graf Haugwitz, Minister des Auswärtigen und Urheber der preußischen Neutralität, abdankte, trat H. 1803 provisorisch und 1804 definitiv an seine Stelle und beobachtete ebenfalls, obwohl er sich England mehr zu nähern suchte, eine strenge Neutralität festhaltende Politik. Als indes Preußen sich durch die Verträge vom 15. Dez. 1805 und 15. Febr. 1806 ganz an Frankreich anschloß, wurde H., der sich überdies Napoleons Haß zugezogen, 24. April auf unbestimmte Zeit beurlaubt, und Haugwitz trat wieder an seine Stelle. Nach der Schlacht bei Jena folgte er seinem Monarchen nach Preußen und übernahm im April 1807 an Stelle Zastrows wieder das Portefeuille des Auswärtigen, das er indes bloß bis Anfang Juli behielt, da Napoleon Hardenbergs Entlassung als Vorbedingung des Tilsiter Friedens forderte. Er lebte dann auf seinem Gute Tempelhof bei Berlin, bis er nach Steins Rücktritt 6. Juni 1810 zur Würde eines Staatskanzlers berufen wurde. Hiermit begann die glänzendste Periode seines staatsmännischen Wirkens. Notgedrungen schloß er sich anfangs in seiner äußern Politik möglichst eng an Frankreich an, im Innern aber führte er die Reformen durch, die so segensreich für die spätere Neugestaltung der preußischen Monarchie wurden. Als endlich nach dem Rückzug des französischen Heers aus Rußland der günstige Zeitpunkt für eine Erhebung Preußens gekommen zu sein schien, drängte er vor allem auf eine rasche Entscheidung und einen unbedingten Anschluß an Rußland und versäumte, nur die Hauptsache im Auge, die genauere Festsetzung der Bedingungen für Preußens Wiederherstellung. Während des ganzen Kriegs von 1813 und 1814 leitete er die preußische Politik, unterzeichnete den Pariser Frieden und wurde 3. Juni 1814 in Paris in den Fürstenstand erhoben, wobei ihm zugleich die aus der ehemaligen Komturei Lietzen und dem Amt Quilitz gestiftete Standesherrschaft Neuhardenberg verliehen wurde. Er begleitete darauf die drei verbündeten Monarchen nach London, verteidigte in den Verhandlungen des Wiener Kongresses die Ansprüche Preußens gegen unerwartete Angriffe von seiten Österreichs, Englands und Frankreichs, obwohl nicht immer mit Erfolg, und nahm wesentlichen Anteil an den Verträgen zu Paris von 1815. Im J. 1817 organisierte er den Staatsrat und wurde zum Präsidenten desselben ernannt, wohnte dann den Kongressen zu Aachen (1818), Karlsbad und Wien (1819), Troppau (1820), Laibach (1821) und Verona (1822) bei, machte von hier aus zur Herstellung seiner Gesundheit eine Reise durch Norditalien, erkrankte aber zu Pavia und starb 26. Nov. 1822 in Genua. Hardenbergs äußere Politik war von richtigen Prinzipien geleitet; ihr Ziel war Preußens Größe und Deutschlands Wiederaufrichtung. Indessen sein Leichtsinn, der auch in seinem Privatleben zu seinem Nachteil hervortrat, seine weltmännische Liebenswürdigkeit, die oft in allzu große Nachgiebigkeit ausartete, beeinträchtigten die Erfolge derselben und führten ihn unter dem Einfluß der Heiligen Allianz und Metternichs zuletzt auf Wege, die er selbst im Grund mißbilligte. Seine innere Politik war eine Politik des Wiederaufbauens, die bis zu einem gewissen Punkt untadelhaft dasteht. Schon auf dem Kongreß zu Wien war H. als eifriger Verteidiger des konstitutionellen Systems aufgetreten. Unter seiner Einwirkung erschien das königliche Edikt vom 22. Mai 1815, worin eine Verfassungsurkunde und die Anordnung einer Volksrepräsentation versprochen ward. Aber auch hier ließ er die nötige Energie zur Durchführung seines Plans vermissen. Die Jahre 1815 und 1816 verflossen, ohne daß das Versprechen gelöst wurde. Der Staatskanzler sicherte zwar den Rheinlanden ihre Institutionen und förderte das Verwaltungswesen der östlichen Provinzen; auch veranlaßte er den Zusammentritt einer Kommission zur Entwerfung der Verfassungsurkunde, doch wurden derselben keine Vorlagen gemacht. H. konnte die reaktionären Strömungen im Rate des Königs nicht überwinden, blieb aber trotzdem, um Schlimmeres zu verhüten, im Amt, wodurch er freilich weder sich selbst noch dem Land Nutzen erwies. Vgl. Klose, Leben Karl Augusts, Fürsten von H. (Halle 1851); Ranke, Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten von H. (Leipz. 1877, 5 Bde.); der 1. und 4. Band dieses Werkes enthält eine von Ranke verfaßte Biographie Hardenbergs bis 1813, Band 2 und 3 "eigenhändige Memoiren" desselben über seine Leitung der auswärtigen Politik Preußens 1803-1807, welche diese jedoch in einem zu günstigen Licht erscheinen lassen und mit den Originalakten nicht durchaus übereinstimmen; der 5. Band enthält Aktenstücke. Ein weitschichtiges Werk Schölls über H. wird im Manuskript im Staatsarchiv zu Berlin aufbewahrt. Vgl. noch E. Meier, Die Reform der Verwaltungsorganisation unter Stein und H. (Leipz. 1880).

4) Friedrich von, Verwandter des vorigen, als Dichter unter dem Namen Novalis bekannt, geb. 2. Mai 1772 zu Wiederstedt, dem Familiengut im Mansfeldischen, erhielt im elterlichen Haus eine vortreffliche Erziehung, die durch ihren religiösen Grundcharakter (die Eltern gehörten der Brüdergemeinde an) von nachhaltigem Einfluß auf sein Gemütsleben war, besuchte seit 1789 das Gymnasium zu Eisleben, studierte seit 1790 in Jena, wo er Fichte und Schlegel kennen lernte, dann in Leipzig und Wittenberg Rechtswissenschaft und begab sich 1793 zur Übung in den praktischen Geschäften nach Arnstadt. Hier lernte er die in seiner Dichtung gefeierte 13jährige Sophie v. Kühn kennen, mit der er sich 1796 verlobte, nachdem er kurz zuvor als Auditor bei den Salinen nach Weißenfels übergesiedelt war. Nach dem frühen Tod seiner Braut (19. März 1797) widmete er sich dann 1797-99 in Freiberg unter Werner noch dem Studium der Bergwissenschaften und verlobte sich hier im