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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hartmann

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Hartmann.

in Böhmen, studierte zu Prag und Wien, bereiste 1842 Italien, die Schweiz und Süddeutschland und übernahm nach seiner Rückkehr eine Erzieherstelle in Wien, verließ aber 1844 Österreich, um seine erste Gedichtsammlung: "Kelch und Schwert" (Leipz. 1845, 3. Aufl. 1851), herausgeben zu können. Dieselbe zeichnete sich durch Schwung der Phantasie, Wärme, der Empfindung und lebendige Sprache aus, gehörte übrigens jener tendenziösen Poesie an, welche vor 1848 in Deutschland und namentlich in Deutsch-Österreich in höchster Geltung stand. Nach dem Erscheinen von "Kelch und Schwert" hielt sich H. eine Zeitlang in Brüssel auf, kehrte dann nach Deutschland zurück, veröffentlichte seine "Neuern Gedichte" (Leipz. 1847) und wagte sich sogar in die Heimat. Hier in Kriminaluntersuchung genommen, ward er durch die Märzereignisse 1848 befreit, trat zu Prag an die Spitze der deutschen Partei und wurde von dem böhmischen Wahlbezirk Leitmeritz ins deutsche Parlament gewählt, wo er der entschiedenen Linken angehörte. Damals erschien seine "Reimchronik des Pfaffen Mauritius" (Frankf. 1849, 5 Hefte; neue Ausg., Stuttg. 1874), im heinesierenden Chronikenstil gehaltene satirische Fresken aus der Paulskirche, welche als Silhouettensammlung der damaligen parlamentarischen Celebritäten von Interesse sind. Mit Blum und Fröbel begab er sich im Oktober 1848 nach Wien, das er aber noch vor der verhängnisvollen Katastrophe verließ, und siedelte später mit dem Rumpfparlament nach Stuttgart über. Als Flüchtling ging er in die Schweiz, später nach England und Irland, im Herbst 1850 nach Paris. Von hier aus sandte er längere Zeit der "Kölnischen Zeitung" geistvolle Korrespondenzen, so wie er während seines Aufenthalts in Irland interessante "Briefe aus Irland" in das Prutzsche "Museum" geliefert hatte. Während des russisch-türkischen Kriegs befand er sich als Korrespondent der "Kölnischen Zeitung" auf dem Kriegsschauplatz, mußte dann aber aus Gesundheitsrücksichten die Krim verlassen. Aus Konstantinopel im Oktober 1854 ausgewiesen, begab er sich wieder nach Frankreich und ließ sich 1860 in Genf nieder, wo er an verschiedenen höhern Bildungsanstalten in der deutschen Sprache und Litteratur unterrichtete. 1863 siedelte er von Genf nach Stuttgart, 1868 nach Wien über, wo er nach längern Leiden 13. Mai 1872 starb. Seit den ersten Jahren seines Flüchtlingstums trat bei H. eine bemerkenswerte Klärung seiner poetischen Phantasie und ein erfolgreiches Ringen nach künstlerischer Reife ein. Seinem auf böhmischem Lokalgrund mit epischem Behagen ausgeführten Roman "Der Krieg um den Wald" (Frankf. 1850, neue Ausg. 1866) folgten das idyllische Epos "Adam und Eva" (Leipz. 1851; neue Ausg., Stuttg. 1866), das lebensvoll und reich an höchst anmutigen Partien ist; "Schatten" (Darmst. 1851), poetische Erzählungen; das farbenreiche "Tagebuch aus der Provence und Languedoc" (das. 1852, 2 Bde.; neue Ausg., Stuttg. 1874); "Erzählungen eines Unsteten" (Berl. 1858, 2 Bde.), worin er die Erzählung seiner Fahrten und Abenteuer anziehend mit novellistischen Erfindungen verband; eine neue Gedichtsammlung: "Zeitlosen" (Braunschw. 1859); die reizende Novelle "Von Frühling zu Frühling" (Berl. 1860); die "Erzählungen meiner Freunde" (Frankf. 1860) und ein nicht eben bedeutendes Lustspiel: "Buridans Esel". Mit L. Pfau übertrug er "Bretonische Volkslieder" (Köln 1859) und schuf einen Operntext: "Die Katakomben", welchen F. Hiller komponierte. Seit seiner Übersiedelung nach Stuttgart veröffentlichte H. sehr zahlreiche Novellen, die in den "Novellen" (Hamb. 1863, 3 Bde.) und der Sammlung "Nach der Natur" (Stuttg. 1866, 3 Bde.) vereinigt wurden, aber ebenso wie "Die letzten Tage eines Königs" (das. 1866, 2. Aufl. 1867) u. a. eine Abnahme der geistigen Frische verrieten. Seine "Gesammelten Schriften" erschienen zu Stuttgart 1873-74 in 10 Bänden, die Gedichte in "Neuer Auswahl" das. 1874. Vgl. Ziel, Moritz H., ein litterarischer Essay (in "Unsere Zeit", Jahrg. 1872).

8) Robert, Naturforscher, geb. 8. Okt. 1832 zu Blankenburg im Harz, studierte in Berlin Medizin und Naturwissenschaft, begleitete 1859-60 den Freiherrn A. v. Barnim nach Nordostafrika, wurde 1865 Lehrer der Zoologie und vergleichenden Physiologie an der landwirtschaftlichen Akademie zu Proskau und 1867 Professor der Anatomie an der Universität zu Berlin. Er lieferte mehrere Untersuchungen über die Anatomie von Seetieren, angestellt an der italienischen und schwedischen Küste. Sein auf der afrikanischen Reise, besonders im Senaar, gesammeltes Material für Geographie, Ethnographie und Zoologie verarbeitete er in dem Werk "Reise des Freiherrn A. v. Barnim durch Nordostafrika etc." (Berl. 1863). Er schrieb ferner: "Naturgeschichtlich-medizinische Skizze der Nilländer" (Berl. 1865-66); "Die Nigritier" (das. 1876, Bd. 1); "Die Völker Afrikas" (Leipz. 1880); "Handbuch der Anatomie des Menschen" (Straßb. 1881); "Der Gorilla" (Leipz. 1881); "Die menschenähnlichen Affen" (das. 1883); "Abessinien" und "Die Nilländer" (das. 1883); "Madagaskar etc." (das. 1886). Er begründete 1869 mit Bastian die "Zeitschrift für Ethnologie" und ist Generalsekretär der Anthropologischen Gesellschaft.

9) Gustav, Romanist, geb. 31. März 1835 zu Vechelde bei Braunschweig, war von 1860 bis 1864 Privatdozent in Göttingen, wurde 1864 als Professor des römischen Rechts nach Basel, 1872 nach Freiburg berufen und lehrte seit 1878 in Göttingen, von wo er 1885 einem Ruf nach Tübingen folgte. Als Hauptschriften nennen wir: "Zur Lehre von den Erbverträgen und von den gemeinschaftlichen Testamenten" (Braunschw. 1860); "Über den rechtlichen Begriff des Geldes und den Inhalt von Geldschulden" (das. 1868); "Über Begriff und Natur der Vermächtnisse im römischen Rechte" (das. 1872); "Die Obligation" (Erlang. 1875); "Internationale Geldschulden" (Freib. i. Br. 1882); "Juristischer Kasus" (Jena 1884).

10) Ludwig, Komponist und Musikkritiker, geb. 1836 zu Neuß als Sohn des dortigen Musikdirektors Friedrich H., bildete sich im Konservatorium zu Leipzig, war später Schüler von Liszt und lebt seit 1859 in Dresden, die neuere Richtung in der Musik vertretend. Von Hartmanns Kompositionen haben besonders seine Lieder und Balladen weite Verbreitung gefunden, doch ist er auch mit Erfolg als Klavierkomponist aufgetreten. Als Kritiker hat er sich einen sehr geachteten Namen erworben.

11) Emil, dän. Komponist, Sohn von H. 3), geb. 21. Febr. 1836 zu Kopenhagen, erhielt seine Ausbildung durch seinen Vater und seinen Schwager Niels W. Gade, bezog dann behufs wissenschaftlicher Studien die Universität, wandte sich jedoch nach Absolvierung derselben ganz der Musik zu und brachte bereits Ende der 50er Jahre mehrere dramatische Arbeiten mit Erfolg am königlichen Hoftheater zur Aufführung. 1860 unternahm er, mit einem Stipendium versehen, eine Studienreise, die ihn unter anderm auch für längere Zeit nach Leipzig führte. Nach Kopenhagen zurückgekehrt, wirkte er von 1860