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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Heer

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Heer (Heerwesen im Altertum).

greifende Verfassungsreform. In litterarischer Hinsicht machte er sich durch einige Biographien hervorragender niederländischer Gelehrten und Staatsmänner ("Levensschets van Martinus Stuart", 1855; "Levensberigt van Mr. G. de Clercq", 1858; "Levensberigt van Mr. W. J. C. van Hasselt", 1863; "Levensberigt van Mr. J. M. de Kempenaer", 1870; sämtlich von der Maatschappy der nederlandsche Letterkunde zu Leiden herausgegeben) sowie durch verschiedene juristische Abhandlungen einen Namen, von denen besonders die auf die Verfassungsurkunde sich beziehenden ebensowohl das tiefe Studium wie die außerordentliche Schärfe des Urteils bezeugen.

Heer, die gesamte Landkriegsmacht nebst allem zu deren Ausrüstung und Führung nötigen Personal und Material. Um seinem Zweck als Werkzeug zur Kriegführung zu entsprechen, muß ein H. die gehörige Organisation haben. Diese umfaßt die Aufbringung, Ausrüstung und Ausbildung der Truppen, ihre Formation in Truppenkörper und größere Truppenverbände mit bestimmten Befehlshabern und die Erhaltung sowie die Ergänzung des Personals und Materials. Im Personal des Heers unterscheidet man Kombattanten oder wirklich zum Kampf gegen den Feind bestimmte und zu diesem Behuf bewaffnete Krieger, und Nichtkombattanten, das ganze Personal, welchem die Fürsorge für den Unterhalt, die Gesundheitspflege, das Rechts- und Kirchenwesen, das Fuhrwesen, die Anfertigung der Ausrüstung und Bekleidung, die Instandhaltung der Waffen etc. beim H. übertragen sind. Die Gesamtmasse der Kombattanten zerfällt in verschiedene Waffengattungen: Infanterie, Kavallerie, Artillerie als eigentlich fechtende Waffen, Genietruppen und Train als Hilfswaffen. Oberster Chef eines Heers ist das Staatsoberhaupt; die Führung desselben im Feld wird oft Generalen selbständig übertragen. Bei den meisten Völkern des Altertums war jeder Waffenfähige auch Krieger; bei den Ägyptern, Indern und Altamerikanern treffen wir eigne Kriegerkasten, welchen auch der König angehörte. Die morgenländischen großen Despoten und die kleinen Tyrannen im Abendland hatten in der ältesten Zeit meist eine Leibwache, weniger zum Kampf gegen äußere Feinde als dazu bestimmt, das Volk in Unterwürfigkeit zu erhalten. Söldnertruppen sind bezeichnend für die Handelsvölker aller Zeiten.

Die Völker Vorderasiens, die Assyrer, Babylonier, Meder und Chaldäer, hatten früh geordnete Heere von Fußvolk, Reiterei und Wagenkämpfern, und wie aus den aus jener Zeit erhaltenen Bildwerken hervorgeht, gab es auch bestimmte Kampfesformen für die nach Kleidung, Ausrüstung und Bewaffnung unterschiedenen Leicht- und Schwerbewaffneten. Seinen Höhepunkt erreichte das Heerwesen der Orientalen bei den Persern. Die ältesten Kriegszüge derselben waren, wie die der übrigen erobernden Nomadenvölker Asiens, bewaffnete Wanderungen eines Teils der Nation, insofern die meist berittenen Krieger Weiber, Kinder und alle bewegliche Habe mit sich führten. Allein mit Ausbildung der Zivilverfassung änderten sich auch ihre Heereseinrichtungen und bildeten sich in einer Weise durch, welche das persische H. als ein Kadreheer mit Beurlaubungssystem erscheinen läßt. Es gab nämlich in den blühenden Zeiten der Monarchie zur Überwachung der unterworfenen Volksstämme und Sicherung der Grenzen ein stehendes H., die "königlichen Truppen", die, bezirksweise ausgehoben, teils in den festen Städten, teils auf dem Land in den Provinzen unter eignen, von den Satrapen unabhängigen Befehlshabern verteilt waren. Jeder freie Perser hatte eine Zeitlang in diesem stehenden H. zu dienen, wurde dann beurlaubt, bei ausbrechendem Krieg aber nach Bedarf wieder eingezogen. Jährliche Musterungen, oft durch die Könige selbst abgehalten, verschafften die Überzeugung von der steten Schlagfertigkeit der Truppen. Eine Art Garde war die Leibwache des Königs, die 10,000 Unsterblichen (so genannt, weil stets vollzählig erhalten). Das stehende H. bestand aus schwerem und leichtem Fußvolk und zahlreicher Reiterei, wovon ein Teil gepanzert war, in festen, nach dem Dezimalsystem gebildeten Abteilungen. Neben diesem national-persischen Kadreheer wurden zu Kriegszügen auch die ganzen unterworfenen Völker in buntem Gemisch von Kleidung und Bewaffnung aufgeboten. Eilbotenposten, je auf eine Tagereise durch das ganze Reich bestellt, vermittelten die rasche Benachrichtigung der Truppen und der Volksstämme. In der Folge zog sich die persische Volkskraft vom H. mehr und mehr zurück, und man bildete die stehende Armee vorzugsweise aus Söldnern: teils Asiaten, teils Griechen. Bei dem Aufgebot aller Völker des Perserreichs waren nach Herodot in des Xerxes H. 56 Nationen vertreten, und die ganze Anzahl der wehrhaften Männer belief sich auf etwas über 2½ Mill. Das Heerwesen des spätern, aus den Trümmern des Perserreichs hervorgegangenen Partherreichs war eine nach Zeit und Örtlichkeit modifizierte Fortsetzung des persischen, das im Mittelalter zum drittenmal bei den Mongolen erstand.

Von den kleinern Volksstämmen an der Küste des Mittelmeers sind namentlich die Israeliten und die Phöniker in heeresgeschichtlicher Hinsicht interessant. Das israelitische Kriegsheer bestand ursprünglich bloß aus Fußvolk; erst Salomo errichtete eine Reiterei neben den von David eingeführten Streitwagen. In spätern Zeiten findet man ägyptische Hilfsreiterei in den israelitischen Heeren. In den frühsten Zeiten der Theokratie war jeder, sobald er das 20. Jahr zurückgelegt hatte, zum Kriegsdienst verpflichtet, mit Ausnahme der Leviten. Das Aufgebot erhielt durch David eine festere Form, zerfiel in zwölf Abteilungen, von denen jede, 24,000 Mann stark, einen Monat zum Dienst verpflichtet war. Die Mannschaft wurde in den Waffen geübt und nach den verschiedenen Waffen in Haufen von 1000, 100 und 50 geteilt, deren jeder seinen Anführer hatte. Im Krieg führte gewöhnlich der König selbst das H. an. Den Anfang eines stehenden Heers machte Saul durch Aufstellung einer 3000 Mann starken Leibgarde, die er durch Werbung ergänzte. Salomo hatte schon ein H. von 20,000 Mann. Nach dem Exil bildete sich unter den Makkabäern von neuem eine jüdische Militärverfassung aus. Simon, der erste Fürst aus dem Haus der Hasmonäer, besoldete ein stehendes H. aus eignem Vermögen; sein Sohn Johannes Hyrcanus war der erste, welcher auch ein stehendes Korps von Ausländern, vorzüglich Arabern, werben ließ, sowie anderseits die Juden auch in fremde Kriegsdienste traten und einzelne selbst zu Heerführern sich aufschwangen. Die Phöniker schufen neben der Gründung von Kolonien auch die ersten Anfänge einer Seemacht. Die Erben ihrer Bestrebungen, die Karthager, dehnten mit zunehmendem Handel auch ihre Kriegszüge immer weiter aus, bis sie endlich den Römern unterlagen. Ihre Heere bestanden fast ausschließlich aus gemieteten Fremden. Die eigentlichen Karthager bildeten nur die sogen. heilige Schar, eine Art Leibwache des Feldherrn, das eigentliche H. aber