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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Heer

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Heer (Personenname).

eine Art Aushebung gewonnen, welche aber nur die untersten Volksklassen traf. Jedem Regiment war ein gewisser Bezirk zugeteilt (Kantonsystem in Österreich und Preußen), und wo die Werbung nicht die nötige Zahl Mannschaften ergab, mußten die Ortschaften dafür aufkommen. Die seit Gustav Adolf angebahnten Verbesserungen in der Kriegführung, deren Wissenschaft und Technik von einer Reihe bedeutender Feldherren weiter entwickelt und von Friedrich II. zur Vollendung gebracht wurde, die großen Fortschritte in der Ausrüstung und Bewaffnung der Heere, das Zurücktreten jeder andern Wirksamkeit im Staat vor der absoluten Herrschergewalt führten zur Ausbildung eines Offizierstandes, welcher die Pflege des Kriegswesens sich zur Lebensaufgabe machte und fortan als Träger des kriegerischen Geistes und der Tüchtigkeit der Heere erscheint; vom Soldaten selbst verlangte die Kriegführung damals nur eine maschinenartige Thätigkeit in festgefügten Formen und blinden Gehorsam gegen die Befehle des Vorgesetzten, so daß der Beruf des Soldaten als solcher wenig geachtet war. Das handwerksmäßige Heerwesen sank aber von seiner Höhe, sobald der belebende Geist und die Anregung von oben fehlte. Der Krieg an sich war eine schwere Kunst geworden, und wie die geistigen Anforderungen an die Führer, so stieg auch das Verlangen nach immer größern Truppenmassen, um allen Feinden gewachsen zu sein. In dem Maß ferner, wie zunehmender Wohlstand, erhöhte Bildung und wachsende Selbstthätigkeit immer größere Kreise des Volkes an den Interessen des Landes Anteil nehmen ließen, kam auch der uralte Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht wieder zur Geltung und stellte dem Heerwesen die Kräfte der ganzen Völker zu Gebote. Der Anstoß dazu kam von Frankreich. Die Revolution von 1789 zerstörte mit dem Königtum auch die Grundlagen des alten königlichen Heers. Das Gesetz und das Schreckenssystem trieben große Massen in die gelichteten Reihen, tüchtige Führer und organisatorische Talente, wie Carnot, gaben dem H. Frankreichs während anhaltender Kriege ein neues festes Gefüge, und endlich bildete es Napoleons Genie zum Werkzeug seiner Siege um. Durch Niederlagen belehrt und zur Aufstellung an Zahl starker Heere gezwungen, ließen bald auch die andern Staaten (England ausgenommen) das Werbesystem fallen und setzten die allgemeine Wehrpflicht an dessen Stelle. Hierbei ging Preußen insofern über alle Mitstrebenden hinaus, als es jenes Prinzip in seiner Reinheit zur Durchführung brachte. Denn während das französische Konskriptionssystem, auch in den Zeiten höchsten republikanischen Aufschwunges, die Stellvertretung oder den Loskauf zugelassen hatte und in dieser Form von den meisten europäischen Staaten nachgeahmt wurde, erfolgte nur in Preußen die Einführung und Beibehaltung der wirklich allgemeinen Wehrpflicht. Dies wurde zur Quelle eines militärpolitischen Übergewichts von ungeahnter Kraft. Neue Grundsätze für Ausbildung und Unterhalt des Soldaten sowie für die Dauer der Dienstpflicht waren natürliche Folgen dieses ersten Schrittes. Es bedurfte des neuen Anstoßes durch die deutschen Kriege von 1866 und 1870, um die allgemeine Wehrpflicht in allen europäischen Staaten, nur noch England ausgenommen, zur Wahrheit zu machen. In den meisten Staaten ist die Form der allgemeinen Wehrpflicht diejenige des nationalen Kadreheers, in der Schweiz die der reinen Miliz, d. h. einer Organisation mit so kurzer Schulzeit und so wenigen Berufsoffizieren, daß im Frieden, abgesehen von den Übungszeiten, gar keine Truppen vorhanden sind. Die heutige Organisation der Heere s. bei den einzelnen Ländern. Vgl. Jähns, Heeresverfassungen und Völkerleben (Berl. 1885); v. d. Goltz, Das Volk in Waffen (das. 1883); Vogt, Die europäischen Heere der Gegenwart (Rathenow 1886).

Heer, 1) Oswald, Botaniker und Paläontolog, geb. 31. Aug. 1809 zu Niederutzwyl im Kanton St. Gallen, studierte seit 1828 in Halle Theologie, nebenbei bei auch Naturwissenschaft, wurde 1831 als Geistlicher ordiniert, habilitierte sich aber 1834 als Privatdozent an der Hochschule in Zürich und erhielt 1836 die Professur der Botanik und Entomologie daselbst. 1832-36 verbrachte er einen großen Teil des Sommers in den Alpen, um die Höhenverbreitung der Pflanzen und Tiere zu studieren. 1834 beteiligte er sich bei der Gründung des botanischen Gartens in Zürich, dessen Direktion ihm übertragen wurde, 1843 gründete er den Verein für Landwirtschaft und Gartenbau des Kantons Zürich und präsidierte demselben 18 Jahre. Gleichzeitig gab er mit Regel die "Schweizerische Zeitschrift für Land- und Gartenbau" heraus und beschäftigte sich mit der Gründung der landwirtschaftlichen Schule des Kantons Zürich, deren Aufsichtskommission er während einer Reihe von Jahren vorstand. Krankheit nötigte ihn 1850, nach Madeira zu gehen, von wo er 1851 über Spanien und Südfrankreich zurückkehrte. Bei Errichtung des schweizerischen Polytechnikums erhielt er die Professur für spezielle Botanik. H. war 20 Jahre Mitglied des Großen Rats des Kantons Zürich und starb 27. Sept. 1883 in Lausanne. Von seinen zahlreichen Veröffentlichungen seien genannt: "Fauna coleopterorum helvetica" (Zürich 1838-1841, 3 Tle.); "Der Kanton Glarus" (mit Blumen-Heer, St. Gallen 1846); "Insektenfauna der Tertiärgebilde von Öningen und Radoboj in Kroatien" (Leipz. 1847-53, 3 Bde.); "Flora tertiaria Helvetiae" (Winterth. 1854-58, 3 Bde. mit 150 Tafeln); "Das Klima und die Vegetationsverhältnisse des Tertiärlandes" (das. 1860); "Beiträge zur Insektenfauna Öningens" (Haarlem 1861); "Die Urwelt der Schweiz" (Zürich 1865, 2. Aufl. 1879); "Die Pflanzen der Pfahlbauten" (das. 1865); "Die sächsisch-thüringische Braunkohlenflora" (Berl. 1861); "Die Braunkohlenpflanzen von Bornstedt" (Halle 1869); "Die miocäne baltische Flora" (Königsb. 1869); "Beiträge zur Kreideflora" (Zürich 1869-72); "Arnold Escher von der Linth, Lebensbild eines Naturforschers" (das. 1873); "Die fossile Flora der Polarländer" (das. 1868-83, 7 Bde. mit 158 Tafeln), "Die vorweltliche Flora der Schweiz" (Winterth. 1876, Bd. 1); "Fossile Pflanzen von Sumatra" (Zürich 1875). "Contributions à la flore fossile du Portugal" (Lissabon 1881); "Beiträge zur fossilen Flora Sibiriens" (Petersb. 1878); "Miocäne Flora der Insel Sachalin" (das. 1878); "Über die nivale Flora der Schweiz" (Zürich 1883). Vgl. Justus Heer u. Schröter, Oswald H., Lebensbild (Zürich 1885 ff.).

2) Joachim, schweizer. Staatsmann, geb. 25. Sept. 1825 zu Glarus aus einer reichen und angesehenen Familie, welcher mehrere Landammänner von Glarus angehörten, studierte in Zürich, Heidelberg, Berlin und Paris, trat dann in den öffentlichen Staatsdienst und ward 1857 Landammann von Glarus, welches Amt er 18 Jahre bekleidete; er erwarb sich durch kluge, rechtliche Verwaltung große Achtung und Einfluß. 1867 vertrat er die Schweiz sieben Monate lang als Gesandter beim Norddeutschen Bund in Berlin. Seit 1860 Mitglied des Nationalrats, dessen