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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Heideland; Heidelberg

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Heideland - Heidelberg.

Heideland, s. v. w. Heide. Heidelbeere, s. Vaccinium.

Heidelberg, alte berühmte Universitätsstadt im gleichnamigen bad. Kreis und Amtsbezirk, 116 m ü. M., in reizender Gegend des Neckarthals, da, wo der Fluß aus dem Gebirge in die Ebene tritt, am Fuß des 568 m hohen Königsstuhls, Knotenpunkt der Linien Mannheim-Konstanz, H.-Neckargemünd-Würzburg und H.-Speier der Badischen Staatsbahn und der Linie Frankfurt a. M.-H. der Main-Neckarbahn, erstreckt sich am linken Neckarufer zwischen Fluß und Gebirge vom Karlsthor, neben welchem der H.-Würzburger Bahnhof liegt, bis zum Bahnhof der andern Linien im W. der Stadt in einer einzigen von einer Pferdebahn durchzogenen Hauptstraße, 3 km lang, von O. nach W. Zwischen beiden Bahnhöfen besteht eine Verbindung mittels eines Tunnels auf der Südseite der Stadt. Über den Neckar führen zwei Brücken; die obere ist 210 m lang, 9 m breit und geschmückt mit den Statuen der Minerva und des Kurfürsten Karl Theodor, die untere, am westlichen Ende der Stadt, 1877 vollendet, ist 243 m lang und 10 m breit. Unter den zahlreichen Plätzen ist der Wredeplatz mit einem 1860 errichteten Denkmal des bayrischen Feldmarschalls Wrede (von Halbig) geschmückt. Unter den Kirchen verdienen Erwähnung: die Heilige-Geistkirche, um 1400 erbaut, eins der imposantesten Denkmäler des spätgotischen Stils, mit dem Grabdenkmal ihres Stifters, Kaiser Ruprechts, und dessen Gemahlin, ferner die 1868-70 restaurierte gotische Peterskirche, mit merkwürdigen Grabmälern aus dem 16. und 17. Jahrh., darunter das der gelehrten Olympia Fulvia Morata, die 1885 restaurierte Providenzkirche und die 1870 geschmackvoll restaurierte Jesuitenkirche (kath. Pfarrkirche). Unter den Profanbauten sind bemerkenswert: das Reichspostgebäude, das 1886 restaurierte Universitätsgebäude, das aus dem Jahr 1592 herrührende Gasthaus Zum Ritter u. a.

Die größte Sehenswürdigkeit Heidelbergs ist das alte, berühmte Schloß, das auf dem Jettenbühel, einem Vorhügel des Geisbergs, unmittelbar über der Stadt und 101 m über dem Spiegel des Neckar sich erhebt, eine "deutsche Albambra" (vgl. nebenstehenden Plan). Zu Ende des 13. Jahrh. begonnen, wurde der Bau besonders unter dem Kurfürsten Ruprecht, dem deutschen König, weiter fortgeführt und später noch durch den eleganten und prachtvollen Otto-Heinrichsbau (seit 1556-59, s. Taf. "Baukunst XII", Fig. 5), ein Musterwerk phantasiereicher und edler Frührenaissance mit reichem plastischen Schmuck (von A. Colins aus Mecheln), und den im reichsten Spätrenaissancestil 1601-1607 ausgeführten Friedrichsbau mit 16 Porträtstatuen erweitert. Diese Hauptgebäude des Schlosses bilden ein Viereck mit runden Ecktürmen: nach SW. stehen der Ruprechtsbau (1400-1410 erbaut), der sog. Alte Bau und das "Bandhaus", der älteste Teil des Schlosses, nach der Nordwestseite der Friedrichsbau (mit den Standbildern pfälzischer Fürsten geschmückt), auf der Nordost- u. Südostseite der Otto-Heinrichsbau nebst dem sog. Neuen Hof, aus Gotik und Renaissance gemischt, und der Ludwigsbau; auf der Westseite fügt sich noch als jüngster Bau der Elisabethenbau (1618) an. Nachdem die Drangsale des Dreißigjährigen Wappen von Heidelbergs Kriegs überwunden waren, wurde das Schloß erst durch die Franzosen 1689 und 1693 zum großen Teil zerstört (namentlich ein mächtiger, an 30 m im Durchmesser haltender Turm gesprengt), dann 1764 durch einen Blitzstrahl noch weiter verwüstet. Seitdem ist es Ruine, die großartigste und schönste Deutschlands, die von Epheu in üppigster Fülle umsponnen ist, im übrigen vor weiterm Verfall sorgfältig geschützt wird. Vorzüglich sehenswert sind: das halb in Grün versteckte Elisabethenthor, die vier schönen Granitsäulen am Schloßbrunnen, die aus Karls d. Gr. Palast zu Ingelheim hierher gebracht sind, der Schloßgarten mit einer großen Terrasse, von der man eine entzückende Aussicht in die Rheinebene, bis Speier und zu dem Hardtgebirge hat, der gesprengte Turm, der schöne achteckige Turm, der vormalige Schloßgarten, die noch erhaltene Schloßkirche im Friedrichsbau, wo sich auch die für die Geschichte des Schlosses und der Stadt interessante städtische Sammlung befindet. Endlich zeigt man in einem besondern Kellergewölbe das bekannte große, 1751 gebaute Faß, das beinahe 7 m im Durchmesser and über 10 m in der Länge hat und 236,000 Flaschen faßt. Die Bevölkerung beträgt (1885) mit der Garnison (1 Bat. Grenadiere Nr. 110) 24,417 Seelen, 1880: 14,144 Evangelische, 9312 Katholiken und 799 Juden. Die Erwerbsquellen der Bewohner bilden vorzugsweise die Universität, der bedeutende Fremdenbesuch und der ziemlich lebhafte Handel, der seine Hauptstützen in den sich hier kreuzenden wichtigen Straßen und in den Eisenbahnverbindungen findet. In industrieller Hinsicht sind Fabriken für Tabak, Leder, Feuerspritzen, chirurgische Instrumente, Eisenbahnwagen, Zement sowie bedeutende Bierbrauereien namhaft zu machen; außerdem wird lebhafter Buch-, Wein-, Tabaks- und Hopfenhandel betrieben. An größern Bankgeschäften besitzt H. eine Reichsbanknebenstelle. Von den Bildungsanstalten erfreut sich die Universität eines besondern Rufs. Ihre Dotation beläuft sich auf 6-700,000 Mk., Rektor ist der Großherzog. Die Zahl der Studierenden belief sich im Sommersemester 1886 auf 1036, die Zahl der Dozenten auf etwa 100. Die Bibliothek wurde nach dem Verlust der alten Bibliotheca Palatina (s. unten) 1703 durch Ankauf der Gräviusschen Sammlungen gegründet. Sie zählt ½ Mill. Bände, 2000 Handschriften, 2000 Pergamenturkunden etc. Mit der Universität sind außerdem verbunden: ein akademisches Hospital, ein Kinderkrankenhaus (Luisen-Heilanstalt), eine Entbindungsanstalt, ein physiologisches Institut, ein chemisches Laboratorium, ein zoologisches und ein mineralogisches Museum, ein

^[Abb.: Grundriß des Schlosses zu Heidelberg.]