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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Heizung

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Heizung (Reinhaltung der Zimmerluft, Erwärmungsgrad, Heizvorrichtungen).

Trockenheit deutlicher und unangenehmer empfindet. Dabei kommt noch in Betracht, daß die relativ sehr trockne Luft den Wänden, Möbeln etc. Feuchtigkeit entzieht, welche, wenn kein erheblicher Luftwechsel stattfindet, im Zimmer bleibt und nach dem Sinken der Temperatur von den genannten Gegenständen wieder aufgenommen wird, während bei Ventilationsheizung das in die Luft dampfförmig übergegangene Wasser fortgeschafft und mithin die Wände und der Inhalt der beheizten Zimmer immer trockner werden. Hat diese Trockenheit einen gewissen Grad erreicht, so wird die warme, trockne Luft den Bewohnern der beheizten Zimmer Feuchtigkeit zu entziehen suchen, und man empfindet dann Rauheit und Kratzen am weichen Gaumen, am Schlund und an der Zungenwurzel, auch wenn die Luft von Staub, Zersetzungsprodukten des letztern und von Rauch völlig frei ist. Dies Gefühl tritt um so stärker auf, wenn die Wärme im Raum ungleich verteilt ist und infolgedessen den Körper ein abnorm warmer Luftstrom umspült. Man vermeidet es, wenn man bei Ventilationsheizungen für künstliche Befeuchtung der Heizluft Sorge trägt, indem man die letztere in der Heizkammer über mit Wasser gefüllte Gefäße oder über befeuchtete Gewebe streichen läßt. Es fehlt zur Zeit noch an experimentellen und praktischen Erfahrungen, um bestimmte Grenzwerte für die erforderliche relative Feuchtigkeit der Luft in bewohnten Räumen aufstellen zu können; man kann aber für mäßig besetzte Räume bei Ofenheizung 40-70 Proz., bei lokaler Ventilationsheizung 45-65 Proz., bei zentraler mit ergiebigem Luftwechsel 50-70 Proz. unter 19° Zimmertemperatur als passende Werte annehmen.

Die erforderliche Temperaturhöhe darf niemals auf Kosten der Reinheit der Luft durch Beschränkung des Luftwechsels zu erreichen gesucht werden. Vielmehr muß die Heizanlage überall, wo die freiwillige Ventilation dem Luftbedarf nicht genügt, gleichzeitig auf Beförderung der künstlichen Ventilation Bedacht nehmen. Der gewöhnliche Zimmerofen ist deshalb den Halböfen vorzuziehen, welche ihren Luftbedarf nicht aus dem beheizten Raum entnehmen; aber seine Wirkung darf nicht überschätzt werden. Zur Verbrennung von 1 kg Holz werden dem Zimmer etwa 9-10 cbm Luft, von 1 kg Kohle 16-18 cbm Luft entzogen. Der Ersatz strömt durch alle zufälligen Öffnungen ein, und so entsteht die Gefahr, daß aus Korridoren oder Nebenräumen Luft eintritt, deren Reinheit nicht wesentlich größer ist als die der durch den Öfen aufgesogenen Zimmerluft. Viel rationeller sind jedenfalls Vorkehrungen, durch welche reine, erwärmte Luft in den zu beheizenden Raum geleitet wird, während man für die abströmende Luft besondere Öffnungen anbringt oder ihr überläßt, durch zufällige Öffnungen zu entweichen. Die neuere Heiztechnik hat in dieser Weise H. und Ventilation vielfach sehr glücklich miteinander vereinigt und eine große Zahl von Konstruktionen geliefert, welche ihrem Zweck gut entsprechen. Selbstverständlich ist Anlage und Betrieb von Heizungen, welche zugleich stark ventilierend wirken, teurer als von gewöhnlichen Heizungen. Der durchschnittliche Mehrverbrauch an Brennmaterial für die Ventilation berechnet sich bei guten Anlagen auf etwa 0,20 des ganzen Brennmaterialbedarfs.

Bei der Beheizung der Wohnräume üben die Wände einen bedeutenden Einfluß aus. Heizt man ein lange nicht benutztes Zimmer, so friert man in demselben, wenn auch die Lufttemperatur bereits über die Norm gestiegen ist, weil die Körperoberfläche durch Bestrahlung der kalten Wände noch reichliche Wärmemengen einbüßt. Man erreicht daher auch in einem solchen Zimmer eine konstante Temperatur sehr viel schwerer als in einem fortwährend benutzten, in welchem die Wände durchwärmt sind. Die Luft macht beim Anheizen im Vergleich zu den Wänden an den Heizapparat geringe Ansprüche; 1 cbm Luft braucht für eine Temperatursteigerung von 1° nur 0,31 Wärmeeinheit, während 1 cbm Backstein 300-500 Wärmeeinheiten, 1 cbm Wasser aber 1000 Wärmeeinheiten für 1° Temperaturerhöhung verlangt. Zimmer mit nassen Wänden heizen sich ungleich schwerer als trockne, weil die nassen Wände gute Wärmeleiter sind, weil das Wasser jene hohe Wärmekapazität besitzt, und weil an der Oberfläche der Wände durch Verdunsten von Wasser viel Wärme gebunden wird.

Die Ansprüche an den Grad der Erwärmung bewohnter Räume sind sehr verschieden, und auch unter gleichen Bedingungen der Befeuchtung und Ventilation nennt der eine warm, was dem andern kühl erscheint. Im allgemeinen kann man folgende Temperaturen (in Kopfhöhe gemessen) als zuträglich erachten.

^[Liste]

in Kirchen 8-12° C.

in Eisenbahnwagen für Personenverkehr 10-12° C.

in Turnsälen, auf Fechtböden 10-14° C.

in Krankenzimmern mit fiebernden Kranken 10-15° C.

in Treppenhäusern und Korridoren 12-15° C.

in Werkstätten bei starken Körperanstrengungen 12-15° C.

in Eisenbahnwagen für Verwundetentransport 12-15° C.

in Schlafräumen 12-16° C.

in Versammlungsräumen, Theatern, Konzertsälen etc. 16-18° C.

in Werkstätten bei sitzender Arbeitsweise 16-18° C.

in Schul- und Hörsälen 16-19° C.

in Krankenzimmern mit nicht fiebernden Kranken und Rekonvaleszenten 17-20° C.

in Wohnräumen 18-20° C.

in Badezimmern 20-23° C.

Bei Ventilationsheizungen und in selten benutzten Räumen darf sich die Temperatur den obern Grenzwerten nähern. Da aber eine und dieselbe Temperatur sehr ungleichen Eindruck macht, so darf die Regulierung des Heizapparats, namentlich wo viele Menschen in einem Raum beisammenwohnen, nur nach Maßgabe des Thermometerstandes erfolgen und wird bei Zentralheizungen am besten völlig in die Hand des Heizers gelegt. Man kann hierbei elektrische Signalapparate anwenden, indem man Thermometer benutzt, welche beim Sinken und Steigen der Temperatur über gewisse Grenzwerte hinaus den Apparat in Thätigkeit treten lassen. Vollkommen selbstthätige Regulatoren sind bisher noch nicht mit Erfolg ausgeführt worden.

Die Heizvorrichtungen bestehen meist aus drei Hauptteilen: dem Verbrennungsraum, dem Heizraum und dem Schornstein. Ersterer wird nach den Prinzipien, welche für alle Feuerungsanlagen maßgebend sind, konstruiert und hat namentlich die Natur des Brennmaterials zu berücksichtigen. Der Heizraum hat den Zweck, den Feuerungsgasen Wärme zu entziehen, um sie an die Zimmerluft abzugeben. Er besteht aus einem System von Kanälen, um den Weg, den die Feuerungsgase zwischen Verbrennungsraum und Esse zurücklegen, möglichst zu verlängern und die Berührungsfläche zwischen Ofenwandung und Feuerungsgasen zu vergrößern. Bei eisernen Öfen pflegt man das blecherne Rauchrohr zu verlängern und gewinnt dadurch ganz erheblich an Heizfläche, ja man hat vorgeschlagen, das Rauchrohr direkt hinter dem Öfen senkrecht aufsteigen zu lassen und erst unter der Decke der nächst höhern Etage in die Esse zu lei-^[folgende Seite]