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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Helminth - Helmont.

sei, von welchem bald diese, bald jene Teile stärker bewegt werben, je nach der Frequenz und Beschaffenheit der das Ohr treffenden Schwingungen. So wird es eben erklärlich, daß von verschieden gearteten Luftschwingungen verschiedene Gruppen von Gehörnervenfasern in den Erregungszustand versetzt werden. Mit den Untersuchungen H.' über das Hören gingen Hand in Hand seine mathematischen und experimentellen Forschungen über das mechanische Wesen der Luftschwingungen. Ein Ergebnis derselben war einerseits die analytische Lösung mancher allgemeinen hydrodynamischen Probleme, welche bis dahin den Anstrengungen der Mathematiker widerstanden hatten, anderseits die Theorie der Vokalklänge. Diese letztere ist vielleicht bestimmt, der Sprachwissenschaft noch bedeutende Dienste zu leisten; denn sie gestattet es, die zur Hervorbringung eines Vokals erforderliche Mundstellung so genau zu definieren, daß es einem Menschen, der den betreffenden Vokal nie gehört hat, möglich ist, solchen genau auszusprechen mit Beibehaltung der feinsten Schattierung. In dem Werk "Die Lehre von den Tonempfindungen" (Braunschw. 1862, 4. Aufl. 1877) hat H. seine akustischen Untersuchungen zusammenhängend dargestellt und dieselben zur wissenschaftlichen Begründung der musikalischen Harmonielehre verwertet. Auf dem Gebiet der Anatomie war H. einer der ersten, welche den Zusammenhang von Nervenfasern und Nervenzellen (die anatomische Grundlage unsrer Anschauung vom Nervenleben) beobachtet haben. Sodann verdankt ihm auch die spezielle Muskelmechanik manche anerkannte Bereicherung. Seit 1871 hat H. sich fast ausschließlich der Physik zugewandt. Die ersten Arbeiten aus dieser Zeit beziehen sich auf das Grundgesetz der Elektrodynamik. H. verwirft in denselben das Webersche elektrische Grundgesetz und setzt an Stelle desselben das sogen. Potenzialgesetz. Die Arbeiten wurden Anlaß zu einer ausgedehnten Diskussion über die Grundlagen der Elektrodynamik, an der sich Weber, C. Neumann, Zöllner u. a. beteiligten. H. selbst wies nach, daß für geschlossene Ströme die verschiedenen Theorien zu den gleichen Resultaten führen, daß ein Unterschied sich nur in dem Verhalten der Stromenden ungeschlossener Ströme ergebe. Versuche, welche teils von H. selbst, teils auf seine Veranlassung von seinem Schüler Schiller ausgeführt wurden, ergaben ihm als Resultat, daß das von ihm aufgestellte Potenzialgesetz nicht mit der Erfahrung übereinstimme, daß es vielmehr in dem Sinn der Auffassung von Faraday und Maxwell, nach welcher auch die in den Isolatoren stattfindenden elektrischen Vorgänge in Betracht zu ziehen sind, ergänzt werden müsse. Eine Entwickelung der Theorie nach dieser Richtung hat H. in Aussicht gestellt. Neben diesen und weitern elektrischen Arbeiten erschienen Abhandlungen aus andern Gebieten, von denen nur die grundlegende Abhandlung über die Theorie der anomalen Dispersion und über die Anwendung der mechanischen Wärmetheorie auf die chemischen Vorgänge hervorgehoben werden mögen. Die wissenschaftlichen Abhandlungen von H. erschienen gesammelt in 2 Bänden (Leipz. 1881-83). Eine größere Zahl populärer Vorträge sind unter dem Titel: "Populäre Vorträge und Reden" (3. Aufl., Braunschw. 1884, 2 Bde.) erschienen.

Helminth (Helmintholith), chloritähnliches Mineral, welches in Form ganz kleiner, wurmartig gewundener und verdrehter, rhombischer oder sechsseitiger Prismen auftritt und im Bergkristall, Adular, Periklin, Titanit vorkommt. Es ist grün und fettglänzend auf den prismatischen, silberweiß und metallartig perlmutterglänzend auf den basischen Flächen, Härte 2,5, spez. Gew. 2,6-2,75, in der Zusammensetzung dem Klinochlor nahestehend.

Helminthen (griech.), Eingeweidewürmer (s. d.).

Helminthiasis (griech.), s. Wurmkrankheit.

Helminthika (griech.), Wurmmittel, s. Wurmkrankheit.

Helmintholith, s. Marmor und Helminth.

Helminthologie (griech.), Lehre von den Eingeweidewürmern.

Helmkerfe, s. v. w. Geradflügler.

Helmkleinod, s. Helm, S. 364.

Helmle, Lorenz, Glasmaler, geb. 1783 zu Breitenau im badischen Schwarzwald, unterstützte seinen Vater im Malen von Zifferblättern und kam 1822 mit seinem ältern Bruder, Andreas (gest. 1845), nach Freiburg. Hier wurde es ihnen durch Unterstützung des Grafen von Reinach möglich, sich der Glasmalerei zu widmen, für welche sie besonders in dem Münster Anregung fanden. Im Auftrag des Grafen fertigten sie mehrere Fenster für die südliche Seite sowie für die Abendmahls- und Grablegungskapellen des Münsters. Ihre spätern Arbeiten gingen meist nach der Schweiz, nach Frankreich und England. Zu den gelungensten Werken Lorenz Helmles zählen zwei große Fenster im Dom zu Mainz und ein großes Prachtfenster (die heil. Theresia) in der Kirche von Bergheim bei Köln. H. starb 15. Febr. 1849.

Helmlehen, s. v. w. Mannlehen im Gegensatz zum Weiber-, Schleier- oder Kunkellehen.

Helmold, Geschichtschreiber des 12. Jahrh., gebürtig aus Holstein, Priester zu Bosau unweit Plön, war mit den Bischöfen von Oldenburg, Vicelin (gest. 1154) und Gerold (gest. 1163), welche um die Verbreitung des Christentums bei den Slawen sich sehr verdient machten, eng befreundet und schrieb auf des letztern Veranlassung sein Geschichtswerk, die "Chronica Slavorum", welche in gutem, fließendem Latein die Geschichte der Kämpfe mit den Slawen und der christlichen Mission bei ihnen von Karl d. Gr. ab erzählt und über die Zeit Heinrichs des Löwen (bis 1170) als wohlunterrichtete zeitgenössische Quelle ausführliche Nachrichten gibt; unbedingt zuverlässig und unparteiisch ist sie allerdings nicht. Sie wurde von dem Abt Arnold von Lübeck (s. d.) bis 1209 fortgesetzt. Die älteste Ausgabe derselben ist von Schorkel (Frankf. 1556), die neueste von Lappenberg in Pertz' "Monumenta Germaniae historica", Bd. 21; eine deutsche Übersetzung lieferte Laurent (Berl. 1852). Vgl. Völkel, Die Slawenchronik Helmolds (Danz. 1873); Broska in "Forschungen zur deutschen Geschichte", Bd. 22 (das. 1882).

Helmond, Stadt in der niederländ. Provinz Nordbrabant, an der Aa, dem Süd-Wilhelmskanal und an der Eisenbahn Venloo-Breda gelegen, hat eine lateinische Schule, eine höhere Bürgerschule, bedeutende Industrie (Weberei, Spinnerei, Buchdruckerei, Zigarren- und Tabaksfabrikation), einigen Handel und (1883) 7772 Einw.

Helmont, Johann Baptist van, Mediziner und Philosoph, geb. 1577 zu Brüssel, studierte in Löwen Medizin und Chirurgie, trat schon in seinem 17. Jahr als öffentlicher Lehrer derselben auf, bereiste die Schweiz, Italien, Frankreich und England, wandte sich dann vornehmlich der Chemie zu und kehrte erst 1605 nach Amsterdam zurück. Im J. 1609 zog er sich auf sein Gut Vilvorde bei Brüssel zurück und widmete sich hier der medizinischen Praxis. Er starb 30. Dez. 1644. H. ist ein Hauptvertreter der Chemiatrie und Nachfolger des Paracelsus, auf dessen Vorarbeit-^[folgende Seite]