Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hessen

469

Hessen (Großherzogtum: Landwirtschaft, Bergbau, Industrie).

Größe eines Betriebs nach der landwirtschaftlich benutzten Fläche betrug 3,4 Hektar, nach der Gesamtfläche 3,8 Hektar. Der sehr rationell betriebene Ackerbau liefert Getreide aller Art und (besonders in Rheinhessen) in solcher Menge, daß ein großer Teil davon ausgeführt werden kann. Hülsenfrüchte, namentlich Erbsen, und Kartoffeln werden überall, letztere in großer Menge (1885 ca. 8,700,000 Doppelzentner) gezogen. Ebenso hat der Gemüsebau in einzelnen Gegenden eine hohe Entwickelung erlangt, so in Starkenburg in der Gegend von Dornberg, Heppenheim und Bensheim, bei Darmstadt (Spargel), in Rheinhessen bei Mainz, Bingen und Worms. Rüben werden sehr viel angepflanzt (1885: 7,149,391 Doppelzentner), von Ölgewächsen besonders Raps (1885: 29,122 Doppelzentner). Tabaksbau (1885: 14,142 Doppelzentner) ist in Starkenburg von Bedeutung (14,140 Doppelzentner); der Flachsbau herrscht in Oberhessen vor (1883 insgesamt 9250 Doppelzentner, wovon 8818 in Oberhessen). Der Obstbau ist sehr lohnend und wird in allen drei Provinzen emsig gepflegt (1885 Gesamtertrag 300,242 Doppelzentner im Wert von 2,183,458 Mk.).

Noch bedeutender ist der Weinbau, besonders, wie schon erwähnt, in Rheinhessen (im Kreis Bingen kommen 14,2 Proz., in Oppenheim 9, in Mainz 5,7, in Alzey 5,4, in Worms 4,5 Proz. des Areals auf Weinland) und an der Bergstraße, wo er einen wichtigen Artikel für den Export liefert. Die Hauptorte in Rheinhessen für weiße Weine sind Nierstein, Büdesheim (mit dem berühmten Scharlachberg), Bingen, Oppenheim, Worms (mit den berühmten Sorten Liebfrauenmilch, Luginsland und Katterlöcher), Dienheim, Laubenheim etc., für Rotweine Gundersheim, Ober- und Nieder-Ingelheim und Heidesheim. In Starkenburg sind die Weine von Zwingenberg, Auerbach, Bensheim und Heppenheim sehr geschätzt. Der gesamte Weinertrag belief sich 1875-85 auf durchschnittlich 275,782 hl im Jahr (1880: 38,079 hl, 1885: 547,027 hl). Die Wiesenkultur hat seit Jahrzehnten außerordentliche Fortschritte gemacht, am reichsten an Wiesen und Weiden ist Oberhessen; auch die Forstkultur ist überall (mit Ausnahme Rheinhessens) sehr ansehnlich und in hoher Blüte. Von den Waldungen sind nach Erhebungen im J. 1883: 87,57 Proz. Hochwald (48,13 Proz. Laub- und 39,44 Proz. Nadelholz), 1,12 Proz. Mittelwald und 11,31 Proz. Niederwald. Sie sind zu 27,4 Proz. Kron- und Staatsforste, 1,5 Proz. Staatsanteilsforste, 36,2 Proz. Gemeindeforste, 0,3 Proz. Stiftungsforste, 0,9 Proz. Genossenforste und 33,7 Proz. Privatforste. Die größte Waldfläche besitzt der Kreis Erbach (58,5 Proz. des Areals); am schlechtesten bewaldet sind die Kreise Worms (0,9 Proz.) und Oppenheim (2,4 Proz.). Als Gegenstände der Jagd sind zu nennen: Edel- und Damwild, Sauen, Rehe, Hasen, Kaninchen, Fischottern, Füchse, Marder, Falken, Birk- und Auerhühner etc. Was die Viehzucht anlangt, so ist besonders die Rindviehzucht von großer Wichtigkeit und bietet in ihren Produkten einen ansehnlichen Ausfuhrartikel dar. Man zählte 1883: 290,105 Stück Rindvieh (die meisten in Oberhessen) mit einem Wert von ca. 62 Mill. Mk. Die Schafzucht (101,663 Stück) ist nur in Oberhessen (74,968 Stück), die Schweinezucht (162,920 Stück) in Oberhessen und Starkenburg von Bedeutung. Ziegen (93,646 Stück) werden in Rheinhessen und Starkenburg fast gleichmäßig, in Oberhessen in etwas geringerer Anzahl gehalten. Zur Verbesserung der Pferdezucht (47,546 Stück) trägt das Landgestüt zu Darmstadt viel bei. Der gesamte Kapitalwert der Pferde etc., des Rindviehs, der Schafe, Schweine und Ziegen berechnet sich auf ca. 98 Mill. Mk. Federvieh wird überall in Masse gezogen, die Bienenzucht strichweise (namentlich im Odenwald und in Rheinhessen) betrieben.

Der Bergbau, der schon in alten Zeiten in H. heimisch war und teils vom Staate, teils von Privaten betrieben wird, ist nur in Oberhessen von Bedeutung und liefert gegenwärtig Braunkohlen, Eisen-, Mangan- und Bleierze und Salz als wichtigste Objekte. 1884 waren im Betrieb: 27 Eisenerzbergwerke (26 in Oberhessen, 1 in Starkenburg) mit einer Produktion von 128,105 Ton. zu 1000 kg im Wert von 798,723 Mk. (1885: 109,832 T. im Wert von 669,445 Mk.), 2 Braunsteinbergwerke, auf welchen Mangan als Nebenprodukt gewonnen wird, ein Bleierzbergwerk u. 10 Braunkohlenbergwerke mit 67,724 T. Produktion im Wert von 393,706 Mk. (1885: 59,992 T. im Wert von 397,258 Mk.). Die drei Salinen des Landes (Ludwigshalle bei Wimpfen, Bad-Nauheim und Theodorshalle bei Kreuznach) mit 161 Arbeitern produzierten 1884: 15,747 T. Kochsalz im Wert von 410,519 Mk. Von großer Bedeutung sind endlich die Torflager, besonders in Starkenburg; auch an Erden und Thon und an Steinbrüchen ist das Land reich. Ein Marmorbruch befindet sich in der Nähe von Auerbach.

Industrie.

Die gewerbliche Thätigkeit in H. ist ansehnlich und im stetigen Fortschritt begriffen. Seit Einführung der deutschen Gewerbeordnung herrscht vollständige Gewerbefreiheit und ist nur der Betrieb einzelner Gewerbe, wie Apotheken, Schankwirtschaften etc., aus polizeilichen Gründen von einer Konzession abhängig. Zur Hebung des Gewerbewesens wirken neben den Handelskammern (s. unten) in erster Linie die Zentralstelle für Gewerbe und der Landesgewerbverein zu Darmstadt mit zahlreichen Zweigvereinen an allen bedeutenden Orten des Landes, eine große, sich stets vermehrende Zahl von Vorschuß- und Kreditvereinen und ähnlichen Genossenschaften sowie die an allen gewerbreichern Orten des Landes befindlichen Handwerkerschulen etc. 1882 zählte man 128,296 in der Industrie, dem Bergbau, Hütten- und Bauwesen mit ihrem Hauptberuf erwerbstätige Personen und im ganzen 339,809 Personen (oder 36,55 Proz. der Gesamtbevölkerung), welche durch die Industrie ernährt werden. Gewerbebetriebe wurden 55,248 gezählt, wovon 48,311 Haupt- und 6937 Nebenbetriebe. Die Zahl der im Betrieb befindlichen Dampfkessel betrug Anfang 1881 in Starkenburg 509, in Oberhessen 248, in Rheinhessen 331, zusammen 1088. Einen ziemlich bedeutenden Zweig der hessischen Industrie bildet auch das Hüttenwesen. 1884 waren in Oberhessen für Roheisenproduktion zwei Werke im Betrieb und produzierten aus 85,831 Ton. Erzen und Schlacken und 42,178 T. andern (Zuschlags-) Materialien 36,592 (1885: 28,311) T. Roheisen im Wert von 2,378,454 (1885: 1,557,160) Mk. Für die Roheisenverarbeitung waren thätig 14 Eisengießereien etc. mit einer Produktion von 6663 (1885: 6883) T. im Wert von 1,207,057 (1885: 1,230,627) Mk.; weiter wurden 1884 an Fabrikaten aus Schweißeisen und Schweißstahl 85 T. im Wert von 13,612 Mk. dargestellt. Die Fabrikation von Maschinen blüht hauptsächlich in Offenbach, Mainz, Darmstadt, Gustavsburg bei Mainz, Rüsselsheim, Worms und Gießen. Für die Herstellung von Wagen, Wagenachsen und Waggons bestehen großartige Etablissements in Offenbach und Mombach im Kreis Mainz. Der für H. bei weitem hervorragendste Industriezweig ist die Fabrikation von lackiertem und gefärbtem Leder, welche mit einer Gesamtpro-^[folgende Seite]