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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hessen-Nassau

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Hessen-Nassau.

nate von ungeheuern Schneemassen bedeckt ist. Überaus angenehm ist das Klima in den tiefer gelegenen Landstrichen. Die jährliche Durchschnittswärme ergibt in Kassel und Marburg bei etwa 65 cm jährlicher Regenhöhe beinahe 9°, in Frankfurt a. M. 9,6° C.

[Bevölkerung. Nahrungszweige.] Die Zahl der Bewohner belief sich 1885 auf 1,592,454 Seelen gegen 1,554,376 im J. 1880. Unter den Bewohnern waren 1885: 1,110,831 Evangelische, 431,529 Katholiken und 43,145 Juden. Auf die Städte kamen 596,165, auf das platte Land 995,997 Bewohner. Städte gibt es 108, von denen nur 7 (Frankfurt a. M., Kassel, Wiesbaden, Hanau, Bockenheim, Marburg und Fulda) über 10,000 und 52 unter 2000 Einw. haben. Im Durchschnitt wohnen auf 1 qkm 101 Menschen (im Regierungsbezirk Kassel 79, in Wiesbaden 141). Die Evangelischen sind in den ursprünglich weltlichen, die Katholiken in den vormals geistlichen Staaten (Fulda, Mainz, Trier) vorherrschend. An Lehranstalten gibt es eine Universität (Marburg), 12 Gymnasien, 38 Realgymnasien, Realprogymnasien, Real-, Handels- und höhere Bürgerschulen, 7 Schullehrerseminare, 3 Taubstummen-, 2 Blindeninstitute etc. Die Hauptbeschäftigungen der Bewohner sind: Landwirtschaft, Viehzucht, die gewöhnlichen Gewerbe, Holzwirtschaft, Bergbau in einzelnen Gegenden (s. unten). Von der Gesamtfläche kamen 1883: 39,9 Proz. auf Äcker, Gärten und Weingärten, 11,6 auf Wiesen, 4,5 auf Weiden und 40,0 Proz. auf Wald. H. ist die waldreichste Provinz des preußischen Staats; von den Waldungen gehören 41,2 Proz. dem Staat, 34,6 Proz. Gemeinden, 1,5 Proz. Stiftungen, 5,9 Proz. Genossenschaften und nur 16,8 Proz. Privatleuten. Der Buchenhochwald ist die herrschende Waldart, erscheint aber schon mehrfach mit Nadelhölzern untermischt; die Eiche findet sich vorzüglich gemischt mit der Buche im Reinhardswald, in gepflanzten Beständen im Kreis Rinteln, in Schälwaldungen auf etwa 25,000 Hektar im Regierungsbezirk Wiesbaden; die Kiefer ist bei Fulda und in der Mainebene (auf kiesigem Boden) der herrschende Waldbaum, die Fichte, mit der Tanne vermischt, im Kreise Schmalkalden auf dem Thüringer Wald. Bewaldet sind vorzugsweise die Gebirge mit Ausnahme der höchsten Teile der Hohen Rhön und des Westerwaldes, sodann alle Berglandschaften u. Bergplatten. Vgl. Wagner, Die Waldungen des ehemaligen Kurfürstentums Hessen (Hannov. 1886, Bd. 1). Für den Ackerbau ist die Provinz nicht gerade sonderlich geeignet, doch sind durch Fruchtbarkeit ausgezeichnet die höhern Lagen in der Mainebene im S., der Goldene Grund an der Ems im Nordabhang des Taunus, die Ebene von Wabern und der Schwalmgrund an der Schwalm sowie die Landschaft an der Werra bei Eschwege. Von besonderer Wichtigkeit sind die Wiesen als eine Grundbedingung für die bedeutende Rindviehzucht. Garten-, Obst- und Gemüsebau sind ausgezeichnet in den begünstigten Gegenden, im N. bei Kassel und an der Werra, im S. am Main und am Rhein, sodann noch an der Lahn. Zu Geisenheim a. Rh. gibt es ein pomologisches Institut und großartige Baumschulen, die außer den gewöhnlichen Obstarten auch Pfirsiche, Quitten, Mispeln, Maulbeeren, Feigen etc. ziehen. Weinbau wird in geringem Maß an der Werra bei Witzenhausen betrieben; das Hauptgebiet für denselben sind die sanften Anhöhen und Hügel auf der Südseite des Taunus im sogen. Rheingau; da sind berühmte Weinorte Hochheim a. M. und am Rhein abwärts Schierstein, Eltville, Erbach (Markobrunner), Rauenthal, Kiedrich, Hattenheim, Östrich, Winkel, Johannisberg, Geisenheim, Rüdesheim, Aßmannshausen, Lorch u. a. Geringer Weinbau findet auch bei Hanau und an der Lahn unterhalb Ems statt. Das gesamte Weinbergsareal beläuft sich auf 3771 Hektar, wovon auf den Regierungsbezirk Wiesbaden 3520 Hektar kommen. Nach der Viehzählung von 1883 gab es 69,066 Pferde, 480,345 Stück Rindvieh, 554,299 Schafe, 266,303 Schweine und 129,068 Ziegen, zusammen im Wert von 182 1/3 Mill. Mk. Für die Pferdezucht besteht ein Landesgestüt in Dillenburg. In den Kreisen des Westerwaldes und an der Lahn im Regierungsbezirk Wiesbaden gibt es 45-55 Rinder auf 1 qkm, d. h. mehr als in irgend einem andern Teil des preußischen Staats. Die Zahl der Schafe hat gegen frühere Zählungen um mehr als 100,000 abgenommen. Das Mineralreich liefert Eisenerze in Menge, sodann Stein- und Braunkohlen, Kupfer-, Blei- u. Manganerze, Thone, Bausteine etc. Es waren 1885 unter anderm im Betrieb: 38 Braunkohlen-, 166 Eisen-, 8 Blei-, 1 Kupfer- und 19 Manganerzbergwerke; die Produktion betrug: 207,982 Ton. Braunkohlen, 532,748 T. Eisenerz, 16,091 T. Bleierz, 1347 T. Kupfererz und 12,273 T. Manganerz. Die vorzüglichsten Eisenerzlager befinden sich im Oberdevon (Krammenzel); das größte erstreckt sich von Katzenelnbogen über Dietz, Limburg, Weilburg und durch den Kreis Wetzlar bis Königsberg in einer Länge von beinahe 70 km; ein andres breitet sich an der Dill bei Dillenburg aus. Die schiffbare Lahn und die Deutz-Gießener Bahn befördern große Massen Eisenerze in das Ruhrkohlengebiet, obgleich auch große Mengen an den Fundorten selbst verhüttet werden. Bleierze mit Silbergehalt und Manganerze werden an der Lahn im Schiefergebirge, Steinkohlen der Wälderformation am Bückeberg im Kreis Rinteln, Braunkohlen am Habichts- und Kaufunger Wald, Bausteine in den zahlreichen Sandsteinbrüchen, Pflastersteine aus den Basaltbrüchen, Dachschiefer in der Nähe von Kaub gewonnen; vorzüglichen Thon gewinnt man am Kaufunger Wald (Großalmerode), daselbst auch Alaunthon, und im westlichen Teil des Westerwaldes.

Von höchster Wichtigkeit aber sind die Mineralquellen der verschiedensten Art, von denen mehrere, wie die Kochsalzthermen von Wiesbaden und die Natronthermen von Ems, einen europäischen Ruf haben. Andre Badeorte sind: Kronthal, Homburg, Soden, Langenschwalbach, Schlangenbad, Weilbach, Hofgeismar, Nenndorf etc. Das Wasser verschiedener Mineralbrunnen wird verschickt, so zu Niederselters im Kreis Untertaunus (Selterwasser), zu Fachingen und Geilnau an der Lahn etc. Die Fabrikthätigkeit ist nur in einzelnen Gegenden von Wichtigkeit, erfreut sich aber einer steigenden Bedeutung. Unter den Städten sind in dieser Hinsicht hervorzuheben: Kassel (Maschinen, Gold- und Silberwaren, Instrumente aller Art), Großalmerode (vorzügliche Schmelztiegel und andre Steingutwaren), Eschwege (vorzügliches Leder und Sohlleder aus südamerikanischen Häuten), Hersfeld (Leder, Tuch), Fulda (Damast und andre Zeuge), Hanau (Bijouterien, Zigarren, Eisengießereien), Bockenheim (Eisenbahnwagen, Maschinen, Chemikalien), Frankfurt a. M. (Bijouterien, Eisen- und Bronzewaren, Zigarren, Chemikalien), Dietz (Marmorwaren), Schmalkalden u. Umgegend (Kleineisenwaren). Aus dem sogen. "Kannenbäckerland" zu Ransbach und Dernbach im Kreis Unterwesterwald werden Krüge und andre Thonwaren in den Handel gebracht. Mehr vereinzelt ist noch eine Anzahl Fabriken über die verschiedensten Teile der Pro-^[folgende Seite]