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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hestia; Hestiäōtis; Hesychásten; Hesychĭos; Hetären

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Hestia - Hetären.

Hestia, bei den Griechen die Göttin des Herdes und des Herdfeuers, eine der zwölf obern Gottheiten, Tochter des Kronos und der Rhea, Schwester des Zeus (die jüngste von allen olympischen Gottheiten, da Homer sie noch nicht kennt), wurde von ihrem Vater verschlungen, aber durch die List ihrer Mutter gerettet. Sie war eine jungfräuliche Göttin, die, als Apollon und Poseidon um sie warben, ewig Jungfrau zu bleiben schwur. Wie der ihr heilige Herd der Mittelpunkt des häuslichen Lebens war, so war sie die Göttin der Häuslichkeit und alles häuslichen Segens, und da man den Göttern auf dem Herd opferte, so brachte man ihr, als der Vorsteherin der Opfer, beim Opferschmaus zu Anfang und zu Ende heilige Spenden dar. Bei dem Herd und bei dessen Göttin schwur man heilige Eide; bei Verträgen wurde H. vor allen Göttern angerufen. Der Herd war ein Asyl für Schutzflehende und H. mit Zeus die Schutzgottheit derselben. Naturgemäß wurde die Schutzgöttin des Hauses auch Beschützerin jeder staatlichen Vereinigung. Deshalb war in den griechischen Staaten das Prytaneion der H. geweiht, und sie hatte dort einen Altar, auf dem ihr zu Ehren ein ewiges Feuer unterhalten wurde. Von diesem Altar nahmen die in die Ferne ziehenden Kolonisten Feuer mit für den Herd ihrer künftigen Niederlassung. Die der H. entsprechende Göttin der Römer ist Vesta (s. d.), die aber im öffentlichen Leben derselben eine ungleich wichtigere Rolle spielt. Dem reinen und keuschen Wesen der Göttin entsprechend, konnte ihre künstlerische Darstellung nur den Ausdruck der strengsten Sittlichkeit an sich tragen. Man pflegte sie sitzend oder ruhig dastehend mit ernstem Gesichtsausdruck und stets völlig bekleidet darzustellen. Im ganzen gab es im Altertum nur wenige Statuen der H., die berühmteste war die des Skopas. In erhaltenen Statuen ist H. noch nicht sicher nachgewiesen; man bezieht auf sie gewöhnlich die sagen. "Giustinianische Vesta" im Museo Torlonia in Rom (s. Abbildung), eine weibliche Gewandstatue strengen Stils, etwa aus der Zeit der Giebelfiguren des Zeustempels zu Olympia und diesen formenverwandt. Auf römischen Münzen erscheint sie mit dem Palladium und Simpulum. Vgl. Preuner, Hestia-Vesta (Tübing. 1864).

^[Abb.: Vesta Giustiniani (Rom).]

Hestiäōtis, Landschaft, s. Thessalien.

Hesychásten (griech., "Ruhende, Quietisten"), mystische Sekte von Mönchen, vornehmlich auf dem Berg Athos. Ihre Verirrungen sind besonders von ihrem Gegner, dem Mönch Barlaam (s. d.), geschildert worden. Sie lebten danach ein beschauliches Leben in fortwährendem Gebet, wobei sich jeder einzelne in einen Winkel setzte, das Kinn auf die Brust legte und das Auge unermüdet nach dem Nabel hin richtete. Sie meinten hierdurch zu einer leiblichen Anschauung des unerschaffenen Strahlenlichts der göttlichen Herrlichkeit zu gelangen (daher der Name Nabelseelen, Omphalopsychoi). Als Verteidiger der H. gegen die Angriffe Barlaams trat besonders Gregorius Palamas (s. d.), Erzbischof von Thessalonich, auf, welcher auf vier Synoden zwischen 1341 und 1351 die Anerkennung der Rechtgläubigkeit der H. durchsetzte. Vgl. Engelhardt, De Hesychastis (Erlang. 1829); Stein, Studien über die H. (Wien 1874).

Hesychĭos, 1) H. aus Alexandria, griech. Grammatiker, verfaßte wahrscheinlich gegen Ende des 4. Jahrh. n. Chr. zum Teil auf Grund älterer Glossographen ein griechisches Lexikon, das noch in der schweren Entstellung, in der es auf uns gekommen ist, eine der wichtigsten Quellen für Verständnis und Kritik der griechischen Dichter, Redner, Historiker und Ärzte ist. Ausgaben besorgten Alberti und Ruhnken (Leid. 1746-76, 2 Bde.), M. Schmidt (Jena 1857 bis 1868, 5 Bde.; kleinere Ausg., 2. Aufl., das. 1867). Vgl. Ranke, De lexici Hesychiani vera origine etc. (Quedlinb. 1831); Welcker, Kleine Schriften, Bd. 2 (Bonn 1845).

2) H. aus Milet, byzantin. Geschichtschreiber, im Anfang des 6. Jahrh. n. Chr., schrieb eine allgemeine Weltgeschichte, von der Zeit des Belos in Assyrien bis 518 n. Chr., und eine alphabetisch geordnete biographische Übersicht der vorzüglichsten griechischen und namentlich philosophischen Schriftsteller. Von ersterer ist nur der Anfang der letzten Abteilung übrig, herausgegeben in Labbes "Eclogae historicorum de rebus byzantinis" (Par. 1647), einzeln von Douza (Heidelb. 1598). Ausgaben beider Werke des H. hat man von Meursius (Leid. 1613) und Orelli (Leipz. 1820, Par. 1851).

Hetären (griech., "Freundinnen"), ungefähr seit der Zeit des Perikles euphemistische Bezeichnung der Buhlerinnen bei den Griechen. Schon Solon hatte, um die Heiligkeit der Ehen vor den Leidenschaften einer sinnlichen Jugend zu schützen, öffentliche Bordelle (Porneia) unter Aufsicht des Staats einrichten lassen, dazu schöne Sklavinnen aufgekauft und, wie berichtet wird, sogar von dem erzielten Ertrag der Aphrodite Pandemos einen Tempel gebaut. Seinen Zweck hatte er auch erreicht, denn die Sitte verurteilte streng den Besuch von Ehemännern in diesen Häusern, und besondere Gesetze beschützten die Rechte der etwa verletzten Ehefrauen. Erst zu Perikles' Zeit wurde das Hetärengewerbe verfeinert und dadurch für die öffentliche Moral ungleich gefährlicher. Es waren nicht mehr bloß Sklavinnen, die in den Instituten des Staats oder im Besitz von Privaten für Geld sich preisgeben mußten, sondern auch freie, meist aus der Fremde herbeigekommene, durch Schönheit und oft auch durch geistige Bildung ausgezeichnete Mädchen, die in eigner, zum Teil glänzender Haushaltung lebten, zogen die Männer an sich, oftmals ihr heimliches Gewerbe durch die Künste des Tanzes, Zitherspielens, Paukenschlagens verdeckend. Mag auch Aspasia (s. d.), die Geliebte des Perikles, nicht eine eigne Hetärenschule gestiftet haben, so eigneten sich doch durch ihren Umgang und ihr Vorbild viele