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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hirsch

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Hirsch (Arten).

unter Assistenz des Lokalforstpersonals geleitet. Die früher an fast allen Höfen üblichen Parforcejagden (s. d.) sind auf Rotwild wohl gänzlich abgekommen, auch die mit Hilfe des Leithundes (s. d.) bestätigten Jagden kommen deshalb nicht mehr vor, weil dieser edelste aller Hunde wohl nirgends mehr gehalten wird. Die jetzt noch allgemein üblichen Jagdmethoden sind: der Anstand (s. d.), das Birschen (s. d.) zu Fuß (Schleichen, Weidmerken), das Birschenfahren und Birschenreiten, das Schießen der Hirsche beim Schreien sowie die Treibjagd. Letztere wird am erfolgreichsten in der Weise betrieben, daß man einige ortskundige Leute die Distrikte, in welchen Wild steht, abgehen läßt, wobei sie ab und zu husten und mit Stecken an Bäume schlagen. Das Wild geht dabei viel leichter vor und kommt ruhig vor die Schützen. Bei Treibjagden mit vielen Treibern, die erhebliches Geräusch machen, geht es gewöhnlich durch die Treibwehr zurück oder kommt sehr flüchtig vor, wird daher leicht vorbeigeschossen und zieht so beunruhigt nach einer Verwundung weit fort, bis es sich niederthut, wodurch die Nachsuche (s. Anschuß, Birschzeichen, Schweißhund) sehr erschwert wird. Das erlegte Wild wird "aufgebrochen" und behufs Verwendung für die Küche "zerlegt" (über die dabei zu beobachtenden Hantierungen s. die betreffenden Artikel).

Andre Hirscharten.

(Hierzu die Tafel "Hirsche".)

Dem Edelhirsch am nächsten stehen ein nordwestafrikanischer H., ein stattlicher H. in Persien und der nordamerikanische Wapiti (C. canadensis Briss.), der größte aller eigentlichen Hirsche. Der Axis (Mazamahirsch, C. [Reduncina] Axis Erxl., s. Tafel) ist gedrungen gebaut, hat einen verhältnismäßig dicken Hals, kurzen Kopf, mittellange, zugespitzte Ohren; das leierförmige Geweih ähnelt dem unsers sechsendigen Edelhirsches, das Fell ist grau-rötlichbraun mit sehr dunklem Rückenstreifen, an Kehle, Bauch und der Innenseite der Läufe gelblichweiß, an den Seiten weiß gefleckt. Der Axis lebt in den Ebenen Ostindiens und auf den benachbarten Inseln, nachts in starken Rudeln umherschweifend, und bildet einen Gegenstand der eifrigsten Jagd. Er wird vollständig zahm, pflanzt sich auch bei uns fort; doch steht seiner weitern Verbreitung eine gewisse Unregelmäßigkeit in der Fortpflanzungszeit im Weg. Der virginische Hirsch (C. virginianus Gmel., s. Tafel), 1,8 m lang, mit 30 cm langem Schwanz, 1 m hoch, sehr zierlich gebaut, mit langgestrecktem, feinem Kopf, langem Hals, mittelhohen, schwachen Beinen und ziemlich langem Schwanz. Die Geweihe krümmen sich bogenförmig von rückwärts nach außen und vorwärts und sind in 3-7 Sprossen verästelt. Die Färbung ist schön gleichmäßig gelbrot, am Kopf und Rücken dunkler, am Bauch und an der Innenseite der Glieder blässer. Er findet sich in allen Waldungen Nordamerikas mit Ausnahme der nördlichsten, südlich bis Mexiko, westlich bis zu den Felsengebirgen, ist aber überall stark zurückgedrängt. Sein Leben gleicht ungefähr dem des Edelhirsches; man trifft ihn in den Prärien in Rudeln von vielen Hundert Stück, und hier, wo er nicht gestört wird, geht er auch in den Morgen- und Nachmittagsstunden seiner Äsung nach. Das Wildbret ist äußerst schmackhaft. In der Gefangenschaft werden diese Hirsche sehr zahm und gehören zu den anmutigsten Geschöpfen; ihre Haltung ist aber schwierig, weil sie ungemein leicht die zarten Läufe und meist so unglücklich brechen, daß man sie töten muß. Einbürgerungsversuche haben gute Erfolge gehabt. Zur Gattung Cervus gehört auch das Reh (s. d.). Zur Gattung Subulo H. Sm. (Spießhirsch) gehören kleine südamerikanische Tiere, deren Geweih nur aus zwei einfachen Stangen besteht; sie haben ziemlich langen, stark behaarten Schwanz, kleine Thränengruben und einen Haarschopf auf der Stirn. Der Rotspießhirsch (S. rufus Cuv., s. Tafel), 1,1 m lang, am Widerrist 60 cm hoch, mit kurzem, schlankem Hals, vorn sehr schmalem Kopf und ziemlich großen Ohren, erinnert in der Färbung an unser Reh. Er bewohnt Guayana, Brasilien, Peru, Paraguay, lebt in Wäldern und Gebüsch, immer paarweise, die Ricke wirft gewöhnlich nur ein Junges, welches die Alten gemeinschaftlich führen. Die Gattung Muntjakhirsch (Cervulus Blainv.) umfaßt in Indien und auf den Sundainseln heimische kleine Hirsche mit großen Thränengruben, kurzem, unverästeltem Geweih, mittellangem Schwanz mit Endquaste, ohne Haarbüschel an den Hinterfüßen. Der Kidang (Muntjak, C. Muntjac Zimmer, s. Tafel), 1,2 m lang, 65 cm hoch, ist ziemlich schlank gebaut, mit mittellangem Hals, kurzem Kopf, hohen, schlanken Läufen, sehr langem Rosenstock und einfachem Geweih mit kurzer Augensprosse, auf der Oberseite gelbbraun, auf dem Rücken bis kastanienbraun, an der Innenseite der Ohren, an Kinn, Kehle, Hinterbauch, an der Innenseite der Beine und Hinterbacken weiß, an den Vorderbeinen dunkelbraun. Er bewohnt Sumatra, Java, Borneo, Bangka und die Malaiische Halbinsel, bevorzugt hügelige Gegenden in der Nähe der Wälder, lebt in kleinen Familien und wird von den vornehmen Javanern sehr eifrig gejagt. Sie essen aber nur das Fleisch des Bockes, und das Fell bleibt unbenutzt. In der Gefangenschaft verlangt er einen weiten Raum und ausgewähltes Futter. Der Damhirsch (Dama vulgaris Brookes), 1,5 m lang, 0,9 m hoch, mit 20 cm langem Schwanz, hat einen verhältnismäßig stärkern Körper, kürzern Hals, kürzere und minder starke Läufe als der Edelhirsch, deutliche Thränengruben und ein mit runder Stange und Augensprosse versehenes, oben schaufelförmiges Geweih mit Sprossen am hintern Rand. Er variiert stark in der Färbung und ist im Sommer an der Oberseite, den Schenkeln und der Schwanzspitze braunrötlich, auf der Oberseite weiß gefleckt, auf der Unterseite und Innenseite der Beine weiß, im Winter an Kopf, Hals und Ohren braungrau, auf dem Rücken und an den Seiten schwärzlich, an der Unterseite aschgrau. Schwarze und weiße Varietäten sind nicht sehr selten. Das Damwild hat im wesentlichen dieselbe Lebensweise wie der Edelhirsch, ist aber genügsamer und hält sich daher besser in Kiefernheiden, während es mehr als der Edelhirsch schält und dadurch schädlicher wird. Es ist minder scheu und vorsichtig, gibt aber an Schnelligkeit und Gewandtheit dem Edelhirsch kaum etwas nach. Der Damhirsch liebt besonders gemäßigte Gegenden und ist in Kleinasien, in den Mittelmeerländern und Algerien am häufigsten; ob er in Deutschland heimisch sei, ist streitig. Jedenfalls beweisen Funde in alten Gräbern, daß er in vorhistorischer Zeit nach dem Norden gekommen sein muß. Er findet sich gegenwärtig vom Nordrand der Sahara bis zum südlichen Schweden; Aristoteles und Plinius erwähnen ihn als einen ständigen Bewohner ihrer Heimat. Man zieht ihn mit Vorliebe in den Parken, namentlich in England. Das Wildbret ist höchst schmackhaft, die Haut ist dehnbarer und weicher als die des Rotwildes. Die Brunft beginnt Anfang Oktober und dauert bis Mitte November; die Hirsche schreien dann, indem sie starke, weit schallende, orgelartige Töne hören lassen, wobei die stärkern die schwächern abkämpfen. Der stärkste