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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hochwang; Hochwasser

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Hochwang - Hochwasser.

Hochwang, ein Berggipfel der Plessuralpen, s. Plessur.

Hochwasser, das Anschwellen der Flüsse und die Entstehung von Überschwemmungen infolge einer größern Zufuhr meteorischer Niederschläge, als die Flüsse momentan abführen können. In der neuern Zeit haben im allgemeinen die H. unsrer Flüsse eine Zunahme erfahren, während der gewöhnliche Wasserstand ein niederer geworden ist. Die Ursachen der H. sind verschiedene, in erster Linie sind jedoch die Entwaldungen zu nennen. Der Wald und dessen Streudecke verteilt die plötzlich bei starken Niederschlägen oder beim Schmelzen des Schnees auftretenden Wassermassen auf eine längere Abflußperiode, und die Nachteile, welche der schnelle Abfluß des Wassers von den kahlen Hangflächen im Gefolge hat, wie Abschwemmen des Bodens, Herabführen von gewaltigen Geschiebemassen, welche in der Thalebene und den Wasserläufen die ärgsten Verwüstungen anrichten und auch hierdurch die H. vermehren, treten in weit geringerm Maß auf, sobald die Hänge bewaldet und die Geschiebemassen, wo dies möglich, durch Thalsperren zurückgehalten werden. Eine weitere Ursache der Steigerung der H. sind die in sehr vielen Flußgebieten ausgeführten Entwässerungen, Auflassungen von Seen sowie die Umwandlung von Bruch- und Weideländern in Ackerland. Der Einfluß der Entsumpfungen auf das Regime der Flüsse, d. h. auf die Beziehung der Niederschlagsmengen in einem Flußgebiet zu der Wassermenge und deren periodischer Verteilung im Flußlauf, ist ein sehr erheblicher, da Sumpfgebiete, Moräste etc. beträchtliche Wassermengen aufnehmen und zur Verdunstung bringen, während die Entwässerungsanlage den Boden schnell abtrocknet. Die Sümpfe befinden sich vorwiegend in dem Gebiet des Mittel- und Unterlaufs der Flüsse und Ströme; ihre Trockenlegung übt hier die gleiche, oft sogar eine noch verstärkte nachteilige Wirkung auf das Flußregime aus wie der fehlende oder nicht genügend vorhandene Wald im Quellengebiet. Hiernach ist also darauf zu achten, daß jede größere Entwässerung rationell durchgeführt werde, d. h. daß vermittelst derselben nur eine zweckmäßige Regulierung der Wasserverhältnisse stattfinde, daß also nicht ein einfaches Abzapfen des Wassers aus dem Boden erfolge, wodurch dieser in den meisten Fällen in nicht zu langer Zeit aus einem Sumpf in eine Wüste verwandelt wird, daß vielmehr durch Aufforstung der gewonnenen Kulturfläche, durch Anlage von Wiesen und Weiden, deren Graswuchs eine ähnliche günstige Wirkung auf die Verzögerung des Wasserabflusses ausübt wie der Wald, oder endlich durch eine mit der Entwässerung kombinierte Bewässerung dem Boden in der Periode der Dürre der nötige Grad an Feuchtigkeit zugeführt werde.

Eine Steigerung der H. entsteht auch durch fehlerhafte Flußregulierungen, welche vielfach als lokale Arbeiten, ohne Berücksichtigung der oberhalb und unterhalb gelegenen Flußstrecken, ausgeführt werden. Die meisten Flußkorrektionen haben eine wesentlich beschleunigte Ableitung des Wassers zum Zweck oder zur Folge, wie z. B. die Geradelegung sich stark schlängelnder Strecken, bei welcher zuweilen im Interesse der Schiffahrt, vorwiegend aber, um den Wasserstand zum Zweck der Entsumpfung des anliegenden Landes zu senken, eine beschleunigte Abführung des Wassers stattfindet. In jedem Fall gelangt mithin nach erfolgter "Streckung" das Wasser schneller in die untern Strecken als vorher. Trifft es hier auf zu enge Profile, Flußeinbauten, Wehre etc., so können die verheerendsten Überschwemmungen stattfinden. Das Nämliche ist der Fall, wenn infolge einer Korrektion das H. eines Nebenflusses zugleich mit dem eines Hauptflusses stattfindet, während früher die H. beider Flüsse, in der Regel infolge der verschiedenen klimatischen Verhältnisse in den Niederschlagsgebieten, nacheinander eintraten.

Fernere Ursachen der Überschwemmungen, bez. der Steigerung derselben, sind zu enge Durchflußprofile für das H., wie sie durch Profilengen in den Hochwasserdeichen, durch fehlerhaft angeordnete Brückendurchlässe, durch Wehre und Schleusen entstehen. Wo aus irgend einem Grunde das Vorland zu schmal bemessen wurde, da stauten sich die Hochwasserfluten an; es entstanden gerade an diesen Stellen Eisstopfungen, welche die gefährlichsten, sich jeder vorhergehenden Berechnung entziehenden H. verursachten. Lassen sich zu enge Profile für den Abfluß des Wassers, wenigstens vom technischen Standpunkt aus, unschwer beseitigen, so würden dagegen die Kosten namentlich bei der Beseitigung oder Tieferlegung von Wehren oder bei der Herstellung von Grundablässen in denselben oft geradezu unerschwingliche sein. In sehr vielen Ländern sind überdies die rechtlichen Schwierigkeiten bei der Erwirkung einer Wehrbeseitigung so erhebliche, daß bereits aus diesem Grunde dieses Mittel zur Beseitigung der Hochwasserschäden kaum angewendet werden kann.

Zum Schutz gegen Überflutungen sollte bei allen Maßnahmen das gesamte Flußgebiet als ein einheitliches aufgefaßt werden, und Einzelprojekte für bestimmte Strecken sollten in der Regel ausgeschlossen werden. Ferner sollte man die Besserung der bestehenden Verhältnisse durch eine Änderung des Stromregimes zu erreichen suchen, dergestalt, daß die Verteilung der H. auf eine längere Abflußperiode stattfinde, so daß die plötzlich auftretenden außerordentlichen Wasserstände nach Möglichkeit reduziert werden. Als Schutzmaßregeln werden in erster Linie Wiederbewaldung kahler Abhänge im Quellengebiet und das Zurückhalten des Wassers durch Reservoirs oder andre Maßregeln gleichfalls vorwiegend im Quellengebiet genannt. Die Anschauung, daß diese Mittel im stande sind, die gefährlichen H. überall zu beseitigen, bedarf jedoch einiger Einschränkung. Nur wenn die Bewaldung auf einen sehr erheblichen Teil des Flußgebiets ausgedehnt werden kann, wird hierdurch eine beträchtliche Verzögerung des Wasserabflusses stattfinden, so daß sich derselbe auf eine längere Zeitperiode verteilt und extreme H. gewöhnlich vermieden werden. Die Aufforstung wird indes aus allgemeinen ökonomischen Gründen nicht überall durchführbar, ja in sehr vielen Fällen wird der mögliche Zuwachs an Wald ein im Vergleich zu der Größe des Flußgebiets nur geringer sein. Trotzdem wird man überall, wo es zulässig, zu diesem Mittel greifen müssen, wenn man die H. nach Möglichkeit verhüten will, zumal auch die Bewaldung noch andre Vorteile gewährt: die Verhütung der Abschwemmung, bez. des Abbruchs des Bodens, der Verwüstung der Thalebene durch das von den kahlen Hängen herabgeführte feste Material, ferner eine Vermehrung der mittlern und Kleinwassermengen der Flüsse.

Die Anlage von Reservoirs zum Zweck der Ansspeicherung des Wassers kann aus der Erfahrung über den günstigen Einfluß abgeleitet werden, welchen natürliche, im Wasserlauf eines Flusses eingeschaltete Seen auf die Wasserstände im untern Lauf ausüben. Der Rhein an der Vorarlberg-Schweizer Grenze, also oberhalb des Bodensees, zeigt das Ver-^[folgende Seite]