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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hochzeit

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Hochzeit (im Mittelalter, bei den Mohammedanern).

sie, während noch fünf Hochzeitsfackeln vorausgetragen wurden. Sklavinnen trugen ihr den Spinnrocken mit Wolle und die Spindel mit der Rockenstange nach. Lyra- und Flötenspiel, unterbrochen von Hymenrufen der Knaben, begleitete den Zug. An dem geschmückten Haus des Bräutigams angelangt, wurde die Braut gefragt, wer sie sei. Sie antworte: "Ubi tu Cajus, ego Caja", d. h. "Wo du Herr und Hausvater bist, da bin ich Herrin und Hausfrau". Nun umwand sie die Thürpfosten mit wollenen Binden und bestrich dieselben, um Bezauberung abzuwenden, mit Schweins- oder Wolfsfett. Über die Schwelle des Hauses wurde sie zur Erinnerung an die gewaltsame Entführung (Raub der Sabinerinnen) in der Vorzeit (s. Frauenraub) gehoben und trat dann auf ein ausgebreitetes Schaffell, worauf sie die Schlüssel in Empfang nahm und mit ihrem Bräutigam, zum Zeichen der zu beobachtenden Keuschheit, Feuer und Wasser berührte. Bei dem nun folgenden Hochzeitsmahl sangen und spielten Musiker einen Hochzeitsgesang (epithalamium), und der junge Ehemann hatte unter die vor dem Haus versammelte Jugend Nüsse auszuteilen (daher die Redensart: "nuces projicere", s. v. w. die Kinderschuhe ausziehen). Endlich wurde die Braut von Matronen (pronubae) in das Schlafgemach geführt, wohin der Mann ihr nachfolgte, während draußen nicht bloß Hymenäen, sondern auch derbe Spottlieder erschollen. Im Schlafgemach wurde noch einer Schar von Ehegöttern geopfert, deren Namen Augustinus und andre Kirchenväter aufgezeichnet haben. Andern Tags brachten die Gäste und Verwandten dem jungen Paar Geschenke dar; die Frau verrichtete ihr erstes Opfer in ihrem neuen Haus und führte fortan neben ihrem Namen den ihres Mannes. Die älteste religiöse Eingehungsform der Ehe unter den Patriziern war die Confarreatio (s. d.), welche im Haus des Bräutigams vor sich ging, aber später nur noch selten vorkam. Vgl. Becker-Göll, Gallus (Berl. 1880); Marquardt, Privatleben der Römer (Leipz. 1879-82); Roßbach, Römische Hochzeits- und Ehedenkmäler (das. 1871).

Bei den alten Deutschen sah man sorgfältig darauf, daß Heiraten vor dem 20. Lebensjahr und unter Blutsverwandten nicht vorkamen, und daß immer Gleichheit des Standes stattfand. Nicht bloß die Braut, sondern auch deren Eltern und Verwandte mußten ihre Einwilligung zur ehelichen Verbindung gegeben haben und die Brautleute selbst ihre körperliche Tüchtigkeit durch Kraftproben vor der H. darthun, woher der altgermanische Ausdruck Brautlauf (s. d.) für H. rührt. Darauf bezogen sich auch die Geschenke, welche der Bräutigam seiner Braut zu geben und diese ihm zu überreichen hatte. Die H. selbst ward von den Eltern der Braut hergerichtet, das eigentliche Bündnis vor mindestens vier Zeugen abgeschlossen und durch das Wechseln der Ringe kundgethan, worauf das Brautpaar dreimal um das Opferfeuer geführt wurde. Die Heimführung der Braut erfolgte aber gewöhnlich erst später, an einem, wie man glaubte, dazu besonders günstigen Tag, unter Absingung gewisser Brautlieder und unter dem Geleit der Brautführer u. Brautjungfern (s. d.). Manche dieser Hochzeitsgebräuche sind aus der heidnischen Welt in die christliche übergegangen, und namentlich das Ehrenamt der Brautführer hatte in der ältern christlichen Kirche eine hohe Bedeutung, indem dieselben nicht nur bei der Verlobung, dem Ehekontrakt und Trauungsakt als Zeugen und Bürgen der gegenseitigen Verpflichtungen dienen, sondern auch bei allen Zeremonien zugegen sein und auf Ordnung und Ehrbarkeit bei den Hochzeitsfestlichkeiten halten mußten. Der Brautkranz (s. d.) war bei den ältesten Christen als heidnische Sitte verachtet und bürgerte sich erst seit dem 4. Jahrh. ein. Die Einführung der christlichen Trauringe anstatt der früher üblichen Verlobungsringe fällt ins 10. Jahrh. Die Bekränzung oder Krönung der neuen Eheleute wird nur in der griechischen Kirche am Traualtar vom Priester verrichtet. Die heidnische Sitte der Verschleierung der Braut wurde von den Christen beibehalten, die Feuerfarbe des Schleiers aber in Weiß verwandelt. Auch pflegte der Priester ein Tuch oder vielmehr eine Decke von weißer oder roter Farbe (vitta nuptialis) über dem Haupt und den Schultern des Brautpaars auszubreiten. Die Lampen und Hochzeitsfackeln wurden von der orientalischen Kirche gebilligt, von der römischen Kirche dagegen verboten. Im deutschen Mittelalter lud der im Gebirge noch jetzt in Thätigkeit befindliche Umbitter oder Hochzeitsbitter die Gäste ein, welche nach ihrer Ankunft sich zum Zug ordneten und mit dem Stadtpfeifer und seinen Gesellen voran zunächst zum Brautbad zogen, während dessen die Gäste ein Frühstück einnahmen. Dann folgten der Kirchgang und das Hochzeitsmahl, dessen Luxus so hoch stieg, daß man ihn durch besondere Gesetze beschränken mußte, welche die Zahl der Gäste, z. B. nach der brandenburgischen Verordnung von 1334, auf höchstens 80 und die Schüsseln auf höchstens 40 beschränkten. Verheiratete und Unverheiratete aßen an besondern Tafeln, und schon vor 500 Jahren tritt die Bezeichnung des Trompetertisches für den Musikertisch auf. An dem letztern saßen zugleich die Lustigmacher. Jede H. dauerte damals mindestens drei, gewöhnlich aber acht Tage, und der erste Tag entsprach dabei mehr unserm Polterabend; aber erst am zweiten Tag, an welchem die vorher gewöhnlich in Locken oder offen getragenen Haare der Braut geflochten und mit der Haube bekleidet wurden, brachten die Gäste ihre Geschenke. Von dieser Zeremonie rührt die Redensart "unter die Haube kommen" her. Nach derselben fand abermaliger Kirchgang statt, und der zweite Tag wurde wie der erste mit herkömmlichen Tänzen beschlossen. Die Gäste brachten aber damals nicht nur Geschenke, sondern empfingen auch solche, nämlich ebenso wie die Braut selbst ein Paar Schuhe und Pantoffeln, woher die spöttische Parodie der obigen Redensart. Kurfürst Johann Georg mußte 1580 den im Brandenburgischen wieder eingerissenen Hochzeitsluxus von neuem einschränken und verordnete dabei auch, daß die übliche Hochzeitsgabe der Schuhe und Pantoffeln außer an die Braut nur noch an ihre Schwestern und Mutter erfolgen sollte. Vgl. Weinhold, Die deutschen Frauen im Mittelalter (2. Aufl., Wien 1882, 2 Bde.).

Die eheliche Verbindung der Mohammedaner ist entweder eine lebenslängliche oder eine nur zeitweise. Die Bedingungen der letztere werden vor dem Richter (Kadi) vereinbart, worauf die Heimführung der Braut ohne alle weitere Feierlichkeiten erfolgt. Die Heirat auf Lebenszeit wird bloß durch die Eltern und Verwandten des Brautpaars verabredet und der Kontrakt vor dem Imam geschlossen, ohne daß Braut und Bräutigam vorher Gelegenheit hatten, sich kennen zu lernen. Nur der junge Beduine sucht vor der Bewerbung das Mädchen, das er heiraten will, unverschleiert, zu sehen, und erst wenn ihm dies durch irgend eine List gelungen ist, schickt er den Vater oder einen nahen Verwandten zum Vater des Mädchens, um mit ihm über den Preis zu verhandeln, den er ihm an Schafen, Pferden etc. für die Braut entrichten soll. Nach