Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hofraite; Hofrat; Hofrecht

623

Hofraite - Hofrecht.

einflußreichen Hofmann. So hielt Kaiser Maximilian I. seinen treuen H. Kunz von der Rosen sehr hoch. Otto der Fröhliche, Herzog von Steiermark, trieb manche Kurzweil mit seinem Lustigmacher Wiegand von Theben, dem sogen. Pfaffen vom Kahlenberg, dessen nicht selten an Eulenspiegel erinnernde Schwänke auch gedruckt sind. Die Kurfürsten von Sachsen hatten ihren groben Klaus von Ranstädt, den sogen. Klaus Narren, und den witzigen F. Taubmann. Beider Einfälle und Possen sind ebenfalls durch den Druck bekannt geworden. Viel genannt ist auch der Hofnarr des Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz, der Zwerg Perkeo, dessen hölzernes Standbild noch jetzt im Keller des Heidelberger Schlosses zu sehen ist. Wie das Benehmen der H. von dem andrer Leute verschieden war, so wurde es nach und nach auch ihre Tracht. Der beschorne Kopf scheint sich von den alten Mimen auf die Narren späterer Zeiten vererbt zu haben, und in dieser Beziehung werden sie nicht selten mit den tonsurierten Mönchen zusammengestellt. Die Narrenkappe (Gugel, Kogel, cucullus) war ein kugelförmiger oder turbanähnlicher Kopfputz, wie ihn jetzt noch die Bergleute zu tragen pflegen. Da aber auch Gelehrte, Mönche und gemeine Leute sich der Gugel (s. d.) bedienten und diese an und für sich den Narren nicht mehr genugsam charakterisierte, so setzte man ihr schon im 15. Jahrh. Eselsohren an oder verzierte sie mit dem Hahnenkamm, einem ausgezackten Streifen roten Tuches, welcher von der Stirn bis in den Nacken lief. Zu dem Putz eines H. gehörte ferner der breite Halskragen, welchen man auch noch an unserm deutschen Hanswurst wahrnimmt, und die Schellen, welche im Mittelalter von Reichen und Vornehmen, seit dem 15. Jahrh. aber nur von privilegierten Narren und zwar an der Kappe, an den Eselsohren, an der Brust, am Gürtel, an den Ellbogen, an den Knieen und an den Schuhen getragen zu werden pflegten. Soll, wie das Sprichwort sagt, ein Narr einem König gleich sein, so darf ihm das Zepter nicht fehlen, und er besaß es auch wirklich in der Gestalt des Narrenkolbens, welcher anfangs nichts weiter als der in Sümpfen wachsende Rohrkolben (Typha L.), der daher auch den Namen Narrenzepter führt, gewesen zu sein scheint. Später fertigte man ihn aus Leder, in Form einer Herkuleskeule, woran sich oben gewöhnlich ein Narrenkopf mit herausgereckter Zunge als Verzierung befand. Der Narr hatte diese Angriffs- und Verteidigungswaffe an einem Riemen an der Hand oder am Arm hängen. Schon gegen das Ende des 15. Jahrh. artete das Wesen der H. besonders in Deutschland aus; da nämlich zuletzt fast jeder Edelmann seinen H. hielt, so ward das Land mit Narren und Spitzbuben zugleich übersäet, indem viele Gauner sich vom ersten besten Adligen das Narrenpatent ausstellen ließen, um unter dieser Firma Schelmen- und Schurkenstreiche ausüben zu können. Auf den Reichstagen von 1495 bis 1575 wurden gegen diesen Unfug und namentlich gegen die Titularnarren strenge Beschlüsse gefaßt. Die französische Hofsitte verdrängte zu Anfang des 18. Jahrh. endlich die H. von den europäischen Höfen. Der närrische Pedant J. P. Gundling am Hofe Friedrich Wilhelms I., welcher nur durch die unzähligen Possen, die man mit ihm trieb, berühmt geworden ist, war kein eigentlicher Hofnarr. Nur am russischen Hof begann um dieselbe Zeit erst die Blüte der Hofnarren, aber in neuer, durchaus origineller Art. Peter d. Gr. und die Kaiserin Anna benutzten das Institut der H. zur Zügelung und Züchtigung ihrer Umgebung, indem sie diejenigen, welche irgend eine Thorheit begangen hatten, dafür zu H. ernannten. Auf diese Weise wurde z. B. der Fürst Galizyn Hofnarr, weil er im Ausland die Religion gewechselt hatte, und der Fürst Wolchonski erhielt, weil er sehr lustig war, als Hofnarr den Titel eines Aufsehers über die Windhunde der Kaiserin. Bei Karnevals- und ähnlichen öffentlichen Aufzügen finden wir die Narren im alten Kostüm noch jetzt; unsterblich geworden sind sie aber durch Shakespeare. Vgl. Flögel, Geschichte der H. (Leipz. 1789); Nick, Die Hof- und Volksnarren (Stuttg. 1861, 2 Tle.).

Hofraite, s. Hof, S. 604.

Hofrat, Titel, den ursprünglich vom 16. Jahrh. an die Mitglieder der höchsten Kollegialbehörden führten, welche nach dem Muster des Reichshofrats in Wien zur Erledigung von Regierungs- und Verwaltungsangelegenheiten und als Landesgerichte höchster Instanz gegründet worden waren. Später wurde der Titel oft an Räte bei den höhern Justizbehörden verliehen; man findet sehr oft die Zusammenstellung Hof- und Justizrat. Gleichzeitig führten den Titel die ärztlichen Mitglieder der Medizinalkollegien, auch wurde er überhaupt an Ärzte in höherer Stellung verliehen. Wirkliche Hofräte, d. h. Funktionäre, mit deren Stellung der Titel ohne weiteres verbunden ist, gibt es jetzt nur noch in Österreich. Dort führen die Räte des obersten Gerichtshofs, die Ministerialräte, die ersten Räte bei den Statthaltereien diesen Titel. Die österreichischen Hofräte entsprechen den Räten erster Klasse und rangieren sofort nach den Wirklichen Geheimen Räten. In Deutschland wird der Hofratstitel lediglich als Titel verliehen, oft auch an verdiente Subalternbeamte, an Kanzleivorstände in hohen Behörden und bei den Gesandtschaften. Er verleiht in der Regel keinen hohen Rang.

Hofrecht (Dienstrecht, Jus curiae s. curtis), im Mittelalter das sowohl in Ansehung der Rechtsverhältnisse des Gutsherrn zu seinen Unterthanen als auch der letztern untereinander in Beziehung auf Dienst- und Gutsverhältnisse geltende Recht. Dasselbe umfaßte einmal das Dienstmannenrecht, H. im engern Sinn, d. h. das Recht der ritterlichen Dienstleute, auch Ministerialen oder Vasallen genannt (s. Lehnswesen), und sodann das bäuerliche H., welches für die unfreien oder hofhörigen Landleute (Liti, Lazzi, Leti, Laten, Lassen, Hörige) bestand. Letztere, unter welchen es verschiedene Abstufungen gab, empfingen das von ihnen zu bebauende Land anfangs nur auf Widerruf, bis ihnen mit der Zeit wenn auch nicht das freie Eigentumsrecht, so doch erbliche Kolonatrechte an den verliehenen Huben eingeräumt wurden. Doch war diese sogen. bäuerliche Leihe regelmäßig mit den verschiedenartigsten Abgaben und Grundzinsen an den Gutsherrn belastet, von denen viele erst in neuerer Zeit durch Ablösung und durch Umwandlung der bäuerlichen Nutzungsrechte in volles Eigentum beseitigt worden sind (vgl. Bauer und Ablösung). Die ursprüngliche Quelle des Hofrechts bildete die "Gnade" des jeweiligen Gutsherrn, die für den Gegenstand und Umfang der verliehenen Rechte zunächst maßgebend war. Dazu kamen aber zahlreiche Gewohnheitsrechte, selten schriftliche Satzungen. Es war nämlich gebräuchlich, daß in den Dorfschaften und Höfen an gewissen Tagen im Jahr das Recht "gewiesen" wurde, indem dann der Gutsherr oder dessen Beamter und Vertreter im Dorfding Fragen über das H. vorlegte, welche von den Dorfgenossen und Hofhörigen beantwortet wurden (sogen. Dorf- oder Hofsprache). Später wurden diese Rechtsweisungen oder Weistümer viel-^[folgende Seite]