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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Höhlenkalk; Höhlenkultus; Höhlenmensch; Höhlentempel

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Höhlenkalk - Höhlentempel.

guineus), und einen Fisch, Amblyopsis spelaeus, der zu den Heteropygiern gehört. Allein in den Krainer Höhlen hat man bis jetzt 52 Insekten, 5 Tausendfüßer, 26 Spinnen, 17 Krustaceen, 1 Süßwasserpolypen und 1 Süßwasserschwamm gefunden. Alle Höhlentiere entbehren infolge des Lichtmangels der Farbe und der Augen, welch letztere indes bisweilen durch Tasthaare ersetzt sind. Litteratur s. Höhlen.

Höhlenkalk, s. Tropfstein und Höhlen, S. 642.

Höhlenkultus (Grottenkultus), der besonders bei den klassischen Völkern stark ausgebildete Brauch, die in das Erdinnere führenden Höhlen mit ihrem geheimnisvollen Dunkel als Geburtsplätze und Aufenthalt der Gottheiten, Musen und Nymphen zu verehren und zur geweihten Stätte mannigfacher Zeremonien, Opfer und Wallfahrten zu machen. Die Höhle des Mithras, des Zeus auf der Insel Kreta, des Dionysos und viele dem Pan gewidmete Grotten gehören hierher. Vor allem aber waren die zahlreichen dem Apollo, Äskulap, Trophonius, der Proserpina und andern chthonischen Gottheiten geweihten Höhlen Schauplatz des Orakeldienstes und der Traumheilung, wobei betäubende Erddünste und Quellen, namentlich schwefelwasserstoffhaltige, als begeisternde Ausflüsse der Gottheit galten, z. B. in Delphi und Dodona, in Nysa, Hierapolis und Kolophon (Kleinasien), in Cumä etc. Vgl. Quellendienst. Auch im nördlichen Europa galten die Höhlen als Wohnorte von Dämonen und Drachen und erfuhren dem entsprechenden Kultus; am berühmtesten im Mittelalter war die vielbesungene St. Patrickshöhle, durch die man an den Ort des Fegfeuers gelangte.

Höhlenmensch, s. Höhlen.

Höhlentempel, indische, unterirdische Bauwerke, welche in manchen Teilen Indiens ebenso häufig sind wie die Kirchen in christlichen Ländern. Die Inschriften, welche darin gefunden worden, beginnen mit dem 3. Jahrh. v. Chr. und reichen bis tief in das Mittelalter hinab. Die meisten und ältesten H. sind von den Buddhisten ausgehauen. Schon Buddha selbst pflegte sich mit seinem Jünger Anenda zu frommer Sammlung in eine Höhle zurückzuziehen. Solche Höhlen wurden von den buddhistischen Mönchen noch mehrere Jahrhunderte nach dem Tod Buddhas häufig bewohnt. Es gab zwar auch Tempel, aber keine steinernen, sondern nur Holzbauten. Hieraus erklärt es sich auch, daß die ältesten, aus den Felsen ausgehauenen Tempel den Einfluß der Holzstruktur in den Decken und in den Ornamenten deutlich verraten. Auch kam Holz selbst zur Verwendung, und mehrfach, z. B. in dem H. von Karli, hat sich das zum Schmuck und zur Verkleidung dienende Holzwerk noch erhalten. Einen großen Aufschwung nahm die Ausgrabung von Höhlentempeln im 3. Jahrh. v. Chr., und es wäre nicht unmöglich, daß die Bekanntschaft mit griechischer Kunst, welche der Alexanderzug vermittelte, einen Einfluß auf diese Thätigkeit geübt hat. Doch sind die Säulen der H. von den griechischen ganz verschieden, und der Umstand, daß sich die große Mehrzahl derselben, über 1000, im westlichen Indien vorgefunden hat, legt es nahe, die Ausgrabung dieser H. mit der Beschaffenheit des dortigen Gesteins in Verbindung zu bringen. Die Lagerung der Felsenschichten ist dort durchgehends eine horizontale und außerordentlich regelmäßige. Schichten von hartem und weicherm Gestein wechseln miteinander ab, so daß man die Grotten mit besonderer Leichtigkeit dazwischen einschieben kann. Auch lassen diese Felsen nirgends die Feuchtigkeit durch. Unter diesen Umständen war das Ausgraben der H. wahrscheinlich billiger und weniger mühsam, als die Errichtung von Bauten gleichen Umfangs aus dem nämlichen Gestein sich gestaltet haben würde, und die Unzerstörbarkeit der Höhlenbauten gewährte einen so großen Vorteil, daß man sie den in andern Ländern üblichen Steintempeln vorzog. Ungefähr drei Viertel der H. im westlichen Indien rühren von den Buddhisten her. Man kann sie in zwei Hauptklassen einteilen: Chaityas und Vihâras. Die Chaityas haben ihren Namen von dem darin enthaltenen Chaitya oder Dagoba, einem aus dem Felsen gehauenen Steincylinder, der oben in eine Kuppel ausläuft, auf der sich ein viereckiger Säulenhals, darüber ein Kapitäl und an der Decke ein Steinschirm befindet. Unter dem Schirm, dem Zeichen der Herrschaft und Verehrung, pflegten die Reliquien ausgebreitet zu werden, die man der gläubigen Menge zeigte. Der vordere Teil dieser Chaityatempel ist eine längliche, oft mit Säulen geschmückte Halle. Die Vihâras (Klöster) bestehen aus einer Anzahl Zellen, in welchen die buddhistischen Mönche wohnten, und einer davor befindlichen Veranda, wozu in späterer Zeit noch eine Versammlungshalle kam. In der Nähe des Eingangs befindet sich eine ebenfalls aus dem Felsen ausgehauene Zisterne. Jede Zelle, wenigstens in den ältern Vihâras, enthält eine Bank oder Lagerstatt von Stein. Die ältern Tempel rühren alle von der Hinayanasekte der Buddhisten her. Ihre Ornamentik ist einfach, und sie enthalten keine Götterstatuen. Der bekannteste und architektonisch großartigste Tempel dieser Klasse ist der zwei Stunden von der Station Lanauli der Bahnlinie Bombay-Puna entfernte H. von Karli (s. d.), der schon in einer alten Inschrift über dem Eingang, welche aus dem 1. Jahrh. v. Chr. herrührt, als "unvergleichlich" bezeichnet wird. Zu den interessantesten Aushöhlungen der ältern Epoche gehört auch ein Teil der H. von Ajanta, nordöstlich von dem vorigen, in den Bergen, welche das Tafelland von Dekhan von dem Thal des Tapti scheiden. Hier ist auch eine große Anzahl sehr gut erhaltener Gemälde entdeckt worden, welche Wundergeschichten aus dem Leben des Buddha und aus den alten buddhistischen Märchensammlungen darstellen und eine Anschauung von dem sozialen Leben der Hindu in der ältern Periode des Buddhismus gewähren. Die H. von Ajanta sind sehr zahlreich und gehören verschiedenen Jahrhunderten an. Ein großer Teil derselben ist erst in der spätern Epoche des Buddhismus angelegt worden, als die Mahayanasekte zur Herrschaft gelangte. Auch in diesen Tempeln befinden sich interessante Gemälde. Die 109 H. von Kanheri, auf der Insel Salsette, nördlich von Bombay, scheinen ebenfalls zum größten Teil dem spätern Buddhismus anzugehören. Die wichtigste und mannigfaltigste Gruppe von Höhlentempeln hat Ellora (s. d.) aufzuweisen, das etwa 3 Meilen östlich von Aurengabad in den Staaten des Nizams von Haidarabad gelegen ist. Ein Teil der H. von Ellora reicht noch in die buddhistische Epoche zurück, aber die bedeutendsten derselben rühren von brahmanistischen Sekten her. Als bei dem Verfall des Buddhismus in Indien die Brahmanen im Wetteifer mit den buddhistischen Priestern sich um die Volksgunst bewarben, griffen sie eifrig nach einer Form der Architektur, welche sich so großer Popularität erfreute, und so begann im 6. und 7. Jahrh. n. Chr. die Aushöhlung der brahmanistischen Grotten, welche an Ausdehnung und Kunst der Dekoration den buddhistischen Höhlentempeln mindestens gleichkommen, wenn sie auch weniger geschmackvoll sind. Ihre Bauart schloß sich an die Vihâras der