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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Holzschneidekunst

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Holzschneidekunst (Geschichte).

sind die sogen. geschrotene Manier (Punktiermanier) und das Chiaroscuro (Clair-obscur), welche unten bei der Geschichte des Holzschnitts näher besprochen werden. Um eine möglichst große Anzahl von Abdrücken zu erzielen (obgleich ein Holzschnitt gegen 6-10,000 gute und bei derbern Arbeiten, die keine große Feinheit des Schnittes erfordern, wohl gegen 60-100,000 Abdrücke liefert), macht man von dem Holzstock vor dem Druck ein Klischee, indem man vermittelst eines Abgusses in Gips einen Abklatsch in Schriftgußmetall oder auch durch galvanischen Niederschlag vermittelst eines Mediums in Gips oder Guttapercha einen Abklatsch in Kupfer herstellt, der dem Originalstock völlig gleich ist. Da das Klischieren unbeschränkt wiederholt werden kann, so kann die Vervielfältigung einer Holzschnittzeichnung ins Unendliche gehen. Bei größern Platten findet auch wohl eine Zusammensetzung mehrerer Holzstöcke statt, die nach Vollendung der Zeichnung wieder auseinander genommen und einzeln von verschiedenen Holzschneidern geschnitten werden können, um die Arbeit zu beschleunigen. Später, nach Vollendung des Schnittes, werden sie wieder zusammengesetzt, durch eiserne Klemmen verbunden und gedruckt.

Geschichte der Holzschneidekunst.

Die Kunst, Druckformen in Holz zu schneiden, wurzelt wahrscheinlich in der schon im frühsten Altertum bekannten Stempelschneidekunst. Die Chinesen kannten schon im 10. Jahrh. vermittelst Holztafeln gedruckte Bücher, wie denn auch der im 15. Jahrh. durch Gutenberg erfundene Typendruck zuerst lediglich durch Zerschneiden der Holztafeln, womit die ersten deutschen Bücher gedruckt wurden, bewerkstelligt wurde. Vom künstlerischen Gesichtspunkt aus gründet sich der Holzschnitt seinen ideellen Motiven nach auf das gegen Ende des Mittelalters hervorgerufene Bedürfnis mannigfacherer Ideenkommunikation und anschaulicher Belehrung, seinen praktischen Motiven nach auf die handwerksmäßige Thätigkeit der sogen. Briefmaler, die sich mit handschriftlicher Vervielfältigung und Ausschmückung teils religiöser, teils klassischer Werke beschäftigten; ebendahin gehören die Schriftmalereien von Andachts- und Heiligenbildern, Kalendern und Spielkarten. Überhaupt war die Schreibkunst im Mittelalter mit der Zeichenkunst fast identisch, da fast kein Buch ohne dekorative Malerei und kein Bild ohne Schrift gefertigt wurde, daher man denn auch unter den Scriptores ziemlich dieselben Personen zu verstehen hat wie unter den Miniatores. Auch Mönche lieferten derartige fliegende Blätter. Mit Sicherheit ist der Holzschnitt zum Zweck des Abdruckens auf Papier schon im 14. Jahrh. nachgewiesen, zur eigentlichen Kunst wurde er jedoch erst gegen das Ende des 15. Jahrh. erhoben. Der älteste datierte Holzschnitt ist der heil. Christoph von 1423; das erste mit eingedruckten Holzschnitten versehene typographische Werk, d. h. das erste auf der Buchdruckpresse gedruckte illustrierte Buch, ist das "Bonersche Fabelbuch", gedruckt von Pfister 1461. Aber schon lange vorher gab es xylographische Bücher, bei denen jedoch sowohl Text als Bild von Holztafeln vermittelst des Reibers gedruckt waren. Man kennt davon gegen 50 Werke, meist geistlichen oder populär-poetischen Inhalts, welche jahrhundertelang als beliebte Volksschriften handschriftlich und mit Malereien geschmückt verbreitet waren, bis sie vermittelst Tafeldrucks vervielfältigt wurden. Zu den ältesten und wichtigsten gehören die "Ars memorandi", die "Ars moriendi", wovon es zahlreiche deutsche und holländische Ausgaben gibt, der "Entchrist", das "Zeitglöcklein", der "Kalender des Johannes von Gmünd", die "Legende vom heil. Meinrad", die "Armenbibel", "Das Hohe Lied", "Die acht Schalkheiten", "Der Totentanz" und mehrere "Alphabete von Anfangsbuchstaben" (vgl. Blockbücher). Zu den ältesten auf der Buchdruckpresse typographisch gedruckten illustrierten Werken gehören außer dem schon erwähnten "Bonerschen Fabelbuch" und fast gleichzeitig mit ihm: "Die sieben Freuden der Maria", "Das Buch der vier Historien" (1462), "Belial oder der Trost der Sünder", "Biblia pauperum" (1462) und andre meist religiöse Werke. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. gewann der Holzschnitt durch die Erfindung der Buchdruckpresse (denn bis dahin wurden die Holzschnitte nur mit dem sogen. Reiber vermittelst Leimfarbe gedruckt) einen raschen Aufschwung. Auch konnte sich nach Verdrängung des Tafeldrucks durch den Letterndruck der Holzschnitt mehr und mehr und zuletzt ausschließlich der rein bildlichen Reproduktion widmen, wodurch er sich allmählich zur wirklichen Kunst heranbildete. Besonders aber waren es die Nürnberger Maler M. Wolgemut und Pleydenwurff, die durch ihre zahlreichen Blätter zu H. Schedels Chronik (1493) den Hauptanstoß zu einer mehr künstlerischen Ausbildung des Holzschnitts gaben. Die Umrisse verloren ihre Steifheit und Roheit; auch wurden schon einfache Schattenstriche, ja selbst Kreuzlagen zur Vertiefung der Schatten hinzugefügt. Doch sind die Figuren noch hölzern und ohne Proportion, die Landschaft ohne alle Perspektive und ganz roh. Die sogen. "geschrotene Manier", d. h. die Manier der schwarz punktierten Hintergründe, überlebte das 15. Jahrh. nicht (s. Schrotblätter).

Durch die Vorlagen Albrecht Dürers, des großen Schülers Wolgemuts, und die Thätigkeit ausgezeichneter Formschneider, wie H. Andreä, J. de Negker u. a., erreichte der Holzschnitt am Anfang des 16. Jahrh. seine höchste Ausbildung in künstlerischer Beziehung. Reichtum und charaktervolle Wahrheit der Erfindung verbanden sich mit immer größerer Reinheit und geschmackvoller Leichtigkeit in der Darstellung. Die hierher gehörigen Hauptwerke Dürers sind die "Apokalypse" (Nürnb. 1498), das "Leben der Maria", die "Große Passion" (1509-11) und die "Kleine Passion", das "Brustbild Kaiser Maximilians" (1519) u. a. Der Kaiser Maximilian war der geistige Urheber einer Anzahl sehr umfangreicher Werke, an denen außer Dürer noch andre Meister, wie H. Burgkmair, Schäuffelein etc., mit arbeiteten, z. B. von dem "Teuerdank", "Weißkunig", dem "Triumphzug Maximilians", dem "Triumphwagen", welcher ein Bild von 2,3 m Länge und 0,5 m Höhe darstellte und auf acht besondern Holztafeln ausgeführt war, endlich dem "Triumphbogen", der, aus 92 Stöcken bestehend, in seiner Zusammensetzung eine Bildtafel von 3,6 m Höhe und 2,91 m Breite einnahm. Eine Menge Blätter entstand nach Zeichnungen von Schülern und Nachahmern Dürers, wie Altdorfer, H. S. Beham, H. Baldung u. a. Der zweite große deutsche Maler, Hans Holbein der jüngere, war nicht minder für den Holzschnitt thätig; seine Blätter sind zumeist von kleinem Format. Am berühmtesten ist sein "Totentanz" (Lyon 1538), dann das "Totentanzalphabet", geschnitten von Lützelburger, und die "Illustrationen zum Alten Testament" (Lyon 1538). Als dritter im Bund ist Lukas Cranach, der Gründer der sächsischen Schule, zu nennen, welcher gleichfalls in derselben Zeit durch die Fülle seiner Zeichnungen für den Holzschnitt diesen bedeutend förderte. Zu Anfang des 16. Jahrh. machte Jost de Negker,