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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Holzschneidekunst

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Holzschneidekunst (in der Gegenwart).

wie es scheint, die Erfindung des sogen. "Helldunkelschnitts" (Chiaroscuro); hierzu werden mehrere Holzstöcke, zumeist zwei oder drei, verwandt, welche durch ihre verschiedenartige Färbung dem Blatte das Ansehen einer braun, grau, rötlich etc. getuschten, auch weiß gehöhten Zeichnung geben. Nach J. Wechtlin, H. Burgkmair, L. Cranach, H. Baldung u. a. sind in dieser Manier verschiedene Blätter ausgeführt worden. In Italien griff Hugo da Carpi diese Technik auf.

Die früher mit Heftigkeit besprochene Frage, ob die Maler nur die Zeichnungen auf den Holzstock entworfen oder selbst auch geschnitten, läßt sich mit Wahrscheinlichkeit dahin entscheiden, daß sie vielleicht hin und wieder zur Korrektur das Schneidemesser in die Hand nahmen, ja wohl mitunter auch selbst ein Blatt ausführten, im großen und ganzen aber mehr als Zeichner für den Holzschnitt denn als Holzschneider selbst betrachtet werden müssen. Was die Gegenstände der Darstellungen betrifft, so bestanden sie, außer den zahlreichen Illustrationen zu religiösen Werken, besonders in Porträten, selbst in Lebensgröße, Triumphzügen, Städteansichten (Prospekten), Genealogien, Landkartensammlungen, Abbildungen zu klassischen und andern wissenschaftlichen Werken, Reisebeschreibungen und Chroniken. Daneben bildete sich mittels des Holzschnitts eine ganz neue Art der Publizistik durch die satirischen Flugschriften und Karikaturen sowohl religiöser als politischer Tendenz, Bilderbogen, illustrierte Kalender etc., Bestrebungen, welche vorzugsweise durch den beginnenden Kampf des reformatorischen Prinzips gegen die päpstlich-hierarchische Übermacht erweckt und belebt wurden. Die Zentralpunkte dieser ausgebreiteten Wirksamkeit des Holzschnitts waren auch zugleich die der Buchdruckerei, besonders die freien Reichs- und Universitätsstädte, wie Augsburg, Mainz, Nürnberg, Straßburg, Ulm, Köln, Basel, Frankfurt a. M., Lübeck etc. Von andern Ländern waren es besonders die Niederlande, welche Tüchtiges auf diesem Feld leisteten; hier waren Lucas van Leiden und J. Cornelisz als Zeichner für den Holzschnitt thätig. In Italien war es fast ausschließlich Venedig, in Frankreich Paris und Lyon, wo in damaliger Zeit tüchtige Holzschneider in Thätigkeit waren, obschon im ganzen hier der Holzschnitt keine unabhängige Stellung hatte, sondern eine mehr handwerksmäßige Tendenz im Dienste des Buchdrucks verfolgte. Seit der Mitte des 16. Jahrh. begann der Holzschnitt bereits wieder seine künstlerische Bedeutung einzubüßen; namentlich trug hierzu die rasche Entwickelung des Kupferstichs bei, dessen gefährliche Rivalität bisher nur durch die größere Popularität niedergehalten war, welche der Holzschnitt aus seiner illustrativen Eigenschaft schöpfte. Zwar wurde gerade jetzt massenhaft produziert: die Maurer, Stimmer, J. Amman, V. Solis lieferten zahllose Zeichnungen dafür, und es gab auch noch tüchtige Formschneider, wie A. Andreani in Italien, Chr. Jegher in Antwerpen, le petit Bernard in Frankreich. Allein die bessern Künstler wandten sich bereits mit Vorliebe dem Kupferstich zu, so daß der Holzschnitt allmählich zu einem handwerksmäßigen Betrieb herabsank, bis der Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs ihm in Deutschland fast gänzlich ein Ende machte. Mit dem 17. Jahrh. schließt die ältere Geschichte der H. ab, denn in dieser Zeit ist sie auch in den Niederlanden und Italien fast ganz untergegangen. Dagegen treten jetzt Frankreich und England allmählich in den Vordergrund. In Frankreich sind es besonders zwei Künstlerfamilien, die Papillons und die Lesueurs, an welche sich einzelne Künstler, wie Besnard, Fleuret, Duplat, Corne u. a., anschließen; in England zuerst Edward Kirkall und Johann Baptist Jackson, welche als die Hauptrepräsentanten der damaligen Xylographie gewissermaßen den Übergang von der ältern zur neuern H. bilden (1700-1770), auch in Rücksicht auf die Technik, in welcher sich eine gänzliche Umwälzung anbahnte, die natürlich auch eine große Veränderung der künstlerischen Behandlung des Holzschnitts zur Folge hatte.

Die eigentliche neuere Geschichte des Holzschnitts beginnt daher mit dem Ende des 18. Jahrh., und zwar ist es in dieser Zeit vorzüglich Thomas Bewick in England, der Vater des modernen Holzschnitts, welcher durch seine zahlreichen Schüler, Robert Johnson, Christian Nesbit, Henry Hole, Robert Branston, Luke Clennel, William Hughes u. a., eine große Pflanzschule der H. gründete. Bewick wendete seine besondere Aufmerksamkeit auf die charakteristische Darstellung der Tierphysiognomien. Der Charakter seiner Schnitte besteht, ganz abweichend von dem der ältern H., in einer Nachahmung des Metallstichs, d. h. in einer Verdrängung des Naturschnitts durch seine malerische Ausführung des Stofflichen. In Frankreich machte die Revolution von 1789 auf längere Zeit zwar dem Holzschnitt ein Ende; aber im dritten Dezennium des gegenwärtigen Jahrhunderts wurde derselbe durch den ausgezeichneten Schüler Bewicks, Charles Thompson, wieder eingeführt und schnell zu einer hohen Ausbildung in technischer wie in künstlerischer Beziehung gebracht. In Deutschland, wo der H. bis gegen die Mitte des 18. Jahrh. durch einzelne Künstler, wie Milchram, Prestel, Holtzmann, sodann durch Seltsam, Wucherer, Rupprecht, das Leben gefristet worden war, begann sie sich im Anfang des 19. Jahrh. ebenfalls wieder etwas zu heben, besonders durch die beiden Unger, welche jedoch nebst einigen andern Holzschneidern dieser Zeit noch der Übergangsperiode angehören. Den Grund zur neuern Entwickelung des deutschen Holzschnitts legte Gubitz in Berlin und gleichzeitig Blasius Höfel in Wien. Doch hat diese Entwickelung erst seit der Begründung der großen illustrierten Zeitungen und des Aufschwunges der Bücherillustration einen großen Umfang angenommen, der freilich auch bald zu fabrikmäßigem Betrieb der H. führte, so daß schließlich eine Reform durch Anstellung von Lehrern der H. an Kunstakademien und durch die Erteilung von Zeichenunterricht an Holzschneider nötig wurde. In Deutschland knüpft sich der erste Aufschwung der H. an Adolf Menzel, der sich für die Reproduktion seiner Illustrationen zu Kuglers "Geschichte Friedrichs d. Gr.", zu den Werken Friedrichs d. Gr. etc. eine Anzahl im Faksimileschnitt tüchtiger Holzschneider heranbildete, unter denen Unzelmann, A. u. O. Vogel, H. Müller und Kretzschmar (s. unten) zu nennen sind. Überhaupt ist für die Charakteristik des modernen Holzschnitts in Beziehung auf die nationalen Unterschiede seiner Hauptrepräsentanten England, Frankreich, Deutschland u. Nordamerika ein Hinweis auf die Zeichner für den Holzschnitt von Wichtigkeit. Im allgemeinen besteht der Charakter des englischen Holzschnitts in einer großen technischen Freiheit rücksichtlich der Zeichnung und in der Gleichartigkeit der Manier, die auf einen gewissermaßen silberartig schillernden Gesamtton hinausgeht, wobei weder auf Prägnanz der Umrisse noch auf Regelmäßigkeit in der Behandlung der Schattenpartien durch Kreuzschnitte allzusehr geachtet wird. Der Holzschnitt der Nordamerikaner, der namentlich in der illustrierten Presse die reichste