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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Horatius

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Horatius.

schöpfung langsam oder schneller verfolgenden Curiatier, plötzlich umkehrend, einzeln und verschaffte dadurch seinem Vaterland den Sieg und die Oberherrschaft über Albalonga. Mit den Spolien der Überwundenen beladen, zog der Sieger sodann triumphierend in Rom ein und tötete dabei seine Schwester, weil sie über den Tod des einen Curiatiers, ihres Verlobten, laut klagte. Deshalb von den Duumvirn zum Tod verurteilt, appellierte er an das Volk, und dieses milderte die Strafe dahin, daß er unter dem Joch hinweggehen und sein Vater ein Sühnopfer darbringen sollte. Nach Livius waren die Gräber der beiden Horatier und der drei Curiatier sowie der sogen. Horazische Pfeiler, an welchem die Spolien der Curiatier aufgehängt worden waren, noch zu seiner Zeit vorhanden. Dionysios nennt den Besieger der Curiatier, Marcus H., noch als denjenigen, der auf Befehl des Königs Tulius Hostilius infolge der zweideutigen Rolle, welche die Albaner im Krieg der Römer gegen die Fidenaten und Vejenter gespielt hatten, die Zerstörung von Albalonga vollzog.

2) Marcus, nach Dionysios (V, 23) ein Nachkomme des Besiegers der Curiatier, mit dem Beinamen Pulvillus, war 509 v. Chr. einer der ersten römischen Konsuln. Als solcher (nach Dionysios erst in seinem zweiten Konsulat, im J. 507) weihte er den von Tarquinius Superbus auf dem Capitolium erbauten Tempel des Jupiter.

3) Publius, mit dem Beinamen Cocles (der Einäugige), ebenfalls ein Nachkomme des Besiegers der Curiatier, nach Dionysios ein Bruder des vorigen, rettete, als 507 v. Chr. die Etrusker unter Porsena bereits den Janiculus erstiegen und die Römer in die Flucht geschlagen hatten, die Stadt dadurch, daß er erst mit T. Herminius und Sp. Lartius und dann allein die Sublicische Brücke so lange gegen die andringenden Feinde verteidigte, bis die Römer sie hinter ihm abgebrochen hatten, worauf er sich in den Strom stürzte und nach der gewöhnlichen Erzählung (von welcher nur Polybios abweicht, der den Helden den Tod finden läßt) entweder ganz unversehrt oder durch einen Wurfspieß im Schenkel verwundet zu den Seinigen hinüberschwamm. Seine Mitbürger errichteten ihm nicht nur ein Standbild auf dem Comitium, sondern belohnten ihn auch durch Schenkung von so viel Land, als er an Einem Tag umpflügen konnte, und außerdem durch reiche Gaben. Das in Erz gegossene Standbild, nach Plinius neben dem der Clölia das erste öffentlich in Rom geweihte, ward später, nachdem es vom Blitz getroffen worden, auf der neben dem Comitium, aber höher als dieses gelegenen Area Vulcani aufgerichtet.

4) Gajus H. Pulvillus, Sohn von H. 2), war 477 v. Chr. zum erstenmal Konsul mit T. Menenius, führte anfangs Krieg gegen die Volsker, ward aber zurückgerufen, um die Etrusker zu bekämpfen, welche nach dem Untergang der Fabier bereits das Janiculum eingenommen hatten, und lieferte denselben zwei Schlachten, die erste am Tempel der Hoffnung, 8 Stadien von der Stadt, eine zweite am Collinischen Thor, wodurch er die der Stadt drohende Gefahr abwandte. 20 Jahre später zum zweitenmal Konsul mit Quintus Minucius, zog er gegen die Äquer aus, brachte ihnen eine Niederlage bei und entriß ihnen das von ihnen eroberte Corbio, starb aber schon ein Jahr danach.

5) Marcus H. Barbatus, Bruder des vorigen, neben L. Valerius (Publicola Potitus) Gegner der Dezemvirn, vermittelte, nachdem jene zur Abtretung genötigt worden, mit Valerius den Frieden zwischen den Patriziern und den (zum zweitenmal) auf den Heiligen Berg ausgewanderten Plebejern, ward darauf mit Valerius Konsul (449) und Miturheber der Leges Horatiae et Valeriae, durch welche bestimmt wurde, daß die Beschlüsse der Tribus für das ganze Volk bindend sein und keine Obrigkeit ohne Berufungsrecht ernannt werden sollte; auch wurde durch dieselben die Unverletzlichkeit der Volkstribunen, Ädilen, Richter, Dezemvirn von neuem bestätigt. Nach Ordnung der innern Angelegenheiten kämpfte er glücklich gegen die Sabiner.

Horatius (Horaz), Quintus H. Flaccus, einer der hervorragendsten Dichter des Augusteischen Zeitalters, geb. 8. Dez. 65 v. Chr. zu Venusia in Apulien, wo sein Vater, ein Freigelassener, ein kleines Landgut besaß. Dieses verkaufte derselbe, um dem Sohn eine anständigere Erziehung geben zu können und zog nach Rom, wo er das Amt eines Steuereinnehmers bekleidete. Von dem sorgsamen Vater von früh an zur praktischen Lebensweisheit angehalten, genoß H. in Rom denselben Unterricht wie die Söhne reicher Ritter und Senatoren, zuerst bei dem durch ihn wegen seiner Pedanterie und Prügellust sprichwörtlich gewordenen Grammatiker Orbilius Pupillus. Im 20. Jahr ging er zur Fortsetzung seiner Studien nach Athen, wo er besonders der Philosophie oblag. Als aber nach Cäsars Ermordung im Spätsommer 44 Brutus nach Athen kam, schloß sich auch H. mit vielen andern edlen Jünglingen, die zu Athen studierten, der Sache der Freiheit an. Aus der Niederlage bei Philippi, wo er als Kriegstribun mitfocht, rettete er sich glücklich durch die Flucht nach Italien. Zwar wurde er begnadigt; doch befand er sich in trauriger Lage, da indes sein Vater gestorben und sein Vermögen konfisziert war. Um sein Leben zu fristen, verschaffte er sich eine Stellung als quästorischer Schreiber und fing an zu dichten; denn nach seiner eignen Aussage zwang ihn die Not, Verse zu machen. Er versuchte sich zuerst in einer Dichtungsart, die vermöge ihrer didaktischen Tendenz seiner philosophischen Bestrebungen und seiner damaligen Stimmung am nächsten lag, in der Satire, und zog sogleich bei seinem ersten Auftreten die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Wir finden ihn bald im innigsten Verhältnis mit Vergil und Varius, die ihm ihre Freundschaft schenkten und zugleich die Bekanntschaft des Mäcenas verschafften. Dieser gewann H. in kurzer Zeit so lieb, daß er ihn in seinen vertrauten Umgang zog und nach einigen Jahren mit dem sabinischen Landgut beschenkte, das fortan H.' Lieblingsaufenthalt war. Den Antrag des Augustus, als Privatsekretär in seine Dienste zu treten, wies er unter dem Vorwand seiner leidenden Gesundheit ab. Er starb plötzlich 27. Nov. 8 v. Chr. und wurde neben seinem kurz vorher verstorbenen Gönner und Freund Mäcenas auf dem Esquilin bestattet.

Wir besitzen von H. 4 Bücher Oden ("Carmina", Lieder) nebst dem sogen. "Carmen saeculare", ein Buch sogen. Epoden ("Epodi", eine Nachahmung der Iamben des Archilochos), 2 Bücher Satiren ("Sermones") und 2 Bücher Briefe ("Epistulae"). Davon ist das erste Buch der Satiren um 35 herausgegeben, 30 oder 29 das zweite nebst den Epoden, um 24 die drei ersten Bücher Oden, 20 das erste Buch der Episteln, 17 der Festhymnus an Phöbus und Diana zur Feier der Säkularspiele, um 13 das zum Teil im Auftrag des Augustus gedichtete vierte Buch Oden, zuletzt das zweite Buch der Episteln. Von diesen wird die letzte, an die Pisonen gerichtete, eine kurze Geschichte und Theorie der poetischen Gattungen in