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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hypo-; Hypocaustum; Hypochlorit; Hypochlorite; Hypochonder; Hypochondrie

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Hypo- - Hypochondrie.

den oder aufrechten Stengeln und allseitig abstehenden oder auch sichelförmig einseitig gekrümmten Blättern. Die Geschlechtsorgane und daher auch die Büchsen stehen an den Seiten der Stengel; manche Arten sind ein-, andre zweihäusig. Die Büchse ist meist lang gestielt, gerade oder schief, mit spitzem oder geschnäbeltem Deckel und meist kapuzenförmiger, kleiner Haube. Die Gattung ist über die ganze Erde verbreitet; manche Arten bilden die Hauptmoosvegetation der Gebirgswälder, wo sie wegen ihres geselligen Auftretens einen zusammenhängenden Moosteppich von meilenweiter Ausdehnung erzeugen; andre wachsen in Sümpfen und gehören mit zu den torfbildenden Pflanzen, noch andre auf feuchten Wiesen, dürren Heiden, Feldern, an Wegen, Mauern und Ruinen, und einige bilden Überzüge an den Stämmen lebender Bäume, denen sie schädlich werden. H. triquetrum L. (dreiseitiges Astmoos), einfach fiederästig mit allseitig abstehenden, breit dreieckigen, gesägten Blättern ohne Rippe und ovaler, schiefer Büchse mit nicht geschnäbeltem Deckel, das gemeinste Moos unsrer Wälder; dient als Pack- und Polstermaterial, zum Verstopfen der Holz- und Steinwände, zum Besetzen der Fenster im Winter, zu Mooskränzen etc.; früher wurde es arzneilich benutzt.

Hypo- (griech.), in Zusammensetzungen s. v. w. unter.

Hypocaustum (griech.), in den Häusern der alten Römer der meist unter dem Boden befindliche Raum zur Heizung für die Bäder und die Wohnzimmer.

Hypochlorit (grüne Eisenerde), Mineral, findet sich nur mikro- und kryptokristallinisch, in nierenförmigen, feindrusigen Überzügen, meist derb und eingesprengt in sehr feinkörnigen bis erdigen Aggregaten, ist grün, schimmernd bis matt, kantendurchscheinend bis undurchsichtig und besteht aus einem Eisenwismutsilikat mit Thonerdephosphat. Fundorte: Schneeberg, Johanngeorgenstadt, Bräunsdorf in Sachsen.

Hypochlorite, Unterchlorigsäuresalze, z. B. Natriumhypochlorit, unterchlorigsaures Natron.

Hypochonder (Hypochondriacus, Hypochondrist), ein an Hypochondrie (s. d.) Leidender.

Hypochondrie (Hypochondriasis, griech., v. hypochondrium [s. d.], lat. Morbus eruditorum s. flatuosus), ein den Geisteskrankheiten nahestehendes Nervenleiden, welches sich vorzugsweise bei Männern findet, und über dessen eigentlichen Sitz jederzeit unter den Ärzten sehr verschiedene Meinungen obgewaltet haben. Bald sollte der H. ein Gallenübel, bald Stockung und Verstopfung der Unterleibsgefäße und Drüsen zu Grunde liegen. Die eine medizinische Schule sah in der H. einen Eingeweidekrampf mit übermäßiger Darmgasentwickelung, die andre ein organisches Gehirnleiden, eine dritte eine schleichende Entzündung der Darmschleimhaut. Die H. ist wesentlich in einer abnormen Thätigkeit der psychischen Funktionen begründet und bildet einen Übergang zu den eigentlichen Geisteskrankheiten. Der Beginn des hypochondrischen Leidens äußert sich etwa auf folgende Weise: Die Heiterkeit des Geistes wird gestört durch den sich bei jeder Gelegenheit aufdrängenden Gedanken an ein Leiden des eignen Körpers. Der Kranke bestrebt sich, den Sitz seines Leidens genau zu bestimmen. Magen und Darmkanal werden gewöhnlich zuerst für erkrankt gehalten, da sich der H. schon im Beginn übermäßige Gasentwickelung in den Därmen hinzugesellt. Säurebildung im Magen stellt sich ein; der Stuhlgang ist meist fest, doch hier und da mit Diarrhöe abwechselnd. Nach dem Essen klagen die Kranken über Druck und Vollsein in der Magengrube, Spannung unter den Rippen. Abgang von Blähungen nach unten und nach oben erleichtert die Kranken bedeutend wie auch das Erfolgen des Stuhlgangs. Der Schlaf ist unruhig, nicht erquickend. Das Aussehen ist noch gut, der Körper normal genährt, Appetit vorhanden, wenn auch oft unregelmäßig. Ganz charakteristisch für die H. ist das ungemein häufige Wechseln des Sitzes der eingebildeten Krankheit. Ein leichter Katarrh lenkt die Aufmerksamkeit des Kranken auf seine Lungen, er vergißt seine Unterleibskrankheit und fürchtet sich einzig und allein nur vor der Tuberkulose; er fühlt Schmerzen in der Brust, untersucht ängstlich seinen Auswurf und fragt häufig seine Umgebung, ob er nicht abmagere. Bald aber stellt sich öfters Kopfschmerz ein, leichter Schwindel, Hitze und Pulsieren der Arterien, lauter Zeichen, daß ein Schlagfluß auf dem Weg ist. Oder das Herz klopft eine Zeitlang stärker, die Brust ist beklemmt, daher die Furcht vor Herzerweiterung. Der Kranke quält seine Umgebung, weil sie nicht genug Sorgfalt für den schwer Leidenden besitzt; Ärzte werden soviel wie möglich gebraucht und populär-medizinische Werke mit ängstlichem Eifer zu Rate gezogen, denn der Kranke will sich auf alle Weise vor dem Tod retten. Dieses nervöse Leiden kann jahrelang, ja das ganze Leben hindurch bestehen. Man darf es als festgestellt ansehen, daß gewisse körperliche Leiden allerdings bei der H. vorhanden sind, und daß die von ihnen abhängigen abnormen Empfindungen den nächsten Anstoß zur H. geben. Gewiß thut man den Hypochondern Unrecht, wenn man ihre Leiden nur ihrer Einbildung zuschreibt. Sie fühlen sich allerdings krank, aber die Ursache dieser Empfindungen läßt sich in der Regel nicht klar durchschauen oder steht doch wenigstens außer Verhältnis mit der Schwere des subjektiven Krankheitsgefühls. Die H. befällt fast nur das männliche Geschlecht vom Eintritt der Geschlechtsreife an, bei erblicher Beanlagung kommt sie sogar vor dieser Entwickelungszeit zum Ausbruch. Sie kann entstehen durch alle Einflüsse, welche schwächend auf das Nervensystem wirken. Starke Anstrengung des Geistes durch übermäßiges, besonders mit Nachtwachen verbundenes Studium disponiert dazu, zumal wenn gleichzeitig Mangel an Bewegung in der freien Luft hinzukommt. Handwerker mit sitzender Lebensweise sind der H. oft unterworfen. Sorgen und Kummer, Heimweh und Liebesgram erzeugen die H. ebenso häufig wie allzu reichliches Leben in Unthätigkeit und geschlechtliche Ausschweifungen. Fortgesetzte Überladung des Magens mit schwerverdaulichen, fetten Speisen, zu häufiger Arzneigebrauch, Schwächung des Magens durch Fasten u. dgl. rächen sich durch H. Dieselbe kommt häufiger in den nördlichen Ländern vor als in den südlichen; feuchtes, nebeliges Klima, wie das Englands, scheint ihr besonders günstig zu sein. In Zeiten von herrschenden gefährlichen Epidemien tritt die H. sehr vermehrt auf; die Furcht vor der syphilitischen Krankheit, vor Vergiftung begünstigt sie.

Die H. ist von großer Hartnäckigkeit und begleitet den Betreffenden oft bis an seines Lebens Ende. Sie schädigt die ethische und intellektuelle Persönlichkeit des Kranken durch die überreizte und übertriebene Vorstellung der körperlichen Leiden zu krassem Egoismus, sie hemmt die Leistungsfähigkeit bis zu teilnahmlosem Hinbrüten, sie zeitigt Lebensüberdruß und kann in wirkliche Verrücktheit oder Geistesschwäche übergehen. In jedem Fall ist geringe Aussicht auf dauernde Besserung vorhanden, namentlich ist bei der H., wie bei andern Geisteskrankheiten, der Versuch, das Leiden mit Logik und Vernunftgründen zu bekäm-^[folgende Seite]