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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Ignatiusbaum - Igor.

3) I. von Loyola, s. Loyola.

Ignatiusbaum, s. v. w. Ignatiana.

Ignatjew, Nikolaus Pawlowitsch, russ. Diplomat, geb. 29. Jan. 1828 zu St. Petersburg, aus dem russischen Kleinadel gebürtig, Sohn des Ingenieurgenerals Paul I., langjährigen Vertrauten Alexanders II. und seit 1872 Vorsitzenden des Ministerkomitees, ward im Pagenkorps erzogen, trat in das Gardehusarenregiment, besuchte die Militärakademie, ward zum Generalstab versetzt und 1854 Adjutant des Grafen Berg, Gouverneurs der Ostseeprovinzen. Schon 1856 Oberst, ließ er sich zum Militärattaché der russischen Gesandtschaft in London ernennen, nahm als solcher am Pariser Friedenskongreß teil und bewirkte eine Rußland günstige Festsetzung der Grenzen, deren Regulierung mit Rumänien er darauf erledigte. Zur Belohnung ward er 1858 zum Generalmajor befördert und dem Gouverneur von Ostsibirien, General Nikolai Murawjew, als diplomatischer Beirat zugeordnet; sofort erreichte er durch den Vertrag von Aigun (28. Mai 1858) von China die Abtretung des Amurgebiets und schloß auf der Rückkehr nach Europa vorteilhafte Handelsverträge mit Chiwa und Bochara. Zum Gesandten in Peking ernannt, wußte er China zur Belohnung für seine bei dem Frieden mit Frankreich und England geleisteten Vermittlerdienste zu einer zweiten Abtretung der ganzen Küste der Mandschurei und zur Freigebung des Landhandels zu bewegen (14. Nov. 1860). Im J. 1863 ward er zum Generaladjutanten und zum Direktor des asiatischen Departements in St. Petersburg, 1864 zum Gesandten, 1867 zum Botschafter in Konstantinopel ernannt. Hier begann er mit größter, vor keinem Mittel zurückscheuender Gewandtheit seine panslawistischen Ränke zur Zerrüttung der Türkei und erwarb sich den Beinamen "Vater der Lüge" oder Menteur pacha. Durch persönlichen Einfluß und Bestechung gewann er verschiedene türkische Staatsmänner für sich, so namentlich Mahmud Nedim Pascha, mittels dessen er auch den Sultan Abd ul Asis durch die Aussicht auf russische Hilfe bei der vom Sultan beabsichtigten Thronfolgeänderung und einer Herstellung seiner Allgewalt zeitweilig sich geneigt machte. Diese russische Intervention sollte der von I. angezettelte Aufstand in der Herzegowina 1875 befördern. Als statt dessen Abd ul Asis gestürzt wurde, reizte I. die Bulgaren 1876 zur Empörung, deren blutige Unterdrückung Rußland den Vorwand zur Einmischung gab. I. nahm an den Konferenzen in Konstantinopel 1876-77 hervorragenden Anteil und wußte den englischen Gesandten Salisbury ganz für sich zu gewinnen, so daß die Pforte die Beschlüsse der Konferenz ablehnen mußte. Er machte darauf im Frühjahr 1877 eine Reise an die Höfe, um sie zur Neutralität bei dem russisch-türkischen Krieg zu verpflichten. Doch erlangte er bloß das wertlose Londoner Protokoll; sein persönliches Auftreten, seine Anmaßung und daneben seine lügenhafte, kriecherische Schmiegsamkeit machten den schlechtesten Eindruck. Nach dem Krieg leitete er die Verhandlungen in Adrianopel und San Stefano, bei denen er den Türken die Zustimmung zu der großen Ausdehnung Bulgariens entriß. Der Widerspruch Englands gegenden Frieden von San Stefano drängte I. wieder in den Hintergrund; er kehrte auch nicht als Botschafter nach Konstantinopel zurück, sondern lebte auf seinen Gütern im Gouvernement Kiew. In der letzten Zeit der Regierung Alexanders II. wirkte I. als Generalgouverneur von Nishnij Nowgorod. Zu Anfang der Regierung Alexanders III. wurde er Minister der Domänen und 1. Mai 1881 an Loris-Melikows Stelle Minister des Innern. In dem Manifest, welches er bei dem Antritt seines Amtes veröffentlichte, versprach er durch Wiederherstellung der altrussischen Sitte den Nihilismus zu überwinden. Doch erzielte er gar keinen Erfolg in dieser Beziehung; dagegen kompromittierte er sich und Rußland durch seine panslawistischen Wühlereien u. die Zulassung der Judenhetzen, weswegen er im Juni 1882 entlassen wurde.

Ignipunktur (lat.), in der Chirurgie das Ätzen erkrankter Gewebe und Organe vermittelst eingestochener glühender Eisenstifte.

Ignis et aquae interdictio (lat., "Untersagung der Gemeinschaft von Feuer und Wasser"), bei den Römern eine Form der Landesverweisung (s. Exil).

Ignis fatuus, s. v. w. Irrlicht.

Ignobilis (lat.), unedel, gemein; vgl. Nobilis.

Ignorant (lat.), ein Unwissender.

Ignorantenbrüder (franz. Frères ignorantins, Brüder der christlichen Lehre und Schule) wurden in Frankreich durch den Reimser Kanonikus Jean Baptiste de la Salle (geb. 1651, gest. 1719) 1724 gegründet, um vornehmlich als Volkslehrer im Sinn der römisch-katholischen Kirche aufzutreten. Die I. fanden sehr schnell Verbreitung und durften selbst nach der Ausweisung der Jesuiten (1764), mit welchen sie verwandt sind, bleiben. Erst in der Revolution (1790) wurden auch sie vertrieben, aber von Napoleon I. 1806 wieder zurückgerufen; durch das Unterrichtsgesetz Ferrys (1882) wurden sie endlich aus den öffentlichen Schulen verdrängt. Auch in Deutschland waren wandernde I. im ultramontanen Interesse thätig.

Ignorantia nocet (lat.), "Unkenntnis (des Gesetzes) schadet", d. h. entschuldigt nicht, Grundsatz des römischen Rechts, der auch im deutschen Recht im allgemeinen gilt. Vgl. Irrtum.

Ignoránz (lat. Ignorantia), Unwissenheit, Nichtwissen; in der Rechtswissenschaft s. v. w. Irrtum (s. d.); Ignoranzeid (Jusjurandum ignorantiae), die eidliche Versicherung, daß man von einer behaupteten Thatsache nichts wisse (vgl. Eid).

Igor, Fürst von Nowgorod, Sohn des Fürsten Swjatoslaw II. von Tschernigow, geb. 1151, fiel 1202 in einem unglücklichen Feldzug gegen die Polowzer. Er spielt in der Geschichte der altrussischen Nationalpoesie eine nicht unbedeutende Rolle durch ein episch-lyrisches Gedicht, das "Lied vom Heereszug Igors" ("Slovo o polku Igorevě"), welches jenen Feldzug besingt und, weil noch von heidnisch-nordischer Romantik, die wir ähnlich bei Ossian finden, durchweht, von hohem Alter sein muß. Das Gedicht, von einem unbekannten Verfasser (vielleicht einem Kampfgenossen im Gefolge Igors) herrührend, wurde 1795 von dem Grafen Alexej Musin-Puschkin in einer aus dem 14. (nach Neuern aus dem 16.) Jahrh. stammenden Handschrift, welche sich im Besitz eines Klosters in Jaroslaw befand, aufgefunden und zuerst 1800 in Moskau veröffentlicht. Das Original ging bei dem Brand von Moskau 1812 mit der reichen Bibliothek des genannten Grafen zu Grunde. Eine andre Abschrift desselben mit mancherlei Varianten wurde 1864 unter den Papieren der Kaiserin Katharina II. aufgefunden und von Pekarskij (Petersb. 1864) veröffentlicht. Von den zahlreichen Ausgaben des Gedichts erwähnen wir die von Hattala (mit böhmischer Übersetzung, Prag 1858), von Ogonowski (Lemb. 1876), von Tihonrawow (2. Aufl., Mosk. 1868) und Potebnja (Kiew 1878). Unter den deutschen Übersetzungen gibt die von Wolfsohn in seiner "Schönwissenschaftlichen Litteratur der Russen" (mit