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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Indianer

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Indianer (Stämme, Kulturverhältnisse, Religion).

kesenbund beständig im Krieg lebten. Die vierte Gruppe bilden die Dakota oder "Sieben Ratfeuer", von den Franzosen Sioux, von andern auch Nadowessier genannt, welche im Gebiet der Vereinigten Staaten die Prärien zwischen dem Mississippi und dem Felsengebirge bis südlich zum Arkansas innehatten. Zu ihnen gehören die Assiniboin, die Winebago oder Winnipeg, die Iowa, Omaha, Osagen, Kansas, Quappa, Menitärri, Mandaner und Upsaroka (Krähenindianer). Vereinzelt stehen die Pani und Ricara in und an den Felsengebirgen zwischen den Oberläufen des nördlichen Platteflusses und des Arkansas. Östlich vom Mississippi, im O. und S. vom Meer begrenzt, wohnte der appalachische Volksstamm, die Tscherokesen, Tschikasa, Tschokta, Alabama, Natchez u. a. Außerhalb dieser Gruppen steht eine lange Reihe verschiedener Völker. An der Nordwestküste sitzen die Koloschen, Haidah, Nutka; das Oregongebiet von Mount Brown und Mount Hooker bis zum Sacramentofluß beherbergte eine ganze Anzahl von Stämmen, darunter die Flatbow und Flathead. Mitten unter den kalifornischen Völkern saß der Yumastamm, und getrennt von den übrigen in Texas isoliert unter mexikanischen Völkern finden wir die Pueblo, Tonkawa, Kioway, Caddo u. a.

Allen diesen Stämmen sind neben den bereits oben erwähnten physischen und psychischen Charakterzügen gewisse Lebensformen und Anschauungen gemein. In ihrer Bemalung des Gesichts mit schreienden Farben, dem Ausputz ihrer Haare und ihrer aus Fellen bereiteten Kleidung mit allerlei Zierat prägt sich eine eigentümliche Mischung des Pomphaften und Phantastischen aus. Der vorzüglichste Schmuck des Indianers sind aber die Wampums, Arm- und Halsbänder aus farbigen Perlen, welche aus kleinen Muscheln verfertigt werden. Dieser Schmuck wird überall statt baren Geldes angenommen; im Krieg ist seine Übersendung Zeichen des angebotenen Friedens, auch zahlen unterworfene Stämme darin ihren Tribut. Die Wohnungen (Wigwams) bestehen bei den Fischerstämmen aus Baumrinde, bei den Jägerstämmen aus zusammengenähten Büffelhäuten, welche den Feuerplatz in der Mitte einschließen; der Rauch entweicht durch ein Loch an der Spitze. Die Hausgeräte waren früher ausschließlich aus Holz, Thon, leichten Steinen und Tierhäuten, die Waffen (Keule, Beil, Bogen und Pfeile) aus Holz, Knochen und Steinen gearbeitet. Jetzt haben eiserne Beile (Tomahawks) und Schlachtmesser, Flinten ihre Stelle eingenommen. Von den vielen Metallen, welche Nordamerika bietet, war den Indianern nur das Kupfer bekannt, das sie, namentlich am Obern See, verarbeiteten. Sie befanden sich zur Zeit der Entdeckung daher bereits teilweise in der Bronzezeit. Die Fischerstämme verfertigten ihre Kähne aus Baumrinde oder Büffelhäuten, die Jägerstämme aber ihre fischförmigen Schneeschuhe aus weichem Holz oder Leder. Die Nahrung war vorzugsweise eine animalische und zwar in gekochtem Zustand; wilde Früchte, aber auch die durch Ackerbau gewonnenen dienten als Ergänzung. Dabei verstand es der I. nicht, die Tiere in seinen Dienst zu ziehen, wiewohl Büffel und Renntier Anlaß zur Zähmung und Züchtung geboten hätten; selbst das Pferd, welches ihm heute so wichtige Dienste leistet, wird von ihm wild eingefangen. Gänzlich mangelte der Feldbau nur auf den Hudsonbaigebieten östlich von den Felsengebirgen bei den meisten Athabasken. Auf diese folgten südlich die ackerbauenden Algonkin, von denen wiederum die noch südlichern Irokesen durch ihre Bergbauten am Eriesee sowie in Michigan und Indiana durch die sorgsame Anlage ihrer Felder sich günstig abhoben. Je weiter man von N. nach S. vordrang, desto gesitteter traf man im Durchschnitt die I. Bei den Appalachen stießen die Spanier auf "Tempel", die etwas Besseres gewesen zu sein scheinen als die "Medizinhütten" der nördlichen Rothäute. Bei den Seminolen fanden die Spanier befestigte Flöße, und wirkliche Brücken werden in Georgia erwähnt. Es kann daher nichts Überraschendes haben, wenn in Florida Reste alter Straßen entdeckt wurden. Endlich waren die Ansätze zur Stadtbildung vorhanden und zwar am Nordgestade des Mexikanischen Golfs, wo die Bevölkerung sich zu verdichten begann. Fernando de Soto schildert 1540 Mavila, das heutige Mobile, als von einer hölzernen, mit Lehm beworfenen und mit Türmen besetzten Mauer umgürtet. Innerhalb derselben standen 80 große Häuser oder Kasernenbauten, die je 1000 Köpfen Obdach gewährten, und von deren flachen Dächern herab die Spanier beschossen wurden. Ansätze zu höherer Gesittung waren also bei der Entdeckung der Neuen Welt auch bei den Indianern vorhanden, und nur das störende Eingreifen der Europäer verhinderte deren Entfaltung, die unter dem Einfluß der Kulturstaaten Mittelamerikas sicher hätte stattfinden können. Genußmittel waren den Indianern fast gar nicht bekannt. Berauschende Getränke waren vor Ankunft der Weißen nicht vorhanden, doch war die Sitte des Rauchens schon vor der Einführung des Tabaks einheimisch. Bei den Mandanern finden sich den sogen. russischen ganz ähnliche Schwitzbäder. Die Frau nimmt eine sehr untergeordnete Stellung ein; während der Mann sich nur um Jagd und Krieg bekümmert, ist es Sache der Frau, für alle übrigen Bedürfnisse zu sorgen. Gewöhnlich nimmt ein Mann so viel Frauen, als er ernähren kann. Die Heirat ist ein reines Kaufgeschäft. In die Ehe treten die sehr früh reifenden Mädchen schon mit 11-12 Jahren; sie welken daher schnell. Die Erbfolge findet in der Linie des Weibes statt; dem Verstorbenen folgt nicht der Sohn, sondern der Bruder der Mutter. Mehrere Familien sind zu einem Dorf unter einem Häuptling vereinigt, eine Vereinigung mehrerer Dörfer zu einem Stamm findet jedoch nur zu Kriegszeiten statt, immer aber ist die Vereinigung eine sehr lose, und die Stellung des Häuptlings beruht auf seinen persönlichen Eigenschaften. Jede Sippe hat ihren Namen und ihr Sinnbild, meist ein einem Tier entlehntes Sinnbild, Totem bei den Algonkin genannt.

Die Religion der I. erscheint als ein wunderbares Gemisch von Glaubensmeinungen, Lehren und Gebräuchen. Allgemein ist der Glaube an einen großen Geist, den Schöpfer alles Seienden, den man sich aber entweder als zu abstrakt verschwommen oder als zu menschlich vorstellt, und dem man höchst selten Verehrung darbringt. Eine desto größere erhalten böse Geister, welche den Menschen stets schaden können, die Schutzgeister, welche über des einzelnen Geschicke wachen, die Seelen der Abgeschiedenen. Man suchte sie durch Opfer (bei den Irokesen auch von Menschen) günstig zu stimmen. Das zukünftige Leben dachte man sich als eine unmittelbare Fortsetzung des jetzigen; daher gab man den Toten ihre Lieblingsgeräte sowie einige Speisen mit ins Grab. Zu den Verrichtungen, mit denen man das Wohlgefallen der Götter zu erringen glaubt, gehören die Tänze (Bären-, Büffel-, Hunde-, Adlertanz), welche hier ein rein gottesdienstlicher Akt sind. Als ein Seitenstück derselben erscheinen die oft furchtbaren Peinigungen (Aufhängen an Stricken, welche durch die durchbohrten Muskel-^[folgende Seite]