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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Irland

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Irland (Geschichte bis 1867).

unterdrückte die revolutionären Blätter. Die Führer flüchteten, und die Klubs lösten sich zum Teil auf; Smith O'Brien aber, von den Massen als König von Munster begrüßt, sammelte bewaffnete Haufen, die jedoch bei Ballingarry von der Polizei auseinander gesprengt wurden. O'Brien, Meagher u. a. wurden ergriffen, vor Gericht gestellt und zum Tod verurteilt, doch zur Deportation begnadigt. Bei Eintritt des Winters kehrte auch der Notstand wieder; daher erfolgte abermalige Suspendierung der Habeaskorpusakte und Einbringung einer Bill, wonach zur Unterstützung der Armen das Grundeigentum mit einer Einkommensteuer von 2½ Proz. belegt ward. Trotzdem wiederholten sich die Notstände von 1846 bis 1847, und überdies dezimierte die Cholera die Bevölkerung. Über 200,000 Menschen wanderten aus. Zur Unterstützung der Armenhäuser wurden im April 1850 wieder 300,000 Pfd. Sterl. bewilligt; auch dehnte man das aktive Wahlrecht auf die Pachter aus, die eine Pacht von 12 Pfd. Sterl. zahlten. Obwohl sich allmählich die materielle Frage wieder günstiger gestaltete, so machte sich doch die Nachwirkung der durch die Not veranlaßten sittlichen Verwilderung noch geraume Zeit in Gewaltthaten bemerklich. Dazu rief der Versuch des römischen Stuhls, in Großbritannien wieder die römisch-katholische Hierarchie herzustellen, neue Bewegungen hervor. Der Erzbischof-Primas Cullen und der Bischof M'Hale fachten den konfessionellen Hader an, und während die Repealassociation allmählich verstummte, zeigte sich die Opposition auf dem kirchlichen Gebiet um so regsamer.

Die Bewegung der Fenier und die ersten Reformgesetze Gladstones.

Der religiöse Gegensatz aber weckte auch wieder den nationalen, und namentlich war es die Bewegung der Fenier, welche aufs neue zeigte, daß I. noch keineswegs in den Organismus des britischen Reichs völlig eingefügt war, und daß der auf Stammes- und Religionsverschiedenheit beruhende Gegensatz zwischen England und der Nachbarinsel sich lebendig erhalten hatte. Der Name der Fenier ist den oben charakterisierten durchaus sagenhaften. Anfängen der irischen Geschichte entlehnt worden. Einer der berühmtesten Helden der altirischen Bardengeschichte war Fionu oder Finn, welcher am Ende des 3. Jahrh. unsrer Zeitrechnung große Heldenthaten verrichtet haben soll und in den irischen Volksliedern hoch gepriesen wird. Sein Ruhm ward so groß, daß die Krieger Irlands in späterer Zeit sich gern Finna (oder Fianna), d. h. Finns Männer, nennen hörten. Die Finna wurden im Englischen "Fenians". Die Fenier sind also ein Bund bewaffneter Männer. Der Zweck dieser Verbindung war die vollständige Losreißung Irlands von England mittels einer revolutionären Erhebung. Dieselbe ward jedoch nicht in I. selbst, sondern in Amerika, wo Hunderttausende von Iren vor der verhaßten englischen Herrschaft und ihren Bedrückungen Zuflucht gefunden hatten, begründet. Der Bund ward zunächst dadurch veranlaßt, daß während des amerikanischen Sezessionskriegs die Irländer in Masse für die Union unter die Waffen traten. Die Haltung Englands aber neigte den Südstaaten zu, so daß auch hier wieder I. und England in feindlichem Gegensatz zu einander erschienen. Außerdem aber war dadurch die Möglichkeit eines Konflikts zwischen England und den Vereinigten Staaten nahegerückt, die Aussichten für die irische Agitationspartei erschienen demnach so günstig wie möglich. So schritt man zu einer förmlichen Organisation der unzufriedenen Elemente und rief gegen Ende 1861 den Bund der Fenians ins Leben. In Amerika stand John O'Mahony an der Spitze der neu angefachten Bewegung, in I. James Stephens. Schon seit Anfang 1862 fanden im Westen Irlands fenische Meetings hauptsächlich zu dem Zweck der Aufnahme neuer Bundesbrüder statt. Der Eid bei der Aufnahme lautete dahin, daß der Betreffende Mitglied der irischen Republik sein und sich bereit halten wolle, ohne Verzug auf den Befehl der Führer zu den Waffen zu greifen, Ein eignes Parteiorgan wurde im November 1863 in einem zu Dublin erscheinenden Journal: "The Irish People", geschaffen. Da die englische Regierung anfangs dem Treiben der Fenier ziemlich gleichgültig zugesehen hatte, griff dasselbe weiter und weiter um sich und machte namentlich in den nördlichen und westlichen Staaten der Union so bedeutende Fortschritte, daß die Vorsteher der verschiedenen Distrikte, welche je nach ihrem Rang Centres oder Head Centres hießen, den obersten Head Centre, eben jenen John O'Mahony (Big John genannt), zur Berufung eines Kongresses veranlaßten. Derselbe trat im November 1863 in Chicago zusammen und faßte drei bedeutsame Resolutionen: der Kongreß hieß die Proklamierung der irischen Republik gut und verpflichtete sich, ihre Anerkennung seitens der fremden Regierungen zu veranlassen; sodann wurde die in I. vorhandene Zentralexekutive der fenischen Brüderschaft als zu Recht bestehend bezeichnet und endlich drittens beschlossen, Stephens nach Kräften zu unterstützen.

Das Jahr 1865 sollte das Jahr des Handelns werden und nicht vergehen, ohne daß das Banner der irischen Republik erhoben worden sei. Die englische Regierung war jedoch von allem genau unterrichtet und ergriff entscheidende Gegenmaßregeln. Zunächst schritt man in der Nacht vom 15. auf 16. Sept. gegen den "Irish People" ein, besetzte das Gebäude desselben, bemächtigte sich der Leiter der Agitation, nahm in den nächsten Tagen in den westlichen Distrikten Irlands zahlreiche Verhaftungen vor, proklamierte an einzelnen Orten den Belagerungszustand, verstärkte die Militärgewalt und ließ die Kanalflotte herbeikommen, um Zuzüge aus Amerika abzuschneiden. Emissäre aus Amerika wurden, da sie von der neuesten Wendung noch nichts wußten, bereits am Bord der Schiffe festgenommen. Stephens wurde zwar unter fremdem Namen in einem Landhaus bei Dublin aufgefunden und verhaftet, doch gelang es ihm, wieder zu entkommen. Durch die Beschlagnahme der Papiere in dem Redaktionsbüreau des "Irish People" waren der Regierung authentische Dokumente über Gang und Zwecke der Bewegung in die Hände gefallen. Die besonders Kompromittierten, deren man hatte habhaft werden können, wurden von Spezialkommissionen in Dublin und Cork abgeurteilt. Die ersten Versuche des fenischen Bundes waren damit gescheitert, die Bewegung selbst aber darum keineswegs erstickt. Vielmehr ging dieselbe, namentlich in Amerika, in großem Stil fort. Dort versammelte sich im Oktober 1865 zu New York ein aus Senat und Abgeordnetenhaus bestehender fenischer Kongreß, und es warb eine förmliche Regierung für die Republik I. eingesetzt, welche jedoch durch innere Zwistigkeiten bald lahmgelegt wurde. In I. selbst und in England äußerte sich die Fortdauer der Bewegung, nachdem das Parlament 1866 die Suspension der Habeaskorpusakte erneuert hatte, nur noch in einer Reihe blutiger Greuelthaten, wovon die entsetzliche Explosion in der Nähe des Clerkenwellgefängnisses im Dezember 1867 das meiste Aufsehen gemacht hat. Ihr Zweck, die Befreiung des fenischen Häuptlings