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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Irvingianer

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Irving - Irvingianer.

Märchen geschriebene "Alhambra" (das. 1832, 2 Bde.). Letzteres Werk verfaßte er als Sekretär der amerikanischen Gesandtschaft zu London, wohin er von Spanien aus gegangen war. Von 1832 an lebte I. wieder in Washington, von wo er wiederholt Reisen nach dem noch unkultivierten Westen unternahm, bis er 1841 zum Gesandten der Vereinigten Staaten am spanischen Hof ernannt wurde. Nachdem er durch Testament eines ihm unbekannten Mannes 1843 ein beträchtliches Vermögen geerbt, legte er 1846 seinen Gesandtschaftsposten nieder und zog sich auf seinen Landsitz Sunnyside in der Nähe von New York zurück, wo er 28. Nov. 1859 starb. Seine spätern Schriften sind: "Miscellanies" (Lond. 1835-36), enthaltend: "A tour on the prairies", "Abbotsford and Newstead-Abbey" und "Legends of the conquest of Spain"; ferner "Astoria, or the enterprise beyond the Rocky Mountains" (das. 1836, 3 Bde.); "Adventures of Captain Bonneville" (das. 1837, 3 Bde.); "History of Mahomet and his successors" (das. 1849-50, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1850), ein Werk, welches sich weniger durch Tiefe der Forschung als durch eleganten Stil und lichtvolle Darstellung auszeichnet; "Oliver Goldsmith" (Lond. 1849; deutsch, Berl. 1858), eine der anmutigsten Biographien, die je geschrieben worden, und "Life of George Washington" (New York 1855-59, 5. Bde.; deutsch, Leipz. 1855-59). Gesamtausgaben seiner Werke erschienen New York 1848-50, 15 Bde.; London 1851, 10 Bde.; New York 1882, 27 Bde. (Jubiläumsausgabe, zur 100jährigen Geburtstagsfeier des Dichters veranstaltet), und New York 1886, 9 Bde. Deutsch erschienen die "Sämtlichen Werke, übersetzt von Mehreren" (Frankf. 1826-37, 74 Bde.); in Auswahl von Adrian (2. Aufl., das. 1847, 4 Tle.); eine andre Auswahl (Leipz. 1856), illustriert von Ritter und Camphausen. Irvings Leistungen zeichnen sich durch ansprechende Darstellung, Frische und Gewandtheit der Schreibweise aus. Er ist kein schöpferisches Talent; wohl aber weiß er Dargebotenes geschickt zu verarbeiten und hat aus allen Ländern, welche er besuchte, sich etwas angeeignet. Tiefe Blicke in die menschliche Seele sind nicht in Irvings Schriften zu finden, wohl aber interessante psychologische Bemerkungen; ebenso werden wohl die verkehrten Neigungen belächelt, nie aber die starken Leidenschaften von ihm heraufbeschworen. Vgl. Pierre Irving, Life and letters of Washington I. (Lond. 1862-64, 4 Bde.; neue Ausg. 1883, 3 Bde.); Laun, Washington I., ein Lebens- und Charakterbild (Berl. 1870, 2 Bde.); Hill, Washington I. (New York 1879); Warner, Bryant und Putnam, Studies of I. (das. 1880); Warner, W. I. (Boston 1881).

2) Henry, berühmter engl. Schauspieler, geb. 6. Febr. 1838 zu Keinton bei Glastonbury, wurde in einer Londoner Schule erzogen; betrat 1856 zuerst die Bretter und spielte zunächst in kürzern Engagements in Edinburg und auf größern Bühnen in Glasgow, Manchester und London. 1866 spielte er auf Veranlassung des Dichters zuerst die Rolle des Spielers Rawdon Scudamore in Boucicaults "Hunted down" und betrat damit sein eigentliches Gebiet, auf dem er seitdem sich auszeichnet, das der Darstellung von Bösewichtern und diabolischen Charakteren. Er nahm zunächst ein Engagement am St. James-Theater an, dann spielte er am Queenstheater, 1870 im Vaudevilletheater, wo er in 300 Wiederholungen von Alberys "Two roses" auftrat, und stellte 1871 seine Kräfte dauernd in den Dienst des Lyceumtheaters, das hierdurch zum wichtigsten Theater Londons erhoben ward. An diesem Theater, in welchem er zunächst einige hundert Male durch die Darstellung eines Mörders in dem Volksstück "The Bells" Sensation erregte, kreierte er die Rollen des Hamlet (1874), des Macbeth (1875), des Othello (1876) und Richards III. (1877) und erwarb sich durch seine Leistungen als Darsteller Shakespearescher Charaktere den Ruf des ersten englischen Tragöden der Gegenwart. Vgl. Archer, Henry I., actor and manager (Lond. 1885).

3) Edward, engl. Geistlicher, Begründer der nach ihm benannten Sekte, s. Irvingianer.

Irvingianer (Irvingiten), nach ihrem Begründer, dem englischen Geistlichen Irving, benannte religiöse Sekte, welche die baldige Wiederkunft Christi erwartet und durch Erneuerung der apostolischen Einrichtungen darauf vorbereiten will.

Edward Irving, geb. 15. Aug. 1792 zu Annan in der schottischen Grafschaft Dumfries, studierte zu Edinburg Theologie, wurde 1812 Direktor einer höhern Lehranstalt zu Kirkcaldy, 1819 Hilfsprediger des berühmten Dr. Chalmers an der St. Johanniskirche in Glasgow u. 1822 Prediger an der kanonischen Kirche in London. Bald überwog das phantastische Element seiner religiös erregbaren Natur den nüchternen Gedanken völlig; die biblischen Apokalypsen gaben die Texte zu Predigten, in denen er das Jüngste Gericht als nahe bevorstehend ankündigte und den gepriesenen Fortschritt des Geistes als Teufelswerk verdammte. Ueberdies tauchte 1827 die Anklage auf, daß Irving abweichend von der Kirchenlehre lehre, Christus habe die menschliche Natur in ihrem "gefallenen" Zustand angenommen, und seit 1828 bestätigten mehrere Veröffentlichungen diese Beschuldigung. Im folgenden Jahr besuchte Irving Schottland, ward aber dort von der eben in Edinburg versammelten Generalsynode, in die er als Mitglied des Presbyteriums von Annan einzutreten befugt war, als Irrlehrer zurückgewiesen. Gleichwohl predigte er in Edinburg mehrere Wochen hindurch täglich und schritt zur Behauptung einer der Kirche als solcher immer noch innewohnenden Kraft, Zeichen und Wunder zu thun, fort, welche derselben nie entzogen, sondern nur infolge ihres Unglaubens sistiert gewesen sei; der Zustand der apostolischen Kirche könne zurückgebracht werden, wenn die Kirchengemeinde zu dem wahren Glauben zurückkehre und mit dem Heiligen Geist getauft werde. Diese bevorstehende Neuausgießung des Heiligen Geistes predigte er fortan und suchte dieselbe in einem eignen Verein von Jüngern herbeizubeten. Sie "schrieen mächtig zu Gott Tag und Nacht", führten eigne Morgen- und Abendandachten ein, und in diesem Zustand der Exaltation kam es schon 1830 zu Auftritten, an welchen Irving das Zungenreden, Weissagen und Wunderheilen der ersten Christen wieder zu erkennen glaubte. Während Irving das seinen Hausgottesdienst schließende Gebet sprach, unterbrach zuweilen eine Dame oder auch ein Herr plötzlich den Betenden durch fremdartige und unverständliche Laute, die aber mit außerordentlicher Schärfe der Betonung ausgestoßen wurden, und woran sich sodann erregte Ermahnungen zur Vorbereitung auf den Tag des Gerichts knüpften. Als sich bald dieselben Stimmen auch während des öffentlichen Gottesdienstes vernehmen ließen, gestand Irving unumwunden, daß es der Heilige Geist sei, der sich auf solche Weise vernehmen lasse. Gegen diese Prätensionen erhob sich natürlich die kirchliche Welt, und die eignen Kirchenvorsteher verschlossen ihm 1832 die Kirche. Dafür