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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italien

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Italien (Gebirge, Geognostisches).

deutlichsten in Piemont hervor, und man erkennt, daß die Alpen geographisch zu Frankreich und Deutschland gehören. Von dort aus sind sie leicht, von I. aus sehr schwer zu ersteigen, und dies erklärt auch, daß die Alpen bis an den Rand der Ebene von Leuten andern Ursprungs u. andrer Sprache bewohnt sind, daß die deutsche Sprache erst in den letzten Jahrhunderten, das Französische in den piemontesischen Bergen erst in diesem Jahrhundert zurückgedrängt wird. Die Ligurischen Alpen vom Col di Tenda bis zum Paß von Altare nordwestlich von Savona sind in jeder Hinsicht als Bindeglied zwischen Alpen und Apenninen anzusehen.

Die nun folgenden Apenninen (s. d.) bestimmen zumeist die Gestalt der Halbinsel; sie ziehen sich zuerst in südöstlicher Richtung bis ins Toscanische, soweit die größere Breite Norditaliens reicht. Zwischen ihnen und den Alpen breitet sich die große Ebene der Lombardei aus, welche in ihrer ganzen Ausdehnung von W. nach O. vom Po mit seinen Nebenflüssen aus den Alpen und Apenninen bewässert wird. Die Lombardei, von der Halbinsel durch die Apenninen getrennt, hat nichts mit der Charakteristik des eigentlichen italischen Bodens, des Halbinsellandes, gemein und ist auch häufig längere Zeit hindurch politisch und historisch davon getrennt gewesen. Vom Pothal wendet sich der Längenzug der Apenninen mehr gegen SO. in der Hauptrichtung der ganzen Halbinsel und wird zu ihrem zentralen Gebirgssystem. Von hier an nimmt die Zahl der Gebirgsketten zu, welche die ganze Mitte der Längenerstreckung Italiens mit Berglandschaften füllen, die nach S. immer mehr den schroffen, wilden Apenninencharakter annehmen. Während sie im Knie der Wendung, im Toscanischen, wo zugleich der breiteste Saum für die östlichen Abfälle bleibt, kaum zu 1600 m aufsteigen, beträgt weiter gegen S. ihre mittlere Höhe etwa 1800 m, und einzelne Gipfel (Monte Corno, Monte Majella) ragen 2500 bis nahezu 3000 m empor. Es beginnt mit diesem Wechsel der Normalrichtung das mehr einförmige, dichte, feste, vorherrschende Kalksteingebirge, dessen Gleichartigkeit auch die des landschaftlichen Charakters bedingt und sich mit den mannigfaltigen Abstufungen der Höhenzüge und mit seinen wechselnden pittoresken, eigentümlich zerrissenen und zerspaltenen Formen bis zum Süden der Halbinsel deutlich verfolgen läßt. Der hohe zentrale Apenninenzug, der ganz I. dammartig der Länge nach durchzieht, dacht sich nach beiden Meeren hin in mehr oder weniger breiten Hügellandschaften ab. Nach O. ist die Abdachung steiler, wilder, nach W. hin sanfter und thalreichere Uferlandschaften darstellend. Wenn demnach der hohe Apennin zwischen Ost- und Westitalien eine starke natürliche Scheide bildete, in Bezug sowohl auf die Verbreitung der Völkerstämme und die Kultur als auf Politik, so mußte der Westseite, sobald eine Wechselwirkung eintrat, naturgemäß die Herrschaft über die Ostseite zufallen, zumal auch die Westseite dem äußern Verkehr günstiger gestaltet war, während die hafenlose Ostseite noch überdies die des Hinterlandes entbehrende Steilküste von Dalmatien als Gegengestade hatte. In der That haben sich auch alle bedeutenden Städte und Mittelpunkte mittelitalischer Herrschaften (Etrurien, Rom, das süditalische Normannenreich etc.) auf der Westseite der Apenninen emporgearbeitet, keine auf der Ostseite. Den ganzen Süden der Halbinsel füllen die Neapolitanischen Apenninen. Sie bilden die sehr wilde Gebirgslandschaft der Abruzzen (s. d.), die aber in keinerlei Zusammenhang mit dem Vorgebirge Gargano stehen. Die Hauptwasserscheide zieht sich mehr nach W. und tritt am Golf von Policastro ans Tyrrhenische Meer, während sich östlich die Ebene von Apulien und eine flache, trockne, weiter nach SO. der Wasserläufe auf dem porösen Kalkstein ganz entbehrende Kalkplatte anlegt, welche auch die Apulische Halbinsel bildet. Die Apenninen enden eigentlich im Monte Pollino an der Wurzel der Kalabrischen Halbinsel, welche, aus altkristallinischem Gestein bestehend, nur noch Reste von Apenninkalk aufweist, der dafür in Sizilien wieder bedeutungsvoll hervortritt, so daß man von einer Fortsetzung der Apenninen bis nach Sizilien sprechen kann. Während außer in Apulien der Ostseite der Halbinsel die Form der Ebene ganz fehlt, besitzt die Westseite die fruchtbare Kampanische Ebene, welche in wenig unterbrochenem Zusammenhang mit den Pontinischen Sümpfen und der Ebene am untern Tiber steht. Eine lange, dem Kamm der Apenninen parallele Reihe von Vulkanen charakterisiert ferner die Westseite der Halbinsel, der Vesuv ist der südlichste u. einzig jetzt thätige; die Ostseite hat nur den erloschenen Vultur aufzuweisen.

I. ist geognostisch weniger durchforscht als die meisten übrigen Länder Europas, teilweise sogar vernachlässigt. Insbesondere gilt dies von mehreren Teilen des Südens. Verhältnismäßig am besten bekannt ist wohl die große Po-Ebene mit ihrer alpinen Umwallung. In der Ebene herrschen Alluvionen jeder Art vor, an ihrem nördlichen und westlichen Rand, beim Übergang in das Hügelland, spielen die als Erdmoränen der Gletscher der Eiszeit hier abgelagerten Geröllmassen eine große Rolle, aus denen z. B. die Hügellandschaften südlich vom Gardasee und südlich von Ivrea bestehen. Die isoliert aus der Ebene aufsteigenden Monti Berici, südlich Vicenza, und die Euganeen, südwestlich Padua, sind vulkanischen Ursprungs. Die Alpen bestehen auf italienischem Gebiet östlich vom Langensee in den Vorhöhen aus tertiären und Kreidebildungen, vorzugsweise Kalken und Sandsteinen, im höhern Gebirge aus triassischen und jurassischen Kalken und Dolomiten. Vom Langensee an reichen altkristallinische Gesteine, Gneis, Granit, Schiefer bis an die Ebene heran, aus ihnen bestehen auch noch überwiegend die Ligurischen Alpen. Die Apenninen bestehen bis zum Golf von Tarent und Kalabrien vorwiegend aus Kalksteinschichten der Jura- und Kreideformation, welchen in langer, schmaler Zone an der Ostseite vom Bergland von Montserrat, das vom Po umflossen wird, bis zum Golf von Tarent jüngere Tertiärschichten auflagern. Diese bilden mehr die niedern Gehänge, jene die höhern Gebirge, den Hintergrund jeder italienischen Landschaft, nicht als schroffe Felswände, auch nicht als fortlaufender Wall, aber doch mit kühnen Formen der Gipfel und häufiger stufenweiser Unterbrechung der Abhänge, zuweilen mit jähen Felsabstürzen, im Schmuck ihrer Eichen- und Kastanienwälder reich an malerischen Ansichten. Keinem andern Kalkgebirge der Erde ist eine solche Mischung des Erhabenen und Lieblichen eigen. Wesentlich trägt dazu bei die den Kalkgebirgen des Mittelmeergebiets eigentümliche Terra rossa, eine Art roter Thon, ein Verwitterungsrückstand des Kalksteins, auf welchem die Rebe, der Ölbaum, die Kastanie trefflich gedeihen. Es herrscht so im geographischen Bau der Halbinsel außerordentliche Einheit. Der Ligurische Apennin und selbst der Etruskische in seinen nördlichen Teilen besteht aus tertiären, eocänen Kalk- u. Sandsteinschichten von außerordentlicher Mächtigkeit, häufig aber, namentlich in einem 600 qkm großen Gebiet westlich von Genua, durchbrochen von ungeheuern Serpentinmassen. Im